Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 4. 2. Aufl. Hamburg, 1735.
Betrachte denn, mit aufmercksamen Sinn, Dasjenige, was weg, vergangen, und dahin, So viel dir möglich ist, mein Geist! Weil aber von sich selbst kein Mensch, was wahr, verstehen Und, was man eigentlich soll glauben, fassen kann; So ruff ich dich alhier, Quell aller Weisheit, an? "Höre, was hievon die Lippen, Dir anietzt zu Ehren lallen, "O Anbetungs-wehrte Gottheit, die üm alles, und in allen, "Uber allem, unter allem! Der von Aenderung, Ver gehen, "Und Verwandlung nichts bekannt: sondern vor Der nebst den Jahren, "Die vor uns von Ewigkeit, wie ein Strohm, dahin ge fahren, "Alle Dinge, die vergangen, ewig gegenwärtig stehn! "Gieb doch, da ich meine Blicke auf Dein Göttlichs We sen lencke, "Daß ich nichts, so Dir mißfällt, nichts Dir unanständig dencke! "Dein allein unwandelbar-ewig stet-und seligs Wesen "Hab' ich mir, in meinem Liede vom vergehn, zum Zweck erlesen, "Denn
Betrachte denn, mit aufmerckſamen Sinn, Dasjenige, was weg, vergangen, und dahin, So viel dir moͤglich iſt, mein Geiſt! Weil aber von ſich ſelbſt kein Menſch, was wahr, verſtehen Und, was man eigentlich ſoll glauben, faſſen kann; So ruff ich dich alhier, Quell aller Weisheit, an? „Hoͤre, was hievon die Lippen, Dir anietzt zu Ehren lallen, „O Anbetungs-wehrte Gottheit, die uͤm alles, und in allen, „Uber allem, unter allem! Der von Aenderung, Ver gehen, „Und Verwandlung nichts bekannt: ſondern vor Der nebſt den Jahren, „Die vor uns von Ewigkeit, wie ein Strohm, dahin ge fahren, „Alle Dinge, die vergangen, ewig gegenwaͤrtig ſtehn! „Gieb doch, da ich meine Blicke auf Dein Goͤttlichs We ſen lencke, „Daß ich nichts, ſo Dir mißfaͤllt, nichts Dir unanſtaͤndig dencke! „Dein allein unwandelbar-ewig ſtet-und ſeligs Weſen „Hab’ ich mir, in meinem Liede vom vergehn, zum Zweck erleſen, „Denn
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Das Vergangene,
Da ieder Augenblick uns, wie ein Vlitz, entflieht,
Sich zum vergangenen geſellt, ſich uns entzieht,
Ja gar uns mit ſich fort, indem wir ſtets vergehen,
Mit ja ſo ſtreng-als ſtillem Zwange reiſſt;
So daß daher, wenn wir es recht ergruͤnden,
Selbſt von der gegenwaͤrtgen Zeit
Die beſte Deutlichkeit
Bey dem vergangenen zu finden.
Betrachte denn, mit aufmerckſamen Sinn,
Dasjenige, was weg, vergangen, und dahin,
So viel dir moͤglich iſt, mein Geiſt!
Weil aber von ſich ſelbſt kein Menſch, was wahr, verſtehen
Und, was man eigentlich ſoll glauben, faſſen kann;
So ruff ich dich alhier, Quell aller Weisheit, an?
„Hoͤre, was hievon die Lippen, Dir anietzt zu Ehren
lallen,
„O Anbetungs-wehrte Gottheit, die uͤm alles, und in
allen,
„Uber allem, unter allem! Der von Aenderung, Ver
gehen,
„Und Verwandlung nichts bekannt: ſondern vor Der
nebſt den Jahren,
„Die vor uns von Ewigkeit, wie ein Strohm, dahin ge
fahren,
„Alle Dinge, die vergangen, ewig gegenwaͤrtig ſtehn!
„Gieb doch, da ich meine Blicke auf Dein Goͤttlichs We
ſen lencke,
„Daß ich nichts, ſo Dir mißfaͤllt, nichts Dir unanſtaͤndig
dencke!
„Dein allein unwandelbar-ewig ſtet-und ſeligs Weſen
„Hab’ ich mir, in meinem Liede vom vergehn, zum Zweck
erleſen,
„Denn
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