Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.genommene Gedancken. Es kommt mir vor,Ob höre mein vergnügtes Ohr, So gar von einem ieden Orte, Dergleichen Lehr-und Anmuth-reiche Worte. Je weiter ich nun ferner gehe, Je mehr entdeck' ich, höre, sehe, Und treff' ich neue Vorwürff' an, Die mich mit neuer Freude rühren, Die mich im Danck zum Schöpfer führen, Und die ich nie genug bewundern kann. Bey einem ieden Schritt werd' ich aufs neue Verändrungen gewahr, worüber ich mich freue. Hier seh ich, wie die Frucht in einer Rinde steckt: Da hält ein schönes Fleisch den Kern verdeckt: Die dort, ist in und aussen weich: Die Frucht ist, vielen andern gleich, Aus einer Bluhm' entsprossen: Jene hier Kam, sonder Bluhm' und Blüht', aus hartem Holtz' herfür: Die kommt, wann sich der Sommer zu uns wendet, Und jene, wann er sich geendet. Die eine fällt und welckt, wird sie nicht bald gepflückt, Die andre reiffet nie, wo man nicht warten kann: Die hält sich lange Zeit; die bricht sich zeitig an: Durch die wirst du gestärckt, wann jene dich erquickt. Kurtz: Alles, was mein Aug' erblickt, Vergnüget mich an iedem Orte, Durch stets veränderten Genuß; So daß ich des Propheten Worte Für Freuden wiederholen muß: Auf S 3
genommene Gedancken. Es kommt mir vor,Ob hoͤre mein vergnuͤgtes Ohr, So gar von einem ieden Orte, Dergleichen Lehr-und Anmuth-reiche Worte. Je weiter ich nun ferner gehe, Je mehr entdeck’ ich, hoͤre, ſehe, Und treff’ ich neue Vorwuͤrff’ an, Die mich mit neuer Freude ruͤhren, Die mich im Danck zum Schoͤpfer fuͤhren, Und die ich nie genug bewundern kann. Bey einem ieden Schritt werd’ ich aufs neue Veraͤndrungen gewahr, woruͤber ich mich freue. Hier ſeh ich, wie die Frucht in einer Rinde ſteckt: Da haͤlt ein ſchoͤnes Fleiſch den Kern verdeckt: Die dort, iſt in und auſſen weich: Die Frucht iſt, vielen andern gleich, Aus einer Bluhm’ entſproſſen: Jene hier Kam, ſonder Bluhm’ und Bluͤht’, aus hartem Holtz’ herfuͤr: Die kommt, wann ſich der Sommer zu uns wendet, Und jene, wann er ſich geendet. Die eine faͤllt und welckt, wird ſie nicht bald gepfluͤckt, Die andre reiffet nie, wo man nicht warten kann: Die haͤlt ſich lange Zeit; die bricht ſich zeitig an: Durch die wirſt du geſtaͤrckt, wann jene dich erquickt. Kurtz: Alles, was mein Aug’ erblickt, Vergnuͤget mich an iedem Orte, Durch ſtets veraͤnderten Genuß; So daß ich des Propheten Worte Fuͤr Freuden wiederholen muß: Auf S 3
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genommene Gedancken.
Es kommt mir vor,
Ob hoͤre mein vergnuͤgtes Ohr,
So gar von einem ieden Orte,
Dergleichen Lehr-und Anmuth-reiche Worte.
Je weiter ich nun ferner gehe,
Je mehr entdeck’ ich, hoͤre, ſehe,
Und treff’ ich neue Vorwuͤrff’ an,
Die mich mit neuer Freude ruͤhren,
Die mich im Danck zum Schoͤpfer fuͤhren,
Und die ich nie genug bewundern kann.
Bey einem ieden Schritt werd’ ich aufs neue
Veraͤndrungen gewahr, woruͤber ich mich freue.
Hier ſeh ich, wie die Frucht in einer Rinde ſteckt:
Da haͤlt ein ſchoͤnes Fleiſch den Kern verdeckt:
Die dort, iſt in und auſſen weich:
Die Frucht iſt, vielen andern gleich,
Aus einer Bluhm’ entſproſſen: Jene hier
Kam, ſonder Bluhm’ und Bluͤht’, aus hartem Holtz’ herfuͤr:
Die kommt, wann ſich der Sommer zu uns wendet,
Und jene, wann er ſich geendet.
Die eine faͤllt und welckt, wird ſie nicht bald gepfluͤckt,
Die andre reiffet nie, wo man nicht warten kann:
Die haͤlt ſich lange Zeit; die bricht ſich zeitig an:
Durch die wirſt du geſtaͤrckt, wann jene dich erquickt.
Kurtz: Alles, was mein Aug’ erblickt,
Vergnuͤget mich an iedem Orte,
Durch ſtets veraͤnderten Genuß;
So daß ich des Propheten Worte
Fuͤr Freuden wiederholen muß:
Auf
S 3
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