Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Schnee-Ball-Bluhme.
Erblickt' ich, voller Lust, nicht nur,
Daß von dem Stengel sich fünf Haupt-Zweig' artig strecken.
Ein ieder theilte sich in eben so viel Ecken,
Und iede breitete von neuen
Sich in fünf Stengelchen, auf deren iedem denn
Ein Blümchen mit fünf Blätterchen,
Die so an Form als Farbe schön,
Unmittelbar, und ohne Kelch, zu sehn,
Und die, da alle gleiche weit
Von ihrem Mittel-Punct entfernet stehen,
Jch in so angenehm-vollkommner Ründe
Mit sonderbarer Anmuth finde.

Von ungemeiner Lieblichkeit
Jst dieser Bluhmen Weiß. Es bricht
(Da ihre Blätterchen so zart, und doch so dicht,

Jndem zweyhundert achtzig Bluhmen
Auf vierzehn hundert Blätter zeigen,
Die sich auf manche Weise beugen)
Auf manche Weise sich das Licht:
Wodurch wir, da bey so viel Höhen
Die ein Schnee-weisser Glantz bestrahlt,
Auch eben so viel Tieffen sehen,
Die ein fast ja so weiß- und heller Schatten mahlt;
Ja der kein Schatten fast mit Recht zu heissen.
Ein nur gelinders Licht, erzeugt aus sanfterm Weissen,
Womit ein lieblich Grün sich mischet,
Macht unserem Gesicht
Solch eine süsse Dämmerung,
Die unser Aug' ergetzet und erfrischet.
Aus dieser Dunckelheit so holder Farb', entsprung
Jn meiner Seel' ein helles Freuden-Licht.


Ver-

Die Schnee-Ball-Bluhme.
Erblickt’ ich, voller Luſt, nicht nur,
Daß von dem Stengel ſich fuͤnf Haupt-Zweig’ artig ſtrecken.
Ein ieder theilte ſich in eben ſo viel Ecken,
Und iede breitete von neuen
Sich in fuͤnf Stengelchen, auf deren iedem denn
Ein Bluͤmchen mit fuͤnf Blaͤtterchen,
Die ſo an Form als Farbe ſchoͤn,
Unmittelbar, und ohne Kelch, zu ſehn,
Und die, da alle gleiche weit
Von ihrem Mittel-Punct entfernet ſtehen,
Jch in ſo angenehm-vollkommner Ruͤnde
Mit ſonderbarer Anmuth finde.

Von ungemeiner Lieblichkeit
Jſt dieſer Bluhmen Weiß. Es bricht
(Da ihre Blaͤtterchen ſo zart, und doch ſo dicht,

Jndem zweyhundert achtzig Bluhmen
Auf vierzehn hundert Blaͤtter zeigen,
Die ſich auf manche Weiſe beugen)
Auf manche Weiſe ſich das Licht:
Wodurch wir, da bey ſo viel Hoͤhen
Die ein Schnee-weiſſer Glantz beſtrahlt,
Auch eben ſo viel Tieffen ſehen,
Die ein faſt ja ſo weiß- und heller Schatten mahlt;
Ja der kein Schatten faſt mit Recht zu heiſſen.
Ein nur gelinders Licht, erzeugt aus ſanfterm Weiſſen,
Womit ein lieblich Gruͤn ſich miſchet,
Macht unſerem Geſicht
Solch eine ſuͤſſe Daͤmmerung,
Die unſer Aug’ ergetzet und erfriſchet.
Aus dieſer Dunckelheit ſo holder Farb’, entſprung
Jn meiner Seel’ ein helles Freuden-Licht.


Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="5">
              <pb facs="#f0138" n="106"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die Schnee-Ball-Bluhme.</hi> </fw><lb/>
              <l>Erblickt&#x2019; ich, voller Lu&#x017F;t, nicht nur,</l><lb/>
              <l>Daß von dem Stengel &#x017F;ich fu&#x0364;nf Haupt-Zweig&#x2019; artig &#x017F;trecken.</l><lb/>
              <l>Ein ieder theilte &#x017F;ich in eben &#x017F;o viel Ecken,</l><lb/>
              <l>Und iede breitete von neuen</l><lb/>
              <l>Sich in fu&#x0364;nf Stengelchen, auf deren iedem denn</l><lb/>
              <l>Ein Blu&#x0364;mchen mit fu&#x0364;nf Bla&#x0364;tterchen,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;o an Form als Farbe &#x017F;cho&#x0364;n,</l><lb/>
              <l>Unmittelbar, und ohne Kelch, zu &#x017F;ehn,</l><lb/>
              <l>Und die, da alle gleiche weit</l><lb/>
              <l>Von ihrem Mittel-Punct entfernet &#x017F;tehen,</l><lb/>
              <l>Jch in &#x017F;o angenehm-vollkommner Ru&#x0364;nde</l><lb/>
              <l>Mit &#x017F;onderbarer Anmuth finde.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Von ungemeiner Lieblichkeit</l><lb/>
              <l>J&#x017F;t die&#x017F;er Bluhmen Weiß. Es bricht<lb/>
(Da ihre Bla&#x0364;tterchen &#x017F;o zart, und doch &#x017F;o dicht,</l><lb/>
              <l>Jndem zweyhundert achtzig Bluhmen</l><lb/>
              <l>Auf vierzehn hundert Bla&#x0364;tter zeigen,</l><lb/>
              <l>Die &#x017F;ich auf manche Wei&#x017F;e beugen)</l><lb/>
              <l>Auf manche Wei&#x017F;e &#x017F;ich das Licht:</l><lb/>
              <l>Wodurch wir, da bey &#x017F;o viel Ho&#x0364;hen</l><lb/>
              <l>Die ein Schnee-wei&#x017F;&#x017F;er Glantz be&#x017F;trahlt,</l><lb/>
              <l>Auch eben &#x017F;o viel Tieffen &#x017F;ehen,</l><lb/>
              <l>Die ein fa&#x017F;t ja &#x017F;o weiß- und heller Schatten mahlt;</l><lb/>
              <l>Ja der kein Schatten fa&#x017F;t mit Recht zu hei&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
              <l>Ein nur gelinders Licht, erzeugt aus &#x017F;anfterm Wei&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Womit ein lieblich Gru&#x0364;n &#x017F;ich mi&#x017F;chet,</l><lb/>
              <l>Macht un&#x017F;erem Ge&#x017F;icht</l><lb/>
              <l>Solch eine &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Da&#x0364;mmerung,</l><lb/>
              <l>Die un&#x017F;er Aug&#x2019; ergetzet und erfri&#x017F;chet.</l><lb/>
              <l>Aus die&#x017F;er Dunckelheit &#x017F;o holder Farb&#x2019;, ent&#x017F;prung</l><lb/>
              <l>Jn meiner Seel&#x2019; ein helles Freuden-Licht.</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0138] Die Schnee-Ball-Bluhme. Erblickt’ ich, voller Luſt, nicht nur, Daß von dem Stengel ſich fuͤnf Haupt-Zweig’ artig ſtrecken. Ein ieder theilte ſich in eben ſo viel Ecken, Und iede breitete von neuen Sich in fuͤnf Stengelchen, auf deren iedem denn Ein Bluͤmchen mit fuͤnf Blaͤtterchen, Die ſo an Form als Farbe ſchoͤn, Unmittelbar, und ohne Kelch, zu ſehn, Und die, da alle gleiche weit Von ihrem Mittel-Punct entfernet ſtehen, Jch in ſo angenehm-vollkommner Ruͤnde Mit ſonderbarer Anmuth finde. Von ungemeiner Lieblichkeit Jſt dieſer Bluhmen Weiß. Es bricht (Da ihre Blaͤtterchen ſo zart, und doch ſo dicht, Jndem zweyhundert achtzig Bluhmen Auf vierzehn hundert Blaͤtter zeigen, Die ſich auf manche Weiſe beugen) Auf manche Weiſe ſich das Licht: Wodurch wir, da bey ſo viel Hoͤhen Die ein Schnee-weiſſer Glantz beſtrahlt, Auch eben ſo viel Tieffen ſehen, Die ein faſt ja ſo weiß- und heller Schatten mahlt; Ja der kein Schatten faſt mit Recht zu heiſſen. Ein nur gelinders Licht, erzeugt aus ſanfterm Weiſſen, Womit ein lieblich Gruͤn ſich miſchet, Macht unſerem Geſicht Solch eine ſuͤſſe Daͤmmerung, Die unſer Aug’ ergetzet und erfriſchet. Aus dieſer Dunckelheit ſo holder Farb’, entſprung Jn meiner Seel’ ein helles Freuden-Licht. Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/138
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/138>, abgerufen am 28.11.2024.