Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.eines Linden-Baums. Wir bestehn aus Seel' und Leib: folglich müssen alle beide,Durch Empfindlichkeit gerührt, im Vergnügen sich ver- binden, Dann wird allererst der Mensch eine rechte Menschen- Freude, Die der Schöpfer bloß nur ihm, nicht dem Vieh, bestimmt, empfinden. Auf denn! mein entflammter Geist, nimm der Sinnen Krafft zusammen, Laß aus dem Betrachtungs-Samen, einen Baum, der gei- stig, stammen, Welcher nimmermehr verwelcket, der im schärffsten Winter grünt, Den die Hitze nicht versenget, den kein wilder Sturm ent- laubet, Den kein Wetter, Blitz noch Donner seiner süssen Frucht beraubet, Welche geistig, die der Seelen recht zu einer Nahrung dient, Ja sie gleichsam selbst verschönert, daß dem Schöpfer aller Welt Jhr nur Jhn betrachtend Wesen, immer mehr und mehr gefällt. Laß uns einer Creatur mehr als Wunder-schöne Pracht, Die der Schöpfer werden lassen, Dem zum Ruhm, der sie gemacht, Mit beseelten Farben schildern! so daß (wie der Leib gerührt Durch des Urbilds Schmuck und Kühlung) unsers Geistes denckend Wesen, Wann wir die Copey betrachten, wann wir die Beschreibung lesen, Auch dadurch vergnügt erquickt, und sein Blick gestärcket werde. Küh-
eines Linden-Baums. Wir beſtehn aus Seel’ und Leib: folglich muͤſſen alle beide,Durch Empfindlichkeit geruͤhrt, im Vergnuͤgen ſich ver- binden, Dann wird allererſt der Menſch eine rechte Menſchen- Freude, Die der Schoͤpfer bloß nur ihm, nicht dem Vieh, beſtimmt, empfinden. Auf denn! mein entflammter Geiſt, nimm der Sinnen Krafft zuſammen, Laß aus dem Betrachtungs-Samen, einen Baum, der gei- ſtig, ſtammen, Welcher nimmermehr verwelcket, der im ſchaͤrffſten Winter gruͤnt, Den die Hitze nicht verſenget, den kein wilder Sturm ent- laubet, Den kein Wetter, Blitz noch Donner ſeiner ſuͤſſen Frucht beraubet, Welche geiſtig, die der Seelen recht zu einer Nahrung dient, Ja ſie gleichſam ſelbſt verſchoͤnert, daß dem Schoͤpfer aller Welt Jhr nur Jhn betrachtend Weſen, immer mehr und mehr gefaͤllt. Laß uns einer Creatur mehr als Wunder-ſchoͤne Pracht, Die der Schoͤpfer werden laſſen, Dem zum Ruhm, der ſie gemacht, Mit beſeelten Farben ſchildern! ſo daß (wie der Leib geruͤhrt Durch des Urbilds Schmuck und Kuͤhlung) unſers Geiſtes denckend Weſen, Wann wir die Copey betrachten, wann wir die Beſchreibung leſen, Auch dadurch vergnuͤgt erquickt, und ſein Blick geſtaͤrcket werde. Kuͤh-
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eines Linden-Baums.
Wir beſtehn aus Seel’ und Leib: folglich muͤſſen alle beide,
Durch Empfindlichkeit geruͤhrt, im Vergnuͤgen ſich ver-
binden,
Dann wird allererſt der Menſch eine rechte Menſchen-
Freude,
Die der Schoͤpfer bloß nur ihm, nicht dem Vieh, beſtimmt,
empfinden.
Auf denn! mein entflammter Geiſt, nimm der Sinnen
Krafft zuſammen,
Laß aus dem Betrachtungs-Samen, einen Baum, der gei-
ſtig, ſtammen,
Welcher nimmermehr verwelcket, der im ſchaͤrffſten Winter
gruͤnt,
Den die Hitze nicht verſenget, den kein wilder Sturm ent-
laubet,
Den kein Wetter, Blitz noch Donner ſeiner ſuͤſſen Frucht
beraubet,
Welche geiſtig, die der Seelen recht zu einer Nahrung dient,
Ja ſie gleichſam ſelbſt verſchoͤnert, daß dem Schoͤpfer aller
Welt
Jhr nur Jhn betrachtend Weſen, immer mehr und mehr
gefaͤllt.
Laß uns einer Creatur mehr als Wunder-ſchoͤne Pracht,
Die der Schoͤpfer werden laſſen, Dem zum Ruhm, der ſie
gemacht,
Mit beſeelten Farben ſchildern! ſo daß (wie der Leib geruͤhrt
Durch des Urbilds Schmuck und Kuͤhlung) unſers Geiſtes
denckend Weſen,
Wann wir die Copey betrachten, wann wir die Beſchreibung
leſen,
Auch dadurch vergnuͤgt erquickt, und ſein Blick geſtaͤrcket
werde.
Kuͤh-
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