Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Fertigkeit zu lesen in dem Buche der Natur. Fertigkeit zu lesen in dem Buche der Natur. Jn ieder Wissenschaft und Kunst, die Menschen wissen, Hat man ja Arbeit, Fleiß und Müh, Sie zu erlernen, nehmen müssen; Durch wiederholen fasst man sie. Die Fähigkeit, die in der Seelen stecket, Entwickelt sich allmählich, wird erwecket, Und nimmt durch Ubung zu. Jst denn die Wissenschaft Jm Buch der Creatur, den Schöpfer selbst zu finden, Und Seine Weisheit, Lieb' und Allmacht zu ergründen, Nicht einst der Mühe wehrt, daß wir der Seelen Krafft Offt auf so edlen Vorwurff lencken, Und, wann wir hören, sehn und schmecken, Des gedencken, Der uns für so viel Guts, und Seiner Wercke Pracht So wunderbarlich sinnlich macht? Je öffter man sich übt, die Creatur zu sehn, Je fertiger wird man im lesen, Je deutlicher wird man der Gottheit Wesen, Des Welt-Buchs Jnhalt, Kern und Zweck verstehn, Und, immer brünstiger, Sein herrlichs Lob erhöhn. Ach so gewehnet euch, geliebte Menschen, doch Zu dieser süssen Müh, zu diesem leichten Joch! Beschäfftigt euch, und lernt aufmercksam, GOTT zu Ehren, Empfinden, schmecken, sehn und hören! Der X 2
Fertigkeit zu leſen in dem Buche der Natur. Fertigkeit zu leſen in dem Buche der Natur. Jn ieder Wiſſenſchaft und Kunſt, die Menſchen wiſſen, Hat man ja Arbeit, Fleiß und Muͤh, Sie zu erlernen, nehmen muͤſſen; Durch wiederholen faſſt man ſie. Die Faͤhigkeit, die in der Seelen ſtecket, Entwickelt ſich allmaͤhlich, wird erwecket, Und nimmt durch Ubung zu. Jſt denn die Wiſſenſchaft Jm Buch der Creatur, den Schoͤpfer ſelbſt zu finden, Und Seine Weisheit, Lieb’ und Allmacht zu ergruͤnden, Nicht einſt der Muͤhe wehrt, daß wir der Seelen Krafft Offt auf ſo edlen Vorwurff lencken, Und, wann wir hoͤren, ſehn und ſchmecken, Des gedencken, Der uns fuͤr ſo viel Guts, und Seiner Wercke Pracht So wunderbarlich ſinnlich macht? Je oͤffter man ſich uͤbt, die Creatur zu ſehn, Je fertiger wird man im leſen, Je deutlicher wird man der Gottheit Weſen, Des Welt-Buchs Jnhalt, Kern und Zweck verſtehn, Und, immer bruͤnſtiger, Sein herrlichs Lob erhoͤhn. Ach ſo gewehnet euch, geliebte Menſchen, doch Zu dieſer ſuͤſſen Muͤh, zu dieſem leichten Joch! Beſchaͤfftigt euch, und lernt aufmerckſam, GOTT zu Ehren, Empfinden, ſchmecken, ſehn und hoͤren! Der X 2
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Fertigkeit zu leſen in dem Buche der Natur.
Fertigkeit zu leſen in dem Buche der
Natur.
Jn ieder Wiſſenſchaft und Kunſt, die Menſchen wiſſen,
Hat man ja Arbeit, Fleiß und Muͤh,
Sie zu erlernen, nehmen muͤſſen;
Durch wiederholen faſſt man ſie.
Die Faͤhigkeit, die in der Seelen ſtecket,
Entwickelt ſich allmaͤhlich, wird erwecket,
Und nimmt durch Ubung zu. Jſt denn die Wiſſenſchaft
Jm Buch der Creatur, den Schoͤpfer ſelbſt zu finden,
Und Seine Weisheit, Lieb’ und Allmacht zu ergruͤnden,
Nicht einſt der Muͤhe wehrt, daß wir der Seelen Krafft
Offt auf ſo edlen Vorwurff lencken,
Und, wann wir hoͤren, ſehn und ſchmecken, Des gedencken,
Der uns fuͤr ſo viel Guts, und Seiner Wercke Pracht
So wunderbarlich ſinnlich macht?
Je oͤffter man ſich uͤbt, die Creatur zu ſehn,
Je fertiger wird man im leſen,
Je deutlicher wird man der Gottheit Weſen,
Des Welt-Buchs Jnhalt, Kern und Zweck verſtehn,
Und, immer bruͤnſtiger, Sein herrlichs Lob erhoͤhn.
Ach ſo gewehnet euch, geliebte Menſchen, doch
Zu dieſer ſuͤſſen Muͤh, zu dieſem leichten Joch!
Beſchaͤfftigt euch, und lernt aufmerckſam, GOTT zu Ehren,
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