Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.
Die Erde selber war morastig, häßlich naß, Jhr morscher Cörper schien zu faulen und zu gähren, Jhr Fleisch in zähen Schlamm, in Wust ihr Nahrungs- Safft, Und ihre Haut in Koth, sich zu verkehren. Was man von ihr erblickt', war schlüpfrig, eckelhaft, Schwartz, sumpfig, ungestalt. Der Anblick rührte mich, Die traurige Figur und Farbe stellte sich Den Sinnen eigentlich, Als eine Art Verwesung, dar. Muß unsre Mutter auch so gar Die Fäulniß und Verwesung leiden! Rieff ich betrübt. Allein, Wie bald verschwand das Trauren! da der Schein Und Glantz der Wahrheit mich ein besseres belehrte: Daß diese Fäulniß sich in Fruchtbarkeit, Die Häßlichkeit in Schönheit sich verkehrte: Und daß sie, in gar kurtzer Zeit, Durch eben diese schwartz- und scheußliche Figur, Nach weiser Ordnung der Natur, Zu einer Wunder-schönen Pracht, Zu einem lieblichen beblühmten Stand gebracht, Und unausdrücklich schön geschmücket würde werden. Ach! fiel mir ferner noch, bey der Betrachtung, ein: Wie kann uns Menschen doch dieß Bild der Erden Solch ein vortreffliches und Lehr-reich Sinn-Bild seyn! Wer E e
Die Erde ſelber war moraſtig, haͤßlich naß, Jhr morſcher Coͤrper ſchien zu faulen und zu gaͤhren, Jhr Fleiſch in zaͤhen Schlamm, in Wuſt ihr Nahrungs- Safft, Und ihre Haut in Koth, ſich zu verkehren. Was man von ihr erblickt’, war ſchluͤpfrig, eckelhaft, Schwartz, ſumpfig, ungeſtalt. Der Anblick ruͤhrte mich, Die traurige Figur und Farbe ſtellte ſich Den Sinnen eigentlich, Als eine Art Verweſung, dar. Muß unſre Mutter auch ſo gar Die Faͤulniß und Verweſung leiden! Rieff ich betruͤbt. Allein, Wie bald verſchwand das Trauren! da der Schein Und Glantz der Wahrheit mich ein beſſeres belehrte: Daß dieſe Faͤulniß ſich in Fruchtbarkeit, Die Haͤßlichkeit in Schoͤnheit ſich verkehrte: Und daß ſie, in gar kurtzer Zeit, Durch eben dieſe ſchwartz- und ſcheußliche Figur, Nach weiſer Ordnung der Natur, Zu einer Wunder-ſchoͤnen Pracht, Zu einem lieblichen bebluͤhmten Stand gebracht, Und unausdruͤcklich ſchoͤn geſchmuͤcket wuͤrde werden. Ach! fiel mir ferner noch, bey der Betrachtung, ein: Wie kann uns Menſchen doch dieß Bild der Erden Solch ein vortreffliches und Lehr-reich Sinn-Bild ſeyn! Wer E e
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Bey dem Ende des Winters.
Da, wo der Schnee geſchmoltzen war,
Erblickte man der Erden duͤnnes Haar
Verwirrt, vermodert, welck. Das gelblich bleiche Gras
Ließ der vorhin erhabnen Spitzen prangen
Jn ſchmutzig grauer Farb’ erbaͤrmlich abwaͤrts hangen.
Die Erde ſelber war moraſtig, haͤßlich naß,
Jhr morſcher Coͤrper ſchien zu faulen und zu gaͤhren,
Jhr Fleiſch in zaͤhen Schlamm, in Wuſt ihr Nahrungs-
Safft,
Und ihre Haut in Koth, ſich zu verkehren.
Was man von ihr erblickt’, war ſchluͤpfrig, eckelhaft,
Schwartz, ſumpfig, ungeſtalt. Der Anblick ruͤhrte mich,
Die traurige Figur und Farbe ſtellte ſich
Den Sinnen eigentlich,
Als eine Art Verweſung, dar.
Muß unſre Mutter auch ſo gar
Die Faͤulniß und Verweſung leiden!
Rieff ich betruͤbt. Allein,
Wie bald verſchwand das Trauren! da der Schein
Und Glantz der Wahrheit mich ein beſſeres belehrte:
Daß dieſe Faͤulniß ſich in Fruchtbarkeit,
Die Haͤßlichkeit in Schoͤnheit ſich verkehrte:
Und daß ſie, in gar kurtzer Zeit,
Durch eben dieſe ſchwartz- und ſcheußliche Figur,
Nach weiſer Ordnung der Natur,
Zu einer Wunder-ſchoͤnen Pracht,
Zu einem lieblichen bebluͤhmten Stand gebracht,
Und unausdruͤcklich ſchoͤn geſchmuͤcket wuͤrde werden.
Ach! fiel mir ferner noch, bey der Betrachtung, ein:
Wie kann uns Menſchen doch dieß Bild der Erden
Solch ein vortreffliches und Lehr-reich Sinn-Bild ſeyn!
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