Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.
Jndeß entdeckt' ich doch erhabne graue Wälder, Die, stat der Blätter, Bluhmen tragen; Wie auch bewachsne grüne Felder, Woraus, stat Gras und Klee, sonst nichts als Bluhmen ragen. Die Erde selbst ist grauem Ambra gleich, An Farb und am Geruch. Kein Balsam ist so reich An Anmuth, Lieblichkeit und Krafft, als hier die Fluth: Aus allen Dingen dampft, aus allen Cörpern quillet Ein süsser Dufft, der, wie aus einer Gluth Vom Rauch-Faß, immer steigt, und Erd und Lufft er- füllet. Wer, dacht ich, mag doch wol in diesem Orte leben? Jch sah' ümher, und ward ein sanftes schweben Von einer ungezehlten Schaar Besonderer Geschöpf gewahr. Verwunderlich und nie erhört kam mir Jhr Wesen, ihre Bildung für. Unzehlig war der Unterscheid Und die Verändrung der Gestalten: Man sah' an Jungen und an Alten Ein' ungemeine Flüchtigkeit. Mit Schwanen-Federn ist der meisten Leib bedeckt, Der meistens wol gebaut, und zierlich von Figur. Zum
Jndeß entdeckt’ ich doch erhabne graue Waͤlder, Die, ſtat der Blaͤtter, Bluhmen tragen; Wie auch bewachſne gruͤne Felder, Woraus, ſtat Gras und Klee, ſonſt nichts als Bluhmen ragen. Die Erde ſelbſt iſt grauem Ambra gleich, An Farb und am Geruch. Kein Balſam iſt ſo reich An Anmuth, Lieblichkeit und Krafft, als hier die Fluth: Aus allen Dingen dampft, aus allen Coͤrpern quillet Ein ſuͤſſer Dufft, der, wie aus einer Gluth Vom Rauch-Faß, immer ſteigt, und Erd und Lufft er- fuͤllet. Wer, dacht ich, mag doch wol in dieſem Orte leben? Jch ſah’ uͤmher, und ward ein ſanftes ſchweben Von einer ungezehlten Schaar Beſonderer Geſchoͤpf gewahr. Verwunderlich und nie erhoͤrt kam mir Jhr Weſen, ihre Bildung fuͤr. Unzehlig war der Unterſcheid Und die Veraͤndrung der Geſtalten: Man ſah’ an Jungen und an Alten Ein’ ungemeine Fluͤchtigkeit. Mit Schwanen-Federn iſt der meiſten Leib bedeckt, Der meiſtens wol gebaut, und zierlich von Figur. Zum
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <lg n="8"> <l> <pb facs="#f0226" n="194"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Traum-Geſicht.</hi> </fw> </l><lb/> <l>Daher denn dieſe Welt ein’ ew’ge Daͤmmrung deckte;</l><lb/> <l>So daß mein Blick ſich nicht gar fern erſtreckte,</l><lb/> <l>Und ich nur kaum die Gegenwuͤrffe ſah,</l><lb/> <l>Die mir auf wenig Schritten nah.</l> </lg><lb/> <lg n="9"> <l>Jndeß entdeckt’ ich doch erhabne graue Waͤlder,</l><lb/> <l>Die, ſtat der Blaͤtter, Bluhmen tragen;</l><lb/> <l>Wie auch bewachſne gruͤne Felder,</l><lb/> <l>Woraus, ſtat Gras und Klee, ſonſt nichts als Bluhmen<lb/><hi rendition="#et">ragen.</hi></l><lb/> <l>Die Erde ſelbſt iſt grauem Ambra gleich,</l><lb/> <l>An Farb und am Geruch. Kein Balſam iſt ſo reich</l><lb/> <l>An Anmuth, Lieblichkeit und Krafft, als hier die Fluth:</l><lb/> <l>Aus allen Dingen dampft, aus allen Coͤrpern quillet</l><lb/> <l>Ein ſuͤſſer Dufft, der, wie aus einer Gluth</l><lb/> <l>Vom Rauch-Faß, immer ſteigt, und Erd und Lufft er-<lb/><hi rendition="#et">fuͤllet.</hi></l> </lg><lb/> <lg n="10"> <l>Wer, dacht ich, mag doch wol in dieſem Orte leben?</l><lb/> <l>Jch ſah’ uͤmher, und ward ein ſanftes ſchweben</l><lb/> <l>Von einer ungezehlten Schaar</l><lb/> <l>Beſonderer Geſchoͤpf gewahr.</l><lb/> <l>Verwunderlich und nie erhoͤrt kam mir</l><lb/> <l>Jhr Weſen, ihre Bildung fuͤr.</l><lb/> <l>Unzehlig war der Unterſcheid</l><lb/> <l>Und die Veraͤndrung der Geſtalten:</l><lb/> <l>Man ſah’ an Jungen und an Alten</l><lb/> <l>Ein’ ungemeine Fluͤchtigkeit.</l><lb/> <l>Mit Schwanen-Federn iſt der meiſten Leib bedeckt,</l><lb/> <l>Der meiſtens wol gebaut, und zierlich von Figur.</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Zum</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [194/0226]
Traum-Geſicht.
Daher denn dieſe Welt ein’ ew’ge Daͤmmrung deckte;
So daß mein Blick ſich nicht gar fern erſtreckte,
Und ich nur kaum die Gegenwuͤrffe ſah,
Die mir auf wenig Schritten nah.
Jndeß entdeckt’ ich doch erhabne graue Waͤlder,
Die, ſtat der Blaͤtter, Bluhmen tragen;
Wie auch bewachſne gruͤne Felder,
Woraus, ſtat Gras und Klee, ſonſt nichts als Bluhmen
ragen.
Die Erde ſelbſt iſt grauem Ambra gleich,
An Farb und am Geruch. Kein Balſam iſt ſo reich
An Anmuth, Lieblichkeit und Krafft, als hier die Fluth:
Aus allen Dingen dampft, aus allen Coͤrpern quillet
Ein ſuͤſſer Dufft, der, wie aus einer Gluth
Vom Rauch-Faß, immer ſteigt, und Erd und Lufft er-
fuͤllet.
Wer, dacht ich, mag doch wol in dieſem Orte leben?
Jch ſah’ uͤmher, und ward ein ſanftes ſchweben
Von einer ungezehlten Schaar
Beſonderer Geſchoͤpf gewahr.
Verwunderlich und nie erhoͤrt kam mir
Jhr Weſen, ihre Bildung fuͤr.
Unzehlig war der Unterſcheid
Und die Veraͤndrung der Geſtalten:
Man ſah’ an Jungen und an Alten
Ein’ ungemeine Fluͤchtigkeit.
Mit Schwanen-Federn iſt der meiſten Leib bedeckt,
Der meiſtens wol gebaut, und zierlich von Figur.
Zum
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |