Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite

Noch andere Winter-Gedancken.

Ja felsicht in der That. Wenn man wol eh gehört,
Daß gantze Städte sich in Stein verkehrt,
Erstaunet man darob. Dieß ist erstaunens wehrt,
Daß nicht nur alles sich fast in der That
Jn Stein verwandelt hat,
Und alles, was man sieht, ein starres Schreck-Bild weiset;
Nein, daß, wie durch Erfahrung ja bekannt,
Durch unsers Schöpfers Allmachts Hand
Sich alles wiederüm entsteinet und enteiset.

"Nimm doch GOttes weise Macht
"Der die Creatur geniesset,
"Hier aufs nen im Eis' in Acht!
"Trotz desselben Härtigkeit,
"Hat es die Beschaffenheit,
"Daß es schmiltzt und schnell zerfliesset.
"Wär es anders; könnt' auf Erden,
"Mitten in der Sommers-Zeit,
"Nichts gepflüget, noch besäet,
"Nichts gedünget, nichts gemähet,
"Nichts zum mürben Boden werden;
"Und es würd' in solcher Wüste,
"Weder Gras noch Laub entstehn:
"Folglich müste
"Alles, was da lebt, vergehn.
"Ach! so nimm, o Mensch, in Acht,
"Wie des weisen Schöpfers Macht,
"Uns zum Nutz, und Jhm zum Preise,
"Auf so wunderbare Weise,
"Jn

Noch andere Winter-Gedancken.

Ja felſicht in der That. Wenn man wol eh gehoͤrt,
Daß gantze Staͤdte ſich in Stein verkehrt,
Erſtaunet man darob. Dieß iſt erſtaunens wehrt,
Daß nicht nur alles ſich faſt in der That
Jn Stein verwandelt hat,
Und alles, was man ſieht, ein ſtarres Schreck-Bild weiſet;
Nein, daß, wie durch Erfahrung ja bekannt,
Durch unſers Schoͤpfers Allmachts Hand
Sich alles wiederuͤm entſteinet und enteiſet.

„Nimm doch GOttes weiſe Macht
„Der die Creatur genieſſet,
„Hier aufs nen im Eiſ’ in Acht!
„Trotz deſſelben Haͤrtigkeit,
„Hat es die Beſchaffenheit,
„Daß es ſchmiltzt und ſchnell zerflieſſet.
„Waͤr es anders; koͤnnt’ auf Erden,
„Mitten in der Sommers-Zeit,
„Nichts gepfluͤget, noch beſaͤet,
„Nichts geduͤnget, nichts gemaͤhet,
„Nichts zum muͤrben Boden werden;
„Und es wuͤrd’ in ſolcher Wuͤſte,
„Weder Gras noch Laub entſtehn:
„Folglich muͤſte
„Alles, was da lebt, vergehn.
„Ach! ſo nimm, o Menſch, in Acht,
„Wie des weiſen Schoͤpfers Macht,
„Uns zum Nutz, und Jhm zum Preiſe,
„Auf ſo wunderbare Weiſe,
„Jn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="4">
              <l>
                <pb facs="#f0427" n="395"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Noch andere Winter-Gedancken.</hi> </fw>
              </l><lb/>
              <l>Ja fel&#x017F;icht in der That. Wenn man wol eh geho&#x0364;rt,</l><lb/>
              <l>Daß gantze Sta&#x0364;dte &#x017F;ich in Stein verkehrt,</l><lb/>
              <l>Er&#x017F;taunet man darob. Dieß i&#x017F;t er&#x017F;taunens wehrt,</l><lb/>
              <l>Daß nicht nur alles &#x017F;ich fa&#x017F;t in der That</l><lb/>
              <l>Jn Stein verwandelt hat,</l><lb/>
              <l>Und alles, was man &#x017F;ieht, ein &#x017F;tarres Schreck-Bild wei&#x017F;et;</l><lb/>
              <l>Nein, daß, wie durch Erfahrung ja bekannt,</l><lb/>
              <l>Durch un&#x017F;ers Scho&#x0364;pfers Allmachts Hand</l><lb/>
              <l>Sich alles wiederu&#x0364;m ent&#x017F;teinet und entei&#x017F;et.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>&#x201E;Nimm doch GOttes wei&#x017F;e Macht<lb/>
&#x201E;Der die Creatur genie&#x017F;&#x017F;et,<lb/>
&#x201E;Hier aufs nen im Ei&#x017F;&#x2019; in Acht!<lb/>
&#x201E;Trotz de&#x017F;&#x017F;elben Ha&#x0364;rtigkeit,<lb/>
&#x201E;Hat es die Be&#x017F;chaffenheit,<lb/>
&#x201E;Daß es &#x017F;chmiltzt und &#x017F;chnell zerflie&#x017F;&#x017F;et.<lb/>
&#x201E;Wa&#x0364;r es anders; ko&#x0364;nnt&#x2019; auf Erden,<lb/>
&#x201E;Mitten in der Sommers-Zeit,<lb/>
&#x201E;Nichts gepflu&#x0364;get, noch be&#x017F;a&#x0364;et,<lb/>
&#x201E;Nichts gedu&#x0364;nget, nichts gema&#x0364;het,<lb/>
&#x201E;Nichts zum mu&#x0364;rben Boden werden;<lb/>
&#x201E;Und es wu&#x0364;rd&#x2019; in &#x017F;olcher Wu&#x0364;&#x017F;te,<lb/>
&#x201E;Weder Gras noch Laub ent&#x017F;tehn:<lb/>
&#x201E;Folglich mu&#x0364;&#x017F;te<lb/>
&#x201E;Alles, was da lebt, vergehn.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>&#x201E;Ach! &#x017F;o nimm, o Men&#x017F;ch, in Acht,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Wie des wei&#x017F;en Scho&#x0364;pfers Macht,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Uns zum Nutz, und Jhm zum Prei&#x017F;e,</l><lb/>
              <l>&#x201E;Auf &#x017F;o wunderbare Wei&#x017F;e,</l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">&#x201E;Jn</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[395/0427] Noch andere Winter-Gedancken. Ja felſicht in der That. Wenn man wol eh gehoͤrt, Daß gantze Staͤdte ſich in Stein verkehrt, Erſtaunet man darob. Dieß iſt erſtaunens wehrt, Daß nicht nur alles ſich faſt in der That Jn Stein verwandelt hat, Und alles, was man ſieht, ein ſtarres Schreck-Bild weiſet; Nein, daß, wie durch Erfahrung ja bekannt, Durch unſers Schoͤpfers Allmachts Hand Sich alles wiederuͤm entſteinet und enteiſet. „Nimm doch GOttes weiſe Macht „Der die Creatur genieſſet, „Hier aufs nen im Eiſ’ in Acht! „Trotz deſſelben Haͤrtigkeit, „Hat es die Beſchaffenheit, „Daß es ſchmiltzt und ſchnell zerflieſſet. „Waͤr es anders; koͤnnt’ auf Erden, „Mitten in der Sommers-Zeit, „Nichts gepfluͤget, noch beſaͤet, „Nichts geduͤnget, nichts gemaͤhet, „Nichts zum muͤrben Boden werden; „Und es wuͤrd’ in ſolcher Wuͤſte, „Weder Gras noch Laub entſtehn: „Folglich muͤſte „Alles, was da lebt, vergehn. „Ach! ſo nimm, o Menſch, in Acht, „Wie des weiſen Schoͤpfers Macht, „Uns zum Nutz, und Jhm zum Preiſe, „Auf ſo wunderbare Weiſe, „Jn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/427
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen04_1735/427>, abgerufen am 25.11.2024.