Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.Von dem Geschmack. Lasst uns nur eine Frucht betrachten und bedencken, Die, da sie aus dem Zweige steigt, Nichts, als nur einen Safft, der irdisch ist, uns zeigt, Von dem die Theilchen sich verdicken und verschräncken. Zuerst hat sie vom Baum die Härtigkeit der Ninde, Worinnen ich nichts feuchtes finde. Nach einer kurtzen Zeit vergrössert, färbt sie sich; Die kleinen Cörperlein, Die allgemach versammlet seyn, Sind zärtlicher sodann, sind ordentlich Verbunden und gefügt. Doch ist es noch nicht Zeit, Dieselbige zu essen, zu verzehren. Sie wird dir sonst, durch herbe Widrigkeit, So Zung' als Gaum verletzen und versehren. Was sie sodann an Säfften bey sich führt, Jst gar zu scharff, ist gar zu sauer. Allein, nach einer kurtzen Dauer, Wenn sie gereifft, dann koste man sie bald, So ist die Anmuth mannichfalt. Wo man sie aber nicht sodann Geniesst; verfaulet sie, verschrumpffet, steckt sich an, Und anders ist sie nichts, zu solcher Zeit, Als Eckel und als Bitterkeit. Will man von dem Geschmack der Cörper eigentlich, Und von derselben Nang' ein billig Urtheil fällen; So muß man süß und bitter sich Einander nicht entgegen stellen. Wol Y
Von dem Geſchmack. Laſſt uns nur eine Frucht betrachten und bedencken, Die, da ſie aus dem Zweige ſteigt, Nichts, als nur einen Safft, der irdiſch iſt, uns zeigt, Von dem die Theilchen ſich verdicken und verſchraͤncken. Zuerſt hat ſie vom Baum die Haͤrtigkeit der Ninde, Worinnen ich nichts feuchtes finde. Nach einer kurtzen Zeit vergroͤſſert, faͤrbt ſie ſich; Die kleinen Coͤrperlein, Die allgemach verſammlet ſeyn, Sind zaͤrtlicher ſodann, ſind ordentlich Verbunden und gefuͤgt. Doch iſt es noch nicht Zeit, Dieſelbige zu eſſen, zu verzehren. Sie wird dir ſonſt, durch herbe Widrigkeit, So Zung’ als Gaum verletzen und verſehren. Was ſie ſodann an Saͤfften bey ſich fuͤhrt, Jſt gar zu ſcharff, iſt gar zu ſauer. Allein, nach einer kurtzen Dauer, Wenn ſie gereifft, dann koſte man ſie bald, So iſt die Anmuth mannichfalt. Wo man ſie aber nicht ſodann Genieſſt; verfaulet ſie, verſchrumpffet, ſteckt ſich an, Und anders iſt ſie nichts, zu ſolcher Zeit, Als Eckel und als Bitterkeit. Will man von dem Geſchmack der Coͤrper eigentlich, Und von derſelben Nang’ ein billig Urtheil faͤllen; So muß man ſuͤß und bitter ſich Einander nicht entgegen ſtellen. Wol Y
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0367" n="337"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von dem Geſchmack.</hi> </fw><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">L</hi>aſſt uns nur eine Frucht betrachten und bedencken,</l><lb/> <l>Die, da ſie aus dem Zweige ſteigt,</l><lb/> <l>Nichts, als nur einen Safft, der irdiſch iſt, uns zeigt,</l><lb/> <l>Von dem die Theilchen ſich verdicken und verſchraͤncken.</l><lb/> <l>Zuerſt hat ſie vom Baum die Haͤrtigkeit der Ninde,</l><lb/> <l>Worinnen ich nichts feuchtes finde.</l><lb/> <l>Nach einer kurtzen Zeit vergroͤſſert, faͤrbt ſie ſich;</l><lb/> <l>Die kleinen Coͤrperlein,</l><lb/> <l>Die allgemach verſammlet ſeyn,</l><lb/> <l>Sind zaͤrtlicher ſodann, ſind ordentlich</l><lb/> <l>Verbunden und gefuͤgt. Doch iſt es noch nicht Zeit,</l><lb/> <l>Dieſelbige zu eſſen, zu verzehren.</l><lb/> <l>Sie wird dir ſonſt, durch herbe Widrigkeit,</l><lb/> <l>So Zung’ als Gaum verletzen und verſehren.</l><lb/> <l>Was ſie ſodann an Saͤfften bey ſich fuͤhrt,</l><lb/> <l>Jſt gar zu ſcharff, iſt gar zu ſauer.</l><lb/> <l>Allein, nach einer kurtzen Dauer,</l><lb/> <l>Wenn ſie gereifft, dann koſte man ſie bald,</l><lb/> <l>So iſt die Anmuth mannichfalt.</l><lb/> <l>Wo man ſie aber nicht ſodann</l><lb/> <l>Genieſſt; verfaulet ſie, verſchrumpffet, ſteckt ſich an,</l><lb/> <l>Und anders iſt ſie nichts, zu ſolcher Zeit,</l><lb/> <l>Als Eckel und als Bitterkeit.</l> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <l><hi rendition="#in">W</hi>ill man von dem Geſchmack der Coͤrper eigentlich,</l><lb/> <l>Und von derſelben Nang’ ein billig Urtheil faͤllen;</l><lb/> <l>So muß man ſuͤß und bitter ſich</l><lb/> <l>Einander nicht entgegen ſtellen.</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">Y</fw> <fw place="bottom" type="catch">Wol</fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [337/0367]
Von dem Geſchmack.
Laſſt uns nur eine Frucht betrachten und bedencken,
Die, da ſie aus dem Zweige ſteigt,
Nichts, als nur einen Safft, der irdiſch iſt, uns zeigt,
Von dem die Theilchen ſich verdicken und verſchraͤncken.
Zuerſt hat ſie vom Baum die Haͤrtigkeit der Ninde,
Worinnen ich nichts feuchtes finde.
Nach einer kurtzen Zeit vergroͤſſert, faͤrbt ſie ſich;
Die kleinen Coͤrperlein,
Die allgemach verſammlet ſeyn,
Sind zaͤrtlicher ſodann, ſind ordentlich
Verbunden und gefuͤgt. Doch iſt es noch nicht Zeit,
Dieſelbige zu eſſen, zu verzehren.
Sie wird dir ſonſt, durch herbe Widrigkeit,
So Zung’ als Gaum verletzen und verſehren.
Was ſie ſodann an Saͤfften bey ſich fuͤhrt,
Jſt gar zu ſcharff, iſt gar zu ſauer.
Allein, nach einer kurtzen Dauer,
Wenn ſie gereifft, dann koſte man ſie bald,
So iſt die Anmuth mannichfalt.
Wo man ſie aber nicht ſodann
Genieſſt; verfaulet ſie, verſchrumpffet, ſteckt ſich an,
Und anders iſt ſie nichts, zu ſolcher Zeit,
Als Eckel und als Bitterkeit.
Will man von dem Geſchmack der Coͤrper eigentlich,
Und von derſelben Nang’ ein billig Urtheil faͤllen;
So muß man ſuͤß und bitter ſich
Einander nicht entgegen ſtellen.
Wol
Y
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |