Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Unempfindlichkeit des Guten. Unbillige Unempfindlichkeit des gegen- wärtigen Guten. Recht erbarmens-würdig ist, daß wir mit so kaltem Muthe, Ja fast ohn' Empfindlichkeit, alles gegenwärtge Gute, Und hingegen Mit der innersten Bewegung, was verdrießlich ist, erwegen. Die Gesundheit nicht einmahl, nicht einmahl ein gut Ge- wissen, (Welches doch die grössten Schätze, wie wir ja bekennen müssen) Können uns, wie sie doch sollten, eine lange Lust erregen. Aber, sind sie etwa fort; ach wie deutlich, hell und klar Wird man dann derselben Güte, Wehrt und Schätzbarkeit gewahr! Ach wie elend sind wir dann! wie so groß ist unsre Noth! Dann wird kein Juweel so rein und so schön, kein Gold so roth, Wenn es auch aus Ophir wäre, so ans Hertz gepicht gefunden; Daß man sie mit Lust nicht gäbe, eine Sache zu besitzen, Die man erst besaß, iedoch nicht gekostet, nicht empfunden, Dieß ist unser rechter Lohn, weil man sich, von Jugend an, Nicht dazu bequemen wollen, nicht dazu entschliessen kann, Die Gedancken, worin doch unser Wohl allein bestehet, Mit den Sinnen zu verbinden, und nicht, wenn wir schme- cken, hören, Wenn wir riechen, fühlen, sehn, Uns bestreben, daß es mag, zu des grossen Schöpfers Ehren, Mit Bedacht und Lust geschehn. Die U 2
Unempfindlichkeit des Guten. Unbillige Unempfindlichkeit des gegen- waͤrtigen Guten. Recht erbarmens-wuͤrdig iſt, daß wir mit ſo kaltem Muthe, Ja faſt ohn’ Empfindlichkeit, alles gegenwaͤrtge Gute, Und hingegen Mit der innerſten Bewegung, was verdrießlich iſt, erwegen. Die Geſundheit nicht einmahl, nicht einmahl ein gut Ge- wiſſen, (Welches doch die groͤſſten Schaͤtze, wie wir ja bekeñen muͤſſen) Koͤnnen uns, wie ſie doch ſollten, eine lange Luſt erregen. Aber, ſind ſie etwa fort; ach wie deutlich, hell und klar Wird man dann derſelben Guͤte, Wehrt und Schaͤtzbarkeit gewahr! Ach wie elend ſind wir dann! wie ſo groß iſt unſre Noth! Dann wird kein Juweel ſo rein und ſo ſchoͤn, kein Gold ſo roth, Wenn es auch aus Ophir waͤre, ſo ans Hertz gepicht gefunden; Daß man ſie mit Luſt nicht gaͤbe, eine Sache zu beſitzen, Die man erſt beſaß, iedoch nicht gekoſtet, nicht empfunden, Dieß iſt unſer rechter Lohn, weil man ſich, von Jugend an, Nicht dazu bequemen wollen, nicht dazu entſchlieſſen kann, Die Gedancken, worin doch unſer Wohl allein beſtehet, Mit den Sinnen zu verbinden, und nicht, wenn wir ſchme- cken, hoͤren, Wenn wir riechen, fuͤhlen, ſehn, Uns beſtreben, daß es mag, zu des groſſen Schoͤpfers Ehren, Mit Bedacht und Luſt geſchehn. Die U 2
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Unempfindlichkeit des Guten.
Unbillige Unempfindlichkeit des gegen-
waͤrtigen Guten.
Recht erbarmens-wuͤrdig iſt, daß wir mit ſo kaltem
Muthe,
Ja faſt ohn’ Empfindlichkeit, alles gegenwaͤrtge Gute,
Und hingegen
Mit der innerſten Bewegung, was verdrießlich iſt, erwegen.
Die Geſundheit nicht einmahl, nicht einmahl ein gut Ge-
wiſſen,
(Welches doch die groͤſſten Schaͤtze, wie wir ja bekeñen muͤſſen)
Koͤnnen uns, wie ſie doch ſollten, eine lange Luſt erregen.
Aber, ſind ſie etwa fort; ach wie deutlich, hell und klar
Wird man dann derſelben Guͤte, Wehrt und Schaͤtzbarkeit
gewahr!
Ach wie elend ſind wir dann! wie ſo groß iſt unſre Noth!
Dann wird kein Juweel ſo rein und ſo ſchoͤn, kein Gold ſo
roth,
Wenn es auch aus Ophir waͤre, ſo ans Hertz gepicht gefunden;
Daß man ſie mit Luſt nicht gaͤbe, eine Sache zu beſitzen,
Die man erſt beſaß, iedoch nicht gekoſtet, nicht empfunden,
Dieß iſt unſer rechter Lohn, weil man ſich, von Jugend an,
Nicht dazu bequemen wollen, nicht dazu entſchlieſſen kann,
Die Gedancken, worin doch unſer Wohl allein beſtehet,
Mit den Sinnen zu verbinden, und nicht, wenn wir ſchme-
cken, hoͤren,
Wenn wir riechen, fuͤhlen, ſehn,
Uns beſtreben, daß es mag, zu des groſſen Schoͤpfers Ehren,
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