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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

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Vorzug des menschlichen Geistes.
Vorzug des menschlichen Geistes.
Erwege, lieber Mensch, es sind ja unsre Seelen
Von andrer Art, als Holtz und Stein;
Da, von des Schöpfers Creaturen
Recht wunder-wunderbare Spuren
Jn ihnen anzutreffen seyn.
Sprich nicht, daß das Gesicht der Thiere
Denselben Eindruck auch verspüre:
Denn, ob es, leider! wahr, daß sich zu dieser Zeit
Jn den Betrachtungen der Creaturen Pracht,
Die Menschheit, durch Unachtsamkeit,
So wie das Vieh, fast gäntzlich fühllos macht;
So daß es leider noch die Frage:
Ob ich mit grösserm Nechte sage,
Daß Menschen GOttes-Werck mit Hund-und Katzen-
Augen

Wie? oder daß die Hund' und Katzen das, was schön,
Mit Menschen-Augen sehn?
Weil eine Blindheit ja der andern gleicht,
Und unsere der ihrigen nicht weicht;
So ist es doch in unsrer Macht,
Jn der Geschöpffe Wunder-Pracht,
Denjenigen, der sie hervorgebracht,
Zu schmecken, und zu sehn, zu fühlen und zu hören,
Auch Jhn, durch Gegen-Lieb, und frohen Danck, zu ehren;
Das jenen untersagt.
Ach
Vorzug des menſchlichen Geiſtes.
Vorzug des menſchlichen Geiſtes.
Erwege, lieber Menſch, es ſind ja unſre Seelen
Von andrer Art, als Holtz und Stein;
Da, von des Schoͤpfers Creaturen
Recht wunder-wunderbare Spuren
Jn ihnen anzutreffen ſeyn.
Sprich nicht, daß das Geſicht der Thiere
Denſelben Eindruck auch verſpuͤre:
Denn, ob es, leider! wahr, daß ſich zu dieſer Zeit
Jn den Betrachtungen der Creaturen Pracht,
Die Menſchheit, durch Unachtſamkeit,
So wie das Vieh, faſt gaͤntzlich fuͤhllos macht;
So daß es leider noch die Frage:
Ob ich mit groͤſſerm Nechte ſage,
Daß Menſchen GOttes-Werck mit Hund-und Katzen-
Augen

Wie? oder daß die Hund’ und Katzen das, was ſchoͤn,
Mit Menſchen-Augen ſehn?
Weil eine Blindheit ja der andern gleicht,
Und unſere der ihrigen nicht weicht;
So iſt es doch in unſrer Macht,
Jn der Geſchoͤpffe Wunder-Pracht,
Denjenigen, der ſie hervorgebracht,
Zu ſchmecken, und zu ſehn, zu fuͤhlen und zu hoͤren,
Auch Jhn, durch Gegen-Lieb, und frohen Danck, zu ehren;
Das jenen unterſagt.
Ach
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[367/0399] Vorzug des menſchlichen Geiſtes. Vorzug des menſchlichen Geiſtes. Erwege, lieber Menſch, es ſind ja unſre Seelen Von andrer Art, als Holtz und Stein; Da, von des Schoͤpfers Creaturen Recht wunder-wunderbare Spuren Jn ihnen anzutreffen ſeyn. Sprich nicht, daß das Geſicht der Thiere Denſelben Eindruck auch verſpuͤre: Denn, ob es, leider! wahr, daß ſich zu dieſer Zeit Jn den Betrachtungen der Creaturen Pracht, Die Menſchheit, durch Unachtſamkeit, So wie das Vieh, faſt gaͤntzlich fuͤhllos macht; So daß es leider noch die Frage: Ob ich mit groͤſſerm Nechte ſage, Daß Menſchen GOttes-Werck mit Hund-und Katzen- Augen Wie? oder daß die Hund’ und Katzen das, was ſchoͤn, Mit Menſchen-Augen ſehn? Weil eine Blindheit ja der andern gleicht, Und unſere der ihrigen nicht weicht; So iſt es doch in unſrer Macht, Jn der Geſchoͤpffe Wunder-Pracht, Denjenigen, der ſie hervorgebracht, Zu ſchmecken, und zu ſehn, zu fuͤhlen und zu hoͤren, Auch Jhn, durch Gegen-Lieb, und frohen Danck, zu ehren; Das jenen unterſagt. Ach

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/399>, abgerufen am 31.10.2024.