Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Der Frosch. Jch war von den vereinten Schaaren, Die, da sie mit unzehligem Vergnügen, So allen allgemein, sich fügen, Und Glieder eines Cörpers waren, Recht sonderlich von neuen eingenommen, Bis ich dadurch auf die Gedancken kommen: Wie, dacht ich, kann es möglich seyn, Daß Menschen iemahls auf der Erden Vergnügt und glücklich können werden? Da ieder blos für sich allein Gedencket, handelt, ist und lebet, Da ieder für sein einzigs Ein, Mit aller Ausschluß, sorgt und strebet; Da ieder Wollust, Ehre, Geld, Des Glückes Vorwürff' in der Welt, Auf solche Art für sich begehrt; Daß das, was er erhält, Ein andrer missen muß. Je mehr dein Gut sich mehrt; Je mehr beraubst du mich Desjenigen, so mein geliebtes Jch Erhalten und besitzen könnte. Wie wär es denn, nach meiner Eigen-Liebe, Die mich, nur mich zu lieben, triebe, Doch möglich, daß ich dir es gönnte? Wenn nicht die Furcht der Straff' allein, Die auf Entwältigung gesetzet seyn, Mir die natürlichen Begierden und Gedancken Zwar in die vorgesetzte Schrancken, Jedoch fürwahr gezwungen, hielten. Der
Der Froſch. Jch war von den vereinten Schaaren, Die, da ſie mit unzehligem Vergnuͤgen, So allen allgemein, ſich fuͤgen, Und Glieder eines Coͤrpers waren, Recht ſonderlich von neuen eingenommen, Bis ich dadurch auf die Gedancken kommen: Wie, dacht ich, kann es moͤglich ſeyn, Daß Menſchen iemahls auf der Erden Vergnuͤgt und gluͤcklich koͤnnen werden? Da ieder blos fuͤr ſich allein Gedencket, handelt, iſt und lebet, Da ieder fuͤr ſein einzigs Ein, Mit aller Ausſchluß, ſorgt und ſtrebet; Da ieder Wolluſt, Ehre, Geld, Des Gluͤckes Vorwuͤrff’ in der Welt, Auf ſolche Art fuͤr ſich begehrt; Daß das, was er erhaͤlt, Ein andrer miſſen muß. Je mehr dein Gut ſich mehrt; Je mehr beraubſt du mich Desjenigen, ſo mein geliebtes Jch Erhalten und beſitzen koͤnnte. Wie waͤr es denn, nach meiner Eigen-Liebe, Die mich, nur mich zu lieben, triebe, Doch moͤglich, daß ich dir es goͤnnte? Wenn nicht die Furcht der Straff’ allein, Die auf Entwaͤltigung geſetzet ſeyn, Mir die natuͤrlichen Begierden und Gedancken Zwar in die vorgeſetzte Schrancken, Jedoch fuͤrwahr gezwungen, hielten. Der
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Der Froſch.
Jch war von den vereinten Schaaren,
Die, da ſie mit unzehligem Vergnuͤgen,
So allen allgemein, ſich fuͤgen,
Und Glieder eines Coͤrpers waren,
Recht ſonderlich von neuen eingenommen,
Bis ich dadurch auf die Gedancken kommen:
Wie, dacht ich, kann es moͤglich ſeyn,
Daß Menſchen iemahls auf der Erden
Vergnuͤgt und gluͤcklich koͤnnen werden?
Da ieder blos fuͤr ſich allein
Gedencket, handelt, iſt und lebet,
Da ieder fuͤr ſein einzigs Ein,
Mit aller Ausſchluß, ſorgt und ſtrebet;
Da ieder Wolluſt, Ehre, Geld,
Des Gluͤckes Vorwuͤrff’ in der Welt,
Auf ſolche Art fuͤr ſich begehrt;
Daß das, was er erhaͤlt,
Ein andrer miſſen muß. Je mehr dein Gut ſich mehrt;
Je mehr beraubſt du mich
Desjenigen, ſo mein geliebtes Jch
Erhalten und beſitzen koͤnnte.
Wie waͤr es denn, nach meiner Eigen-Liebe,
Die mich, nur mich zu lieben, triebe,
Doch moͤglich, daß ich dir es goͤnnte?
Wenn nicht die Furcht der Straff’ allein,
Die auf Entwaͤltigung geſetzet ſeyn,
Mir die natuͤrlichen Begierden und Gedancken
Zwar in die vorgeſetzte Schrancken,
Jedoch fuͤrwahr gezwungen, hielten.
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