Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Der Frosch. Nicht unsre Freunde nur, so gar den Feind zu lieben,Als wie ein solch Gebot zur Regel vorgeschrieben, Das fast dem grössesten Gebot nicht weicht, Und sich an Wichtigkeit dem GOttes-Dienst vergleicht. Je mehr wir diese Lehr erwegen, Je mehr strahlt eine Göttlichkeit, Erkenntniß, Wahrheit, Heil und Segen Aus ihr, als wie ein Licht. Kein Laster scheint fast übrig mehr zu bleiben, Könnt einer nur Von unsrer menschlichen Natur, Der Eigen-Liebe Gifft vertreiben. Es ist daher gewiß, und bleibt dabey, Daß die Geselligkeit und Nächsten-Liebe Nicht nur ein Feind der lasterhaften Triebe, Nicht nur der Jnbegriff von aller Tugend sey; Nein, daß vermuthlich gar in jener seelgen Höhe Hierin ein grosses Theil der Seeligkeit bestehe, Durch andrer Freud und Lust die seine zu vermehren: Da sich auf solche Weis', ohn alle Maaß und Zahl, Vergnügungen und Anmuth auf einmahl, Stat einer einzigen auf dieser Welt, (Ja die man noch fast nie erhält) Jn steter Fülle zu uns kehren. Ach wenn doch dieser Satz, nächst unsrer Glaubens-Lehre, Die Richtschnur unsers Lebens wäre! Wir würden nicht nur glücklich hier allein, (Jndem es wahr, was jener schriebe, Wilt du geliebet seyn, so liebe) So gar, von vielen Sünden rein, Auch dort vergnüget seyn. Schön-
Der Froſch. Nicht unſre Freunde nur, ſo gar den Feind zu lieben,Als wie ein ſolch Gebot zur Regel vorgeſchrieben, Das faſt dem groͤſſeſten Gebot nicht weicht, Und ſich an Wichtigkeit dem GOttes-Dienſt vergleicht. Je mehr wir dieſe Lehr erwegen, Je mehr ſtrahlt eine Goͤttlichkeit, Erkenntniß, Wahrheit, Heil und Segen Aus ihr, als wie ein Licht. Kein Laſter ſcheint faſt uͤbrig mehr zu bleiben, Koͤnnt einer nur Von unſrer menſchlichen Natur, Der Eigen-Liebe Gifft vertreiben. Es iſt daher gewiß, und bleibt dabey, Daß die Geſelligkeit und Naͤchſten-Liebe Nicht nur ein Feind der laſterhaften Triebe, Nicht nur der Jnbegriff von aller Tugend ſey; Nein, daß vermuthlich gar in jener ſeelgen Hoͤhe Hierin ein groſſes Theil der Seeligkeit beſtehe, Durch andrer Freud und Luſt die ſeine zu vermehren: Da ſich auf ſolche Weiſ’, ohn alle Maaß und Zahl, Vergnuͤgungen und Anmuth auf einmahl, Stat einer einzigen auf dieſer Welt, (Ja die man noch faſt nie erhaͤlt) Jn ſteter Fuͤlle zu uns kehren. Ach wenn doch dieſer Satz, naͤchſt unſrer Glaubens-Lehre, Die Richtſchnur unſers Lebens waͤre! Wir wuͤrden nicht nur gluͤcklich hier allein, (Jndem es wahr, was jener ſchriebe, Wilt du geliebet ſeyn, ſo liebe) So gar, von vielen Suͤnden rein, Auch dort vergnuͤget ſeyn. Schoͤn-
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Der Froſch.
Nicht unſre Freunde nur, ſo gar den Feind zu lieben,
Als wie ein ſolch Gebot zur Regel vorgeſchrieben,
Das faſt dem groͤſſeſten Gebot nicht weicht,
Und ſich an Wichtigkeit dem GOttes-Dienſt vergleicht.
Je mehr wir dieſe Lehr erwegen,
Je mehr ſtrahlt eine Goͤttlichkeit,
Erkenntniß, Wahrheit, Heil und Segen
Aus ihr, als wie ein Licht.
Kein Laſter ſcheint faſt uͤbrig mehr zu bleiben,
Koͤnnt einer nur
Von unſrer menſchlichen Natur,
Der Eigen-Liebe Gifft vertreiben.
Es iſt daher gewiß, und bleibt dabey,
Daß die Geſelligkeit und Naͤchſten-Liebe
Nicht nur ein Feind der laſterhaften Triebe,
Nicht nur der Jnbegriff von aller Tugend ſey;
Nein, daß vermuthlich gar in jener ſeelgen Hoͤhe
Hierin ein groſſes Theil der Seeligkeit beſtehe,
Durch andrer Freud und Luſt die ſeine zu vermehren:
Da ſich auf ſolche Weiſ’, ohn alle Maaß und Zahl,
Vergnuͤgungen und Anmuth auf einmahl,
Stat einer einzigen auf dieſer Welt,
(Ja die man noch faſt nie erhaͤlt)
Jn ſteter Fuͤlle zu uns kehren.
Ach wenn doch dieſer Satz, naͤchſt unſrer Glaubens-Lehre,
Die Richtſchnur unſers Lebens waͤre!
Wir wuͤrden nicht nur gluͤcklich hier allein,
(Jndem es wahr, was jener ſchriebe,
Wilt du geliebet ſeyn, ſo liebe)
So gar, von vielen Suͤnden rein,
Auch dort vergnuͤget ſeyn.
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