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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

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Noch eine anmuthige Landschaft
Gärten, Wälder, Felder, Wiesen, Berge, Fluß und Jnseln
schauet,

Grosse Schiffe segeln siehet; kommt vielleicht, mein Leser,
dir

Fast unglaublich, fast unmöglich, und zwar nicht mit Un-
recht, für;

Aber es ist doch die Wahrheit, und du sollst es deutlich
sehn,

Daß ich nichts zu viel gesagt. Denn ich will mich ietzt be-
fleissen,

Nichts zu schmincken, sondern alles nach dem Leben abzu-
reissen:

Ja was sprech ich doch von schmincken: alles ist so Wun-
der-schön,

Daß man keine Farben findet, die die Schönheit vorzustellen
Herrlich, rein und schön genug, sie nur etwas aufzuhellen.

Meine Wohnung in der Stadt kann, an vieler Pracht,
nicht reichen,

Und ist mit der Nachbarn Häusern nicht an Höhe zu ver-
gleichen.

Aber wann der Nord-Wind schnaubet, auch die schwühle
Lufft erhitzt,

Bin ich, durch derselben Höhe, so vor Hitz, als Frost, ge-
schützt.

Dieses hat mich offt belehret, durch bequeme Sicherheit,
Wie der Mittel-Stand recht gülden, wie so reich die
Niedrigkeit.
Wann sie aber an den Wall, Gras-Brock und die Elbe
schiesset,

Die, in stiller Majestät, Schiff-reich hier vorüber fliesset;
Oeff-

Noch eine anmuthige Landſchaft
Gaͤrten, Waͤlder, Felder, Wieſen, Berge, Fluß und Jnſeln
ſchauet,

Groſſe Schiffe ſegeln ſiehet; kommt vielleicht, mein Leſer,
dir

Faſt unglaublich, faſt unmoͤglich, und zwar nicht mit Un-
recht, fuͤr;

Aber es iſt doch die Wahrheit, und du ſollſt es deutlich
ſehn,

Daß ich nichts zu viel geſagt. Denn ich will mich ietzt be-
fleiſſen,

Nichts zu ſchmincken, ſondern alles nach dem Leben abzu-
reiſſen:

Ja was ſprech ich doch von ſchmincken: alles iſt ſo Wun-
der-ſchoͤn,

Daß man keine Farben findet, die die Schoͤnheit vorzuſtellen
Herrlich, rein und ſchoͤn genug, ſie nur etwas aufzuhellen.

Meine Wohnung in der Stadt kann, an vieler Pracht,
nicht reichen,

Und iſt mit der Nachbarn Haͤuſern nicht an Hoͤhe zu ver-
gleichen.

Aber wann der Nord-Wind ſchnaubet, auch die ſchwuͤhle
Lufft erhitzt,

Bin ich, durch derſelben Hoͤhe, ſo vor Hitz, als Froſt, ge-
ſchuͤtzt.

Dieſes hat mich offt belehret, durch bequeme Sicherheit,
Wie der Mittel-Stand recht guͤlden, wie ſo reich die
Niedrigkeit.
Wann ſie aber an den Wall, Gras-Brock und die Elbe
ſchieſſet,

Die, in ſtiller Majeſtaͤt, Schiff-reich hier voruͤber flieſſet;
Oeff-
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[312/0344] Noch eine anmuthige Landſchaft Gaͤrten, Waͤlder, Felder, Wieſen, Berge, Fluß und Jnſeln ſchauet, Groſſe Schiffe ſegeln ſiehet; kommt vielleicht, mein Leſer, dir Faſt unglaublich, faſt unmoͤglich, und zwar nicht mit Un- recht, fuͤr; Aber es iſt doch die Wahrheit, und du ſollſt es deutlich ſehn, Daß ich nichts zu viel geſagt. Denn ich will mich ietzt be- fleiſſen, Nichts zu ſchmincken, ſondern alles nach dem Leben abzu- reiſſen: Ja was ſprech ich doch von ſchmincken: alles iſt ſo Wun- der-ſchoͤn, Daß man keine Farben findet, die die Schoͤnheit vorzuſtellen Herrlich, rein und ſchoͤn genug, ſie nur etwas aufzuhellen. Meine Wohnung in der Stadt kann, an vieler Pracht, nicht reichen, Und iſt mit der Nachbarn Haͤuſern nicht an Hoͤhe zu ver- gleichen. Aber wann der Nord-Wind ſchnaubet, auch die ſchwuͤhle Lufft erhitzt, Bin ich, durch derſelben Hoͤhe, ſo vor Hitz, als Froſt, ge- ſchuͤtzt. Dieſes hat mich offt belehret, durch bequeme Sicherheit, Wie der Mittel-Stand recht guͤlden, wie ſo reich die Niedrigkeit. Wann ſie aber an den Wall, Gras-Brock und die Elbe ſchieſſet, Die, in ſtiller Majeſtaͤt, Schiff-reich hier voruͤber flieſſet; Oeff-

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/344>, abgerufen am 22.11.2024.