Um jedes Theil der Welt, wenn wir von Müdigkeit, Von Arbeit und von Müh gedrückt sind, und geschwächt, Wie ein Gewand, gewebt aus Dunckelheit, An allen Orten vor. Wir sind recht eingehüllet, Jn düsterer Finsterniß, die alle Ding erfüllet, Um alles das zu sehn uns zu verwehren, Was uns gewiß sonst würd' in unsrer Ruhe stöhren. Merckt, wie sich die Natur, zu unserm Nutz, bemüht! Merckt, wie sie gleichsam fast die Welt, der Welt entzieht! Sie hindert unser Aug', so sich nicht müde sieht, Daß, ob sichs gleich nicht schließt, bloß durch die Dunckelheit Es doch gehindert wird, was eigentlich zu schauen.
Sie scheinet ferner noch für jedermann, So Pfad, als Weg' und Stege zu verstecken, Daß man nicht gehn noch wandeln kan.
Sie sucht so gar durch ein geheimes Grauen, Der duncklen Schatten Kind, uns gäntzlich abzuschrecken Von allen Handlungen. Noch mehr, daß nichts die Ruh Uns leicht zu unterbrechen tauge; So zieht sie wunderbar uns über jedes Auge Noch einen eignen Vorhang zu, Der, wenn man ihn genau erweget und ermisst, Nicht gnugsam zu bewundern ist.
Man spüret überdem, wie eine sanffte Stille, Zu eben diesem Zweck sodann die Lufft erfülle, Die sonsten voll Geräusch und überall Voll Töne, voller Lerm und Schall. Wie dann vermuthlich auch viel rege Geistigkeiten, Die aus dem Licht in uns entstehn, Auch wieder mit dem Licht vergehn.
Jn uns erhebt sich aus dem Magen
Ein
Um jedes Theil der Welt, wenn wir von Muͤdigkeit, Von Arbeit und von Muͤh gedruͤckt ſind, und geſchwaͤcht, Wie ein Gewand, gewebt aus Dunckelheit, An allen Orten vor. Wir ſind recht eingehuͤllet, Jn duͤſterer Finſterniß, die alle Ding erfuͤllet, Um alles das zu ſehn uns zu verwehren, Was uns gewiß ſonſt wuͤrd’ in unſrer Ruhe ſtoͤhren. Merckt, wie ſich die Natur, zu unſerm Nutz, bemuͤht! Merckt, wie ſie gleichſam faſt die Welt, der Welt entzieht! Sie hindert unſer Aug’, ſo ſich nicht muͤde ſieht, Daß, ob ſichs gleich nicht ſchließt, bloß durch die Dunckelheit Es doch gehindert wird, was eigentlich zu ſchauen.
Sie ſcheinet ferner noch fuͤr jedermann, So Pfad, als Weg’ und Stege zu verſtecken, Daß man nicht gehn noch wandeln kan.
Sie ſucht ſo gar durch ein geheimes Grauen, Der duncklen Schatten Kind, uns gaͤntzlich abzuſchrecken Von allen Handlungen. Noch mehr, daß nichts die Ruh Uns leicht zu unterbrechen tauge; So zieht ſie wunderbar uns uͤber jedes Auge Noch einen eignen Vorhang zu, Der, wenn man ihn genau erweget und ermiſſt, Nicht gnugſam zu bewundern iſt.
Man ſpuͤret uͤberdem, wie eine ſanffte Stille, Zu eben dieſem Zweck ſodann die Lufft erfuͤlle, Die ſonſten voll Geraͤuſch und uͤberall Voll Toͤne, voller Lerm und Schall. Wie dann vermuthlich auch viel rege Geiſtigkeiten, Die aus dem Licht in uns entſtehn, Auch wieder mit dem Licht vergehn.
Jn uns erhebt ſich aus dem Magen
Ein
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Um jedes Theil der Welt, wenn wir von Muͤdigkeit,
Von Arbeit und von Muͤh gedruͤckt ſind, und geſchwaͤcht,
Wie ein Gewand, gewebt aus Dunckelheit,
An allen Orten vor. Wir ſind recht eingehuͤllet,
Jn duͤſterer Finſterniß, die alle Ding erfuͤllet,
Um alles das zu ſehn uns zu verwehren,
Was uns gewiß ſonſt wuͤrd’ in unſrer Ruhe ſtoͤhren.
Merckt, wie ſich die Natur, zu unſerm Nutz, bemuͤht!
Merckt, wie ſie gleichſam faſt die Welt, der Welt entzieht!
Sie hindert unſer Aug’, ſo ſich nicht muͤde ſieht,
Daß, ob ſichs gleich nicht ſchließt, bloß durch die Dunckelheit
Es doch gehindert wird, was eigentlich zu ſchauen.
Sie ſcheinet ferner noch fuͤr jedermann,
So Pfad, als Weg’ und Stege zu verſtecken,
Daß man nicht gehn noch wandeln kan.
Sie ſucht ſo gar durch ein geheimes Grauen,
Der duncklen Schatten Kind, uns gaͤntzlich abzuſchrecken
Von allen Handlungen. Noch mehr, daß nichts die Ruh
Uns leicht zu unterbrechen tauge;
So zieht ſie wunderbar uns uͤber jedes Auge
Noch einen eignen Vorhang zu,
Der, wenn man ihn genau erweget und ermiſſt,
Nicht gnugſam zu bewundern iſt.
Man ſpuͤret uͤberdem, wie eine ſanffte Stille,
Zu eben dieſem Zweck ſodann die Lufft erfuͤlle,
Die ſonſten voll Geraͤuſch und uͤberall
Voll Toͤne, voller Lerm und Schall.
Wie dann vermuthlich auch viel rege Geiſtigkeiten,
Die aus dem Licht in uns entſtehn,
Auch wieder mit dem Licht vergehn.
Jn uns erhebt ſich aus dem Magen
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Brockes, Barthold Heinrich: Herrn B. H. Brockes, [...] verdeutschte Grund-Sätze der Welt-Weisheit, des Herrn Abts Genest. Bd. 3. 2. Aufl. Hamburg, 1730, S. 669. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen03_1730/699>, abgerufen am 16.07.2024.
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