Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Vergnügte Sinnen. Er stutzt', als er die MannichfaltigkeitDer Lieblichkeiten auf der Welt, Sich vor sein Seelen-Auge stellt': Wie Erde, Lufft und Fluth an Pracht und Lust so reich, Und daß dennoch, da er es überlegte, Wie alle Sinnen ihm von ungefehr zugleich Vergnüget würden es ihn doch nicht mehr bewegte, Und er es kaum bemerckt. Mein GOtt! rieff er woher Entsteht dieß Unglück doch, daß wir so öffters blind, Geschmack-Geruch-Gehör- und Fühl-los sind? Daß wir, für das Geschöpf, im Schlummer gleichsam lie- gen? Wie fällt es uns, ach leider! doch so schwer, Uns im Vergnügen zu vergnügen! Er fand darauf so viel, wie er recht in sich gieng, Daß unser Geist für mehr als einerley Auf einmahl nicht geschaffen sey. Weshalben er, in seinem dencken, Ein' Ordnung an zu halten fieng, Und einem ieden Sinn ein' eigne Zeit zu schencken, Auf ihn absonderlich der Seelen Krafft zu lencken, Mit allem Recht beschloß. Worauf er also dachte, Und seinem Schöpfer seine Lust, Auf dem Altar der Flammen-reichen Brust, Zu einem Opfer folgends brachte: So offt die Balsam-Krafft, die aus der Rose quillet, Durch den Geruch, Gehirn und Geist erfüllet, Dacht' er beym Athem-ziehn, für Anmuth: ach wie süß! Und ein GOtt Lob! wann er ihn von sich bließ. So
Vergnuͤgte Sinnen. Er ſtutzt’, als er die MannichfaltigkeitDer Lieblichkeiten auf der Welt, Sich vor ſein Seelen-Auge ſtellt’: Wie Erde, Lufft und Fluth an Pracht und Luſt ſo reich, Und daß dennoch, da er es uͤberlegte, Wie alle Sinnen ihm von ungefehr zugleich Vergnuͤget wuͤrden es ihn doch nicht mehr bewegte, Und er es kaum bemerckt. Mein GOtt! rieff er woher Entſteht dieß Ungluͤck doch, daß wir ſo oͤffters blind, Geſchmack-Geruch-Gehoͤr- und Fuͤhl-los ſind? Daß wir, fuͤr das Geſchoͤpf, im Schlummer gleichſam lie- gen? Wie faͤllt es uns, ach leider! doch ſo ſchwer, Uns im Vergnuͤgen zu vergnuͤgen! Er fand darauf ſo viel, wie er recht in ſich gieng, Daß unſer Geiſt fuͤr mehr als einerley Auf einmahl nicht geſchaffen ſey. Weshalben er, in ſeinem dencken, Ein’ Ordnung an zu halten fieng, Und einem ieden Sinn ein’ eigne Zeit zu ſchencken, Auf ihn abſonderlich der Seelen Krafft zu lencken, Mit allem Recht beſchloß. Worauf er alſo dachte, Und ſeinem Schoͤpfer ſeine Luſt, Auf dem Altar der Flammen-reichen Bruſt, Zu einem Opfer folgends brachte: So offt die Balſam-Krafft, die aus der Roſe quillet, Durch den Geruch, Gehirn und Geiſt erfuͤllet, Dacht’ er beym Athem-ziehn, fuͤr Anmuth: ach wie ſuͤß! Und ein GOtt Lob! wann er ihn von ſich bließ. So
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Vergnuͤgte Sinnen.
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Der Lieblichkeiten auf der Welt,
Sich vor ſein Seelen-Auge ſtellt’:
Wie Erde, Lufft und Fluth an Pracht und Luſt ſo reich,
Und daß dennoch, da er es uͤberlegte,
Wie alle Sinnen ihm von ungefehr zugleich
Vergnuͤget wuͤrden es ihn doch nicht mehr bewegte,
Und er es kaum bemerckt. Mein GOtt! rieff er woher
Entſteht dieß Ungluͤck doch, daß wir ſo oͤffters blind,
Geſchmack-Geruch-Gehoͤr- und Fuͤhl-los ſind?
Daß wir, fuͤr das Geſchoͤpf, im Schlummer gleichſam lie-
gen?
Wie faͤllt es uns, ach leider! doch ſo ſchwer,
Uns im Vergnuͤgen zu vergnuͤgen!
Er fand darauf ſo viel, wie er recht in ſich gieng,
Daß unſer Geiſt fuͤr mehr als einerley
Auf einmahl nicht geſchaffen ſey.
Weshalben er, in ſeinem dencken,
Ein’ Ordnung an zu halten fieng,
Und einem ieden Sinn ein’ eigne Zeit zu ſchencken,
Auf ihn abſonderlich der Seelen Krafft zu lencken,
Mit allem Recht beſchloß. Worauf er alſo dachte,
Und ſeinem Schoͤpfer ſeine Luſt,
Auf dem Altar der Flammen-reichen Bruſt,
Zu einem Opfer folgends brachte:
So offt die Balſam-Krafft, die aus der Roſe quillet,
Durch den Geruch, Gehirn und Geiſt erfuͤllet,
Dacht’ er beym Athem-ziehn, fuͤr Anmuth: ach wie ſuͤß!
Und ein GOtt Lob! wann er ihn von ſich bließ.
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