Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite
Nothwendigkeit der Betrachtung.
Nothwendigkeit der Betrachtung.
Geliebter Mensch, da dich das schöne Bluhmen-Reich,
Und alles was demselben gleich,
So wenig, ja fast gar nicht rühret,
Und, wie doch billig wär, zu GOttes Lob nicht führet,
Ob es gleich noch so schön, so lieblich zugericht;
So handelst du ja wider deine Pflicht.
Es wäre denn, (da nichts ümsonst hervor gebracht)
Daß alle diese Pracht
Für dich so wenig sey, als für das Vieh, gemacht,
Und daß vielleicht, dem grossen All zum Preise,
Jn unsers Lufft-Raums weitem Kreise
Gantz andre Creaturen lebten,
Die GOttes Wercke höher schätzten,
Sich, Jhm zum Ruhm, daran ergetzten,
Und die, den Schöpffer zu erheben,
Jn froher Andacht sich bestreben;
Und daß denn eigentlich
Für die, und nicht für dich,
Die Wunder der Natur, und ihre Wunder-Pracht,
Erschaffen worden und gemacht.
Mir schauert fast die Haut, wann ich dieß überlege,
Daß unser Geist hiedurch fast aus der Menschen Orden
Herausgerissen sey, und gantz zum Vieh-Geist worden.
Ach! lasst uns denn doch künftig uns bemühn,
Uns diesem Unglück zu entziehn.
Lasst uns die Fähigkeit, die uns von GOTT gegeben,
Jn Seiner Creatur uns Seiner zu erfreun,
Und Seinen Ruhm dadurch beständig zu erneun,
Doch besser, als bisher, wol anzuwenden streben!


Die
Nothwendigkeit der Betrachtung.
Nothwendigkeit der Betrachtung.
Geliebter Menſch, da dich das ſchoͤne Bluhmen-Reich,
Und alles was demſelben gleich,
So wenig, ja faſt gar nicht ruͤhret,
Und, wie doch billig waͤr, zu GOttes Lob nicht fuͤhret,
Ob es gleich noch ſo ſchoͤn, ſo lieblich zugericht;
So handelſt du ja wider deine Pflicht.
Es waͤre denn, (da nichts uͤmſonſt hervor gebracht)
Daß alle dieſe Pracht
Fuͤr dich ſo wenig ſey, als fuͤr das Vieh, gemacht,
Und daß vielleicht, dem groſſen All zum Preiſe,
Jn unſers Lufft-Raums weitem Kreiſe
Gantz andre Creaturen lebten,
Die GOttes Wercke hoͤher ſchaͤtzten,
Sich, Jhm zum Ruhm, daran ergetzten,
Und die, den Schoͤpffer zu erheben,
Jn froher Andacht ſich beſtreben;
Und daß denn eigentlich
Fuͤr die, und nicht fuͤr dich,
Die Wunder der Natur, und ihre Wunder-Pracht,
Erſchaffen worden und gemacht.
Mir ſchauert faſt die Haut, wann ich dieß uͤberlege,
Daß unſer Geiſt hiedurch faſt aus der Menſchen Orden
Herausgeriſſen ſey, und gantz zum Vieh-Geiſt worden.
Ach! laſſt uns denn doch kuͤnftig uns bemuͤhn,
Uns dieſem Ungluͤck zu entziehn.
Laſſt uns die Faͤhigkeit, die uns von GOTT gegeben,
Jn Seiner Creatur uns Seiner zu erfreun,
Und Seinen Ruhm dadurch beſtaͤndig zu erneun,
Doch beſſer, als bisher, wol anzuwenden ſtreben!


Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0268" n="236"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Nothwendigkeit der Betrachtung.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Nothwendigkeit der Betrachtung.</hi> </head><lb/>
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">G</hi>eliebter Men&#x017F;ch, da dich das &#x017F;cho&#x0364;ne Bluhmen-Reich,</l><lb/>
              <l>Und alles was dem&#x017F;elben gleich,</l><lb/>
              <l>So wenig, ja fa&#x017F;t gar nicht ru&#x0364;hret,</l><lb/>
              <l>Und, wie doch billig wa&#x0364;r, zu GOttes Lob nicht fu&#x0364;hret,</l><lb/>
              <l>Ob es gleich noch &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n, &#x017F;o lieblich zugericht;</l><lb/>
              <l>So handel&#x017F;t du ja wider deine Pflicht.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Es wa&#x0364;re denn, (da nichts u&#x0364;m&#x017F;on&#x017F;t hervor gebracht)</l><lb/>
              <l>Daß alle die&#x017F;e Pracht</l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;r dich &#x017F;o wenig &#x017F;ey, als fu&#x0364;r das Vieh, gemacht,</l><lb/>
              <l>Und daß vielleicht, dem gro&#x017F;&#x017F;en All zum Prei&#x017F;e,</l><lb/>
              <l>Jn un&#x017F;ers Lufft-Raums weitem Krei&#x017F;e</l><lb/>
              <l>Gantz andre Creaturen lebten,</l><lb/>
              <l>Die GOttes Wercke ho&#x0364;her &#x017F;cha&#x0364;tzten,</l><lb/>
              <l>Sich, Jhm zum Ruhm, daran ergetzten,</l><lb/>
              <l>Und die, den Scho&#x0364;pffer zu erheben,</l><lb/>
              <l>Jn froher Andacht &#x017F;ich be&#x017F;treben;</l><lb/>
              <l>Und daß denn eigentlich</l><lb/>
              <l>Fu&#x0364;r die, und nicht fu&#x0364;r dich,</l><lb/>
              <l>Die Wunder der Natur, und ihre Wunder-Pracht,</l><lb/>
              <l>Er&#x017F;chaffen worden und gemacht.</l><lb/>
              <l>Mir &#x017F;chauert fa&#x017F;t die Haut, wann ich dieß u&#x0364;berlege,</l><lb/>
              <l>Daß un&#x017F;er Gei&#x017F;t hiedurch fa&#x017F;t aus der Men&#x017F;chen Orden</l><lb/>
              <l>Herausgeri&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ey, und gantz zum Vieh-Gei&#x017F;t worden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Ach! la&#x017F;&#x017F;t uns denn doch ku&#x0364;nftig uns bemu&#x0364;hn,</l><lb/>
              <l>Uns die&#x017F;em Unglu&#x0364;ck zu entziehn.</l><lb/>
              <l>La&#x017F;&#x017F;t uns die Fa&#x0364;higkeit, die uns von GOTT gegeben,</l><lb/>
              <l>Jn Seiner Creatur uns Seiner zu erfreun,</l><lb/>
              <l>Und Seinen Ruhm dadurch be&#x017F;ta&#x0364;ndig zu erneun,</l><lb/>
              <l>Doch be&#x017F;&#x017F;er, als bisher, wol anzuwenden &#x017F;treben!</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Die</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0268] Nothwendigkeit der Betrachtung. Nothwendigkeit der Betrachtung. Geliebter Menſch, da dich das ſchoͤne Bluhmen-Reich, Und alles was demſelben gleich, So wenig, ja faſt gar nicht ruͤhret, Und, wie doch billig waͤr, zu GOttes Lob nicht fuͤhret, Ob es gleich noch ſo ſchoͤn, ſo lieblich zugericht; So handelſt du ja wider deine Pflicht. Es waͤre denn, (da nichts uͤmſonſt hervor gebracht) Daß alle dieſe Pracht Fuͤr dich ſo wenig ſey, als fuͤr das Vieh, gemacht, Und daß vielleicht, dem groſſen All zum Preiſe, Jn unſers Lufft-Raums weitem Kreiſe Gantz andre Creaturen lebten, Die GOttes Wercke hoͤher ſchaͤtzten, Sich, Jhm zum Ruhm, daran ergetzten, Und die, den Schoͤpffer zu erheben, Jn froher Andacht ſich beſtreben; Und daß denn eigentlich Fuͤr die, und nicht fuͤr dich, Die Wunder der Natur, und ihre Wunder-Pracht, Erſchaffen worden und gemacht. Mir ſchauert faſt die Haut, wann ich dieß uͤberlege, Daß unſer Geiſt hiedurch faſt aus der Menſchen Orden Herausgeriſſen ſey, und gantz zum Vieh-Geiſt worden. Ach! laſſt uns denn doch kuͤnftig uns bemuͤhn, Uns dieſem Ungluͤck zu entziehn. Laſſt uns die Faͤhigkeit, die uns von GOTT gegeben, Jn Seiner Creatur uns Seiner zu erfreun, Und Seinen Ruhm dadurch beſtaͤndig zu erneun, Doch beſſer, als bisher, wol anzuwenden ſtreben! Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/268
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/268>, abgerufen am 31.10.2024.