Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730.

Bild:
<< vorherige Seite
Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.
Ja unfer gantzer Leib, wenn man ihn recht betracht,
Scheint für die Sinne bloß gemacht.


Lasst unsern Geist mit Ernst von neuen überlegen,
Wie wunderbar des Cörpers Bau formirt!
Viel Nerven, um ihn zu bewegen,
Sind allenthalben hingeführt.
Bis zu dem äusersten von seinen Theilen,
Sieht man dieselbigen gleich kleinen Seilen.
Die Haut, von welcher wir umgeben seyn,
Jst gantz davon gewebt, die Röhren, die so klein,
Zusammt den Mäuselein,
Jn welchen sich ein flüssend Feuer reget,
Sind Federchen, wodurch der Cörper sich beweget.


Wie nun in dem Gehirn der Geister Quell allein
Aus welcher sie von da durch alle Nerven rinnen;
So muß ja dies die stärckste Probe seyn,
Daß eintzig das Gehirn der Sitz der Sinnen.
Hieraus entstehn bey uns Empfindlichkeiten.
Die Nerven, die sich überall verbreiten,
Verfügen sich zur Zunge, zum Gehöre,
Zur Nase, zum Gesicht, und eine kleine Röhre,
Ein zarter Zweig durchdringet alle Seiten:
Durch diese wird, wenn uns ein Vorwurff rührt,
Der Druck bis ins Gehirn geführt.


Auf solche Weise nun wird uns von allen Sinnen
Die Würckung mitgetheilt. Der Leib, durch welchen wir
Dies so empfinden, ist ein wol gestimmt Clavier,
Das
J i 2
Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.
Ja unfer gantzer Leib, wenn man ihn recht betracht,
Scheint fuͤr die Sinne bloß gemacht.


Laſſt unſern Geiſt mit Ernſt von neuen uͤberlegen,
Wie wunderbar des Coͤrpers Bau formirt!
Viel Nerven, um ihn zu bewegen,
Sind allenthalben hingefuͤhrt.
Bis zu dem aͤuſerſten von ſeinen Theilen,
Sieht man dieſelbigen gleich kleinen Seilen.
Die Haut, von welcher wir umgeben ſeyn,
Jſt gantz davon gewebt, die Roͤhren, die ſo klein,
Zuſammt den Maͤuſelein,
Jn welchen ſich ein fluͤſſend Feuer reget,
Sind Federchen, wodurch der Coͤrper ſich beweget.


Wie nun in dem Gehirn der Geiſter Quell allein
Aus welcher ſie von da durch alle Nerven rinnen;
So muß ja dies die ſtaͤrckſte Probe ſeyn,
Daß eintzig das Gehirn der Sitz der Sinnen.
Hieraus entſtehn bey uns Empfindlichkeiten.
Die Nerven, die ſich uͤberall verbreiten,
Verfuͤgen ſich zur Zunge, zum Gehoͤre,
Zur Naſe, zum Geſicht, und eine kleine Roͤhre,
Ein zarter Zweig durchdringet alle Seiten:
Durch dieſe wird, wenn uns ein Vorwurff ruͤhrt,
Der Druck bis ins Gehirn gefuͤhrt.


