Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.Uhr-Werck der Ewigkeit. Denn ist der Secunden Kreis gleich vollendet und vorbey; Sieht man, am Minuten-Zeiger, daß sie gegenwärtig sey: Folglich sieht man, recht mit Augen, wie es möglich sey, vergehen, Und dennoch, als nicht vergangen, ohne Wandelung bestehen. Zeigt uns dieses nicht ein Bild, zu des grossen Schöpf- fers Preise, Daß, ja gar auf welche Weise, Wir von unsern Lebens-Zeiten (so, dem Schein nach nur, vergehn,) Die verfiogenen Seeunden alle werden wieder sehn Dort an dem Minuten-Zeiger, welchen wir, nach dieser Zeit, Jn der langen Ewigkeit, Sonder Zweifel finden dürften. Da wir denn, was hier geschehn, Mit Vergnügen oder Zittern, quälen oder Fröhlichkeit, Wie wir unsern Wandel hier angestellt gehabt auf Erden, Sehen und betrachten werden. Hiemit stimmet überein das, was dort Johannes sprach, Wann es heisset: Jhre Wercke folgen ihnen dorten nach. Denn, wo alles, wie es hier zu vergehen scheint, verginge, Alles wäre wie ein Traum, ja wie ein Geschrey, vorbey; Schien' es, als ob in der That alles Wesen aller Dinge Kaum der Mühe wehrt gewesen, daß es einst erschaffen sey. Aber ach! was fällt mir ein! das Gewercke dieser Uhr Zeiget mir ein mehres noch. Selbst das Uhr-Werck der Natur Wird mir, vor mein Seelen-Aug', in der allgemeinen Welt Als ein ungemessnes Uhr-Werck anzusehen vorgestellt: Wor- B b
Uhr-Werck der Ewigkeit. Denn iſt der Secunden Kreis gleich vollendet und vorbey; Sieht man, am Minuten-Zeiger, daß ſie gegenwaͤrtig ſey: Folglich ſieht man, recht mit Augen, wie es moͤglich ſey, vergehen, Und dennoch, als nicht vergangen, ohne Wandelung beſtehen. Zeigt uns dieſes nicht ein Bild, zu des groſſen Schoͤpf- fers Preiſe, Daß, ja gar auf welche Weiſe, Wir von unſern Lebens-Zeiten (ſo, dem Schein nach nur, vergehn,) Die verfiogenen Seeunden alle werden wieder ſehn Dort an dem Minuten-Zeiger, welchen wir, nach dieſer Zeit, Jn der langen Ewigkeit, Sonder Zweifel finden duͤrften. Da wir denn, was hier geſchehn, Mit Vergnuͤgen oder Zittern, quaͤlen oder Froͤhlichkeit, Wie wir unſern Wandel hier angeſtellt gehabt auf Erden, Sehen und betrachten werden. Hiemit ſtimmet uͤberein das, was dort Johannes ſprach, Wann es heiſſet: Jhre Wercke folgen ihnen dorten nach. Denn, wo alles, wie es hier zu vergehen ſcheint, verginge, Alles waͤre wie ein Traum, ja wie ein Geſchrey, vorbey; Schien’ es, als ob in der That alles Weſen aller Dinge Kaum der Muͤhe wehrt geweſen, daß es einſt erſchaffen ſey. Aber ach! was faͤllt mir ein! das Gewercke dieſer Uhr Zeiget mir ein mehres noch. Selbſt das Uhr-Werck der Natur Wird mir, vor mein Seelen-Aug’, in der allgemeinen Welt Als ein ungemeſſnes Uhr-Werck anzuſehen vorgeſtellt: Wor- B b
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Uhr-Werck der Ewigkeit.
Denn iſt der Secunden Kreis gleich vollendet und
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Sieht man, am Minuten-Zeiger, daß ſie gegenwaͤrtig ſey:
Folglich ſieht man, recht mit Augen, wie es moͤglich ſey,
vergehen,
Und dennoch, als nicht vergangen, ohne Wandelung beſtehen.
Zeigt uns dieſes nicht ein Bild, zu des groſſen Schoͤpf-
fers Preiſe,
Daß, ja gar auf welche Weiſe,
Wir von unſern Lebens-Zeiten (ſo, dem Schein nach nur,
vergehn,)
Die verfiogenen Seeunden alle werden wieder ſehn
Dort an dem Minuten-Zeiger, welchen wir, nach dieſer Zeit,
Jn der langen Ewigkeit,
Sonder Zweifel finden duͤrften. Da wir denn, was hier
geſchehn,
Mit Vergnuͤgen oder Zittern, quaͤlen oder Froͤhlichkeit,
Wie wir unſern Wandel hier angeſtellt gehabt auf Erden,
Sehen und betrachten werden.
Hiemit ſtimmet uͤberein das, was dort Johannes
ſprach,
Wann es heiſſet: Jhre Wercke folgen ihnen dorten nach.
Denn, wo alles, wie es hier zu vergehen ſcheint, verginge,
Alles waͤre wie ein Traum, ja wie ein Geſchrey, vorbey;
Schien’ es, als ob in der That alles Weſen aller Dinge
Kaum der Muͤhe wehrt geweſen, daß es einſt erſchaffen ſey.
Aber ach! was faͤllt mir ein! das Gewercke dieſer Uhr
Zeiget mir ein mehres noch. Selbſt das Uhr-Werck der
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