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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

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Von den Weltweisen.


Soll ich denn etwa denen glauben,
Die, voll gelehrter Toll-und Thorheit immerzu,
Durch Zweifel und durch faule Ruh,
Dem Geist fast alles Wissen rauben?
Die, da sie doch recht lächerlich
Sich über die Gewalt der Sinne weit erhöh'n,
Mit ihrer spitzigen und stoltzen Tummheit sich
Was einzubilden unterstehn?


Wie, oder denen, die vergnügt
Mit der Gleichgültigkeit allein,
Ohn' daß sich zu dem Geist ein fester Vorwurf füg't;
Die gantz beschäfftiget mit einem blossen Schein,
Und, mit Wahrscheinlichkeit zufrieden,
Nur glauben: Wahrheits-Liebe sey
Nichts als Betrügerey?


Wenn Aristoteles uns die Natur erklärt,
Und viel von Elementen lehrt,
Daß sie
Durch wiederwärt'ge Harmonie
Sich eins ins andre mengen,
Sich trennen bald, und bald zusammen hängen;
So setzt er fest: Es sey die Welt von Ewigkeit
Und seiner Lehre Dunckelheit
Verursacht lauter Zanck und Streit.


Ein andrer sucht in Gärten, Welt-und Erden
Die sterben und gebohren werden,
Jn seiner Lehr uns prächtig fürzumahlen.
Er meinet, ihre Zahl geh' über alle Zahlen,
Und daß ein blindes Ungefehr
Von einem Sonnen-Stäubgen-Heer,
So auch unzehlbar, sie formire.
Er
Von den Weltweiſen.


Soll ich denn etwa denen glauben,
Die, voll gelehrter Toll-und Thorheit immerzu,
Durch Zweifel und durch faule Ruh,
Dem Geiſt faſt alles Wiſſen rauben?
Die, da ſie doch recht laͤcherlich
Sich uͤber die Gewalt der Sinne weit erhoͤh’n,
Mit ihrer ſpitzigen und ſtoltzen Tummheit ſich
Was einzubilden unterſtehn?


Wie, oder denen, die vergnuͤgt
Mit der Gleichguͤltigkeit allein,
Ohn’ daß ſich zu dem Geiſt ein feſter Vorwurf fuͤg’t;
Die gantz beſchaͤfftiget mit einem bloſſen Schein,
Und, mit Wahrſcheinlichkeit zufrieden,
Nur glauben: Wahrheits-Liebe ſey
Nichts als Betruͤgerey?


Wenn Ariſtoteles uns die Natur erklaͤrt,
Und viel von Elementen lehrt,
Daß ſie
Durch wiederwaͤrt’ge Harmonie
Sich eins ins andre mengen,
Sich trennen bald, und bald zuſammen haͤngen;
So ſetzt er feſt: Es ſey die Welt von Ewigkeit
Und ſeiner Lehre Dunckelheit
Verurſacht lauter Zanck und Streit.


Ein andrer ſucht in Gaͤrten, Welt-und Erden
Die ſterben und gebohren werden,
Jn ſeiner Lehr uns praͤchtig fuͤrzumahlen.
Er meinet, ihre Zahl geh’ uͤber alle Zahlen,
Und daß ein blindes Ungefehr
Von einem Sonnen-Staͤubgen-Heer,
So auch unzehlbar, ſie formire.
Er
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[11/0041] Von den Weltweiſen. Soll ich denn etwa denen glauben, Die, voll gelehrter Toll-und Thorheit immerzu, Durch Zweifel und durch faule Ruh, Dem Geiſt faſt alles Wiſſen rauben? Die, da ſie doch recht laͤcherlich Sich uͤber die Gewalt der Sinne weit erhoͤh’n, Mit ihrer ſpitzigen und ſtoltzen Tummheit ſich Was einzubilden unterſtehn? Wie, oder denen, die vergnuͤgt Mit der Gleichguͤltigkeit allein, Ohn’ daß ſich zu dem Geiſt ein feſter Vorwurf fuͤg’t; Die gantz beſchaͤfftiget mit einem bloſſen Schein, Und, mit Wahrſcheinlichkeit zufrieden, Nur glauben: Wahrheits-Liebe ſey Nichts als Betruͤgerey? Wenn Ariſtoteles uns die Natur erklaͤrt, Und viel von Elementen lehrt, Daß ſie Durch wiederwaͤrt’ge Harmonie Sich eins ins andre mengen, Sich trennen bald, und bald zuſammen haͤngen; So ſetzt er feſt: Es ſey die Welt von Ewigkeit Und ſeiner Lehre Dunckelheit Verurſacht lauter Zanck und Streit. Ein andrer ſucht in Gaͤrten, Welt-und Erden Die ſterben und gebohren werden, Jn ſeiner Lehr uns praͤchtig fuͤrzumahlen. Er meinet, ihre Zahl geh’ uͤber alle Zahlen, Und daß ein blindes Ungefehr Von einem Sonnen-Staͤubgen-Heer, So auch unzehlbar, ſie formire. Er

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/41>, abgerufen am 29.04.2024.