Auf ſolche Weiſe nun wird uns von allen Sinnen
Die Wuͤrckung mitgetheilt. Der Leib, durch welchen wir
Dies ſo empfinden, iſt ein wol geſtimmt Clavier,
Das
J i 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0529" n="499"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von dem Sitz der Sinnlichkeiten.</hi> </fw><lb/>
              <lg type="poem">
                <l>Ja unfer gantzer Leib, wenn man ihn recht betracht,</l><lb/>
                <l>Scheint fu&#x0364;r die Sinne bloß gemacht.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">L</hi>a&#x017F;&#x017F;t un&#x017F;ern Gei&#x017F;t mit Ern&#x017F;t von neuen u&#x0364;berlegen,</l><lb/>
                <l>Wie wunderbar des Co&#x0364;rpers Bau formirt!</l><lb/>
                <l>Viel Nerven, um ihn zu bewegen,</l><lb/>
                <l>Sind allenthalben hingefu&#x0364;hrt.</l><lb/>
                <l>Bis zu dem a&#x0364;u&#x017F;er&#x017F;ten von &#x017F;einen Theilen,</l><lb/>
                <l>Sieht man die&#x017F;elbigen gleich kleinen Seilen.</l><lb/>
                <l>Die Haut, von welcher wir umgeben &#x017F;eyn,</l><lb/>
                <l>J&#x017F;t gantz davon gewebt, die Ro&#x0364;hren, die &#x017F;o klein,</l><lb/>
                <l>Zu&#x017F;ammt den Ma&#x0364;u&#x017F;elein,</l><lb/>
                <l>Jn welchen &#x017F;ich ein flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;end Feuer reget,</l><lb/>
                <l>Sind Federchen, wodurch der Co&#x0364;rper &#x017F;ich beweget.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">W</hi>ie nun in dem Gehirn der Gei&#x017F;ter Quell allein</l><lb/>
                <l>Aus welcher &#x017F;ie von da durch alle Nerven rinnen;</l><lb/>
                <l>So muß ja dies die &#x017F;ta&#x0364;rck&#x017F;te Probe &#x017F;eyn,</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr">Daß eintzig das Gehirn der Sitz der Sinnen.</hi> </l><lb/>
                <l>Hieraus ent&#x017F;tehn bey uns Empfindlichkeiten.</l><lb/>
                <l>Die Nerven, die &#x017F;ich u&#x0364;berall verbreiten,</l><lb/>
                <l>Verfu&#x0364;gen &#x017F;ich zur Zunge, zum Geho&#x0364;re,</l><lb/>
                <l>Zur Na&#x017F;e, zum Ge&#x017F;icht, und eine kleine Ro&#x0364;hre,</l><lb/>
                <l>Ein zarter Zweig durchdringet alle Seiten:</l><lb/>
                <l>Durch die&#x017F;e wird, wenn uns ein Vorwurff ru&#x0364;hrt,</l><lb/>
                <l>Der Druck bis ins Gehirn gefu&#x0364;hrt.</l>
              </lg><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <lg type="poem">
                <l><hi rendition="#in">A</hi>uf &#x017F;olche Wei&#x017F;e nun wird <choice><sic>nns</sic><corr>uns</corr></choice> von allen Sinnen</l><lb/>
                <l>Die Wu&#x0364;rckung mitgetheilt. Der Leib, durch welchen wir</l><lb/>
                <l>Dies &#x017F;o empfinden, i&#x017F;t ein wol ge&#x017F;timmt Clavier,</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">J i 2</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[499/0529] Von dem Sitz der Sinnlichkeiten. Ja unfer gantzer Leib, wenn man ihn recht betracht, Scheint fuͤr die Sinne bloß gemacht. Laſſt unſern Geiſt mit Ernſt von neuen uͤberlegen, Wie wunderbar des Coͤrpers Bau formirt! Viel Nerven, um ihn zu bewegen, Sind allenthalben hingefuͤhrt. Bis zu dem aͤuſerſten von ſeinen Theilen, Sieht man dieſelbigen gleich kleinen Seilen. Die Haut, von welcher wir umgeben ſeyn, Jſt gantz davon gewebt, die Roͤhren, die ſo klein, Zuſammt den Maͤuſelein, Jn welchen ſich ein fluͤſſend Feuer reget, Sind Federchen, wodurch der Coͤrper ſich beweget. Wie nun in dem Gehirn der Geiſter Quell allein Aus welcher ſie von da durch alle Nerven rinnen; So muß ja dies die ſtaͤrckſte Probe ſeyn, Daß eintzig das Gehirn der Sitz der Sinnen. Hieraus entſtehn bey uns Empfindlichkeiten. Die Nerven, die ſich uͤberall verbreiten, Verfuͤgen ſich zur Zunge, zum Gehoͤre, Zur Naſe, zum Geſicht, und eine kleine Roͤhre, Ein zarter Zweig durchdringet alle Seiten: Durch dieſe wird, wenn uns ein Vorwurff ruͤhrt, Der Druck bis ins Gehirn gefuͤhrt. Auf ſolche Weiſe nun wird uns von allen Sinnen Die Wuͤrckung mitgetheilt. Der Leib, durch welchen wir Dies ſo empfinden, iſt ein wol geſtimmt Clavier, Das J i 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/529
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/529>, abgerufen am 16.07.2024.