Wie! können wir ohn Unterlaß empfinden, Daß so viel Vorwürff' sich mit unsern Sinnen binden; Ohn' daß man sich einst zu Gemüthe führt, Auf welche Weise sie formirt, Was eigentlich in uns das sey, so fühlt und dencket? Was die Bewegung sey, die uns beseelt und lencket?
Erfordert es demnach nicht unsre Schuldigkeit Uns zu bestreben, das zu kennen, (So viel uns die Vernunfft dazu will Kräffte gönnen) Was diese Welt? Wer der, der alle Dinge macht? Wer uns den Athem giebt? Wer uns hervor gebracht? Das, was ein Cörper sey, und das, was eine Seele; Wer mit dem ird'schen Stoff ein himmlisch Feur vermähle; Und was das sey, daß von uns soll vergehen? Auch was das sey, das ewig wird bestehen?
Jst uns denn nun gleich viel zu wissen, Ob unser Leben uns auf ewig dort, Durch die Veränderung des Cörpers, werd' entrissen? Wie, oder ob der Tod, an jenem seel'gen Ort, Den Geistern, die der Sterblichkeit entladen, Nicht mehr vermögend sey zu schaden?
Man
A 3
Von den Weltweiſen.
Wie! koͤnnen wir ohn Unterlaß empfinden, Daß ſo viel Vorwuͤrff’ ſich mit unſern Sinnen binden; Ohn’ daß man ſich einſt zu Gemuͤthe fuͤhrt, Auf welche Weiſe ſie formirt, Was eigentlich in uns das ſey, ſo fuͤhlt und dencket? Was die Bewegung ſey, die uns beſeelt und lencket?
Erfordert es demnach nicht unſre Schuldigkeit Uns zu beſtreben, das zu kennen, (So viel uns die Vernunfft dazu will Kraͤffte goͤnnen) Was dieſe Welt? Wer der, der alle Dinge macht? Wer uns den Athem giebt? Wer uns hervor gebracht? Das, was ein Coͤrper ſey, und das, was eine Seele; Wer mit dem ird’ſchen Stoff ein him̃liſch Feur vermaͤhle; Und was das ſey, daß von uns ſoll vergehen? Auch was das ſey, das ewig wird beſtehen?
Jſt uns denn nun gleich viel zu wiſſen, Ob unſer Leben uns auf ewig dort, Durch die Veraͤnderung des Coͤrpers, werd’ entriſſen? Wie, oder ob der Tod, an jenem ſeel’gen Ort, Den Geiſtern, die der Sterblichkeit entladen, Nicht mehr vermoͤgend ſey zu ſchaden?
Man
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Von den Weltweiſen.
Wie! koͤnnen wir ohn Unterlaß empfinden,
Daß ſo viel Vorwuͤrff’ ſich mit unſern Sinnen binden;
Ohn’ daß man ſich einſt zu Gemuͤthe fuͤhrt,
Auf welche Weiſe ſie formirt,
Was eigentlich in uns das ſey, ſo fuͤhlt und dencket?
Was die Bewegung ſey, die uns beſeelt und lencket?
Erfordert es demnach nicht unſre Schuldigkeit
Uns zu beſtreben, das zu kennen,
(So viel uns die Vernunfft dazu will Kraͤffte goͤnnen)
Was dieſe Welt? Wer der, der alle Dinge macht?
Wer uns den Athem giebt? Wer uns hervor gebracht?
Das, was ein Coͤrper ſey, und das, was eine Seele;
Wer mit dem ird’ſchen Stoff ein him̃liſch Feur vermaͤhle;
Und was das ſey, daß von uns ſoll vergehen?
Auch was das ſey, das ewig wird beſtehen?
Jſt uns denn nun gleich viel zu wiſſen,
Ob unſer Leben uns auf ewig dort,
Durch die Veraͤnderung des Coͤrpers, werd’ entriſſen?
Wie, oder ob der Tod, an jenem ſeel’gen Ort,
Den Geiſtern, die der Sterblichkeit entladen,
Nicht mehr vermoͤgend ſey zu ſchaden?
Man
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/35>, abgerufen am 23.11.2024.
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