Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Der Frosch. Lag gleichsam gantz erstarrt, und rührete sich nicht.Doch fieng er endlich an sein blöd Gesicht Mit seiner kleinen Hand zu wischen und zu putzen, Stutzt abermahl, und bliebe, lange Zeit, Vermuthlich überhäufft von so viel Herrlichkeit Und gantz erstannet für Vergnügen, Jn seiner ersten Lage liegen. Zuletzt gab er, mit fröhlichem Geschrey, Wie sehr er durch die Welt, da sie so Wunder-schön, Ergetzet und gerühret sey, Mit lautem quacken zu verstehn. Jch sahe dieß bewundernd an, und sprach: Ach! folgten wir auch deinen Beyspiel nach, Vom Schlaf erwachter Frosch! ach mögten wir Nach dunckler Winter-Nacht, an allen Frühlings-Schätzen, An aller Creaturen Zier, So, wie du thust, uns auch ergetzen! Ach liessen wir doch Dem, Der alles schuff, zu Ehren, Auch manches frohe Danck-Lied hören! So dacht und wünscht ich noch, als auf einmahl Ein neues Licht, mit einem schnellen Strahl, Mir in die Seele drang. Jn einer Dunckelheit Jn schlammigtem Morast in einer finstern Tieffe Hat, dacht ich bey mir selbst, der Frosch so lange Zeit Den gantzen Winter durch, gestecket. Wird er nicht gleichsam ietzt als aus dem Grab' erwecket? Ja wahrlich, lieber Frosch, es stellt dein Zustand mir Und allen Menschen insgesammt Ein Wunder-schön Exempel für. Es
Der Froſch. Lag gleichſam gantz erſtarrt, und ruͤhrete ſich nicht.Doch fieng er endlich an ſein bloͤd Geſicht Mit ſeiner kleinen Hand zu wiſchen und zu putzen, Stutzt abermahl, und bliebe, lange Zeit, Vermuthlich uͤberhaͤufft von ſo viel Herrlichkeit Und gantz erſtannet fuͤr Vergnuͤgen, Jn ſeiner erſten Lage liegen. Zuletzt gab er, mit froͤhlichem Geſchrey, Wie ſehr er durch die Welt, da ſie ſo Wunder-ſchoͤn, Ergetzet und geruͤhret ſey, Mit lautem quacken zu verſtehn. Jch ſahe dieß bewundernd an, und ſprach: Ach! folgten wir auch deinen Beyſpiel nach, Vom Schlaf erwachter Froſch! ach moͤgten wir Nach dunckler Winter-Nacht, an allen Fruͤhlings-Schaͤtzen, An aller Creaturen Zier, So, wie du thuſt, uns auch ergetzen! Ach lieſſen wir doch Dem, Der alles ſchuff, zu Ehren, Auch manches frohe Danck-Lied hoͤren! So dacht und wuͤnſcht ich noch, als auf einmahl Ein neues Licht, mit einem ſchnellen Strahl, Mir in die Seele drang. Jn einer Dunckelheit Jn ſchlammigtem Moraſt in einer finſtern Tieffe Hat, dacht ich bey mir ſelbſt, der Froſch ſo lange Zeit Den gantzen Winter durch, geſtecket. Wird er nicht gleichſam ietzt als aus dem Grab’ erwecket? Ja wahrlich, lieber Froſch, es ſtellt dein Zuſtand mir Und allen Menſchen insgeſammt Ein Wunder-ſchoͤn Exempel fuͤr. Es
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Der Froſch.
Lag gleichſam gantz erſtarrt, und ruͤhrete ſich nicht.
Doch fieng er endlich an ſein bloͤd Geſicht
Mit ſeiner kleinen Hand zu wiſchen und zu putzen,
Stutzt abermahl, und bliebe, lange Zeit,
Vermuthlich uͤberhaͤufft von ſo viel Herrlichkeit
Und gantz erſtannet fuͤr Vergnuͤgen,
Jn ſeiner erſten Lage liegen.
Zuletzt gab er, mit froͤhlichem Geſchrey,
Wie ſehr er durch die Welt, da ſie ſo Wunder-ſchoͤn,
Ergetzet und geruͤhret ſey,
Mit lautem quacken zu verſtehn.
Jch ſahe dieß bewundernd an, und ſprach:
Ach! folgten wir auch deinen Beyſpiel nach,
Vom Schlaf erwachter Froſch! ach moͤgten wir
Nach dunckler Winter-Nacht, an allen Fruͤhlings-Schaͤtzen,
An aller Creaturen Zier,
So, wie du thuſt, uns auch ergetzen!
Ach lieſſen wir doch Dem, Der alles ſchuff, zu Ehren,
Auch manches frohe Danck-Lied hoͤren!
So dacht und wuͤnſcht ich noch, als auf einmahl
Ein neues Licht, mit einem ſchnellen Strahl,
Mir in die Seele drang. Jn einer Dunckelheit
Jn ſchlammigtem Moraſt in einer finſtern Tieffe
Hat, dacht ich bey mir ſelbſt, der Froſch ſo lange Zeit
Den gantzen Winter durch, geſtecket.
Wird er nicht gleichſam ietzt als aus dem Grab’ erwecket?
Ja wahrlich, lieber Froſch, es ſtellt dein Zuſtand mir
Und allen Menſchen insgeſammt
Ein Wunder-ſchoͤn Exempel fuͤr.
Es
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