Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Das Eulchen. Das Eulchen. Am Abend saß ich jüngst, gelassen und in Ruh,Jn einem kleinem Garten-Zimmer, Und sah durchs Fenster-Glas, wie sich des Tages Schim- mer Gemach verringerte: Die Schatten nahmen zu. Jndem erblicket' ich ein ämsiges Geschwebe. Von einer Spinnen war ein ziemlich starck Gewebe Jm Zimmer, vor den Scheiben her, gespannt, Und, zwischen dieser falschen Wand, Sah ich am Scheiben-Glas' ein weisses Eulchen fliegen Stets auf und nieder, hin und her. Es schien, ob sucht' es blos am Lichte sein Vergnügen, Und, daß es blos dadurch gesichert wär. Jhr schwartzer Feind, die Spinne, ruhte nicht, Sie lieff' bald in die läng', bald in die qver, Mit offuen Klauen, doch des Himmels Licht, Des Eulchens Augenmerck, wodurch es nicht zurücke, Und nur stets vorwerts flog, befreit es von dem Stricke Und seinem Untergang, indem es ungefehr, Nach langem Flattern, in der Scheibe An eine Spalte kam, Und durch dieselbige sich seinem Tod' entzog, Die Freyheit frölich nahm, Und nach dem lang gesuchten Lichte flog. Der
Das Eulchen. Das Eulchen. Am Abend ſaß ich juͤngſt, gelaſſen und in Ruh,Jn einem kleinem Garten-Zimmer, Und ſah durchs Fenſter-Glas, wie ſich des Tages Schim- mer Gemach verringerte: Die Schatten nahmen zu. Jndem erblicket’ ich ein aͤmſiges Geſchwebe. Von einer Spinnen war ein ziemlich ſtarck Gewebe Jm Zimmer, vor den Scheiben her, geſpannt, Und, zwiſchen dieſer falſchen Wand, Sah ich am Scheiben-Glaſ’ ein weiſſes Eulchen fliegen Stets auf und nieder, hin und her. Es ſchien, ob ſucht’ es blos am Lichte ſein Vergnuͤgen, Und, daß es blos dadurch geſichert waͤr. Jhr ſchwartzer Feind, die Spinne, ruhte nicht, Sie lieff’ bald in die laͤng’, bald in die qver, Mit offuen Klauen, doch des Himmels Licht, Des Eulchens Augenmerck, wodurch es nicht zuruͤcke, Und nur ſtets vorwerts flog, befreit es von dem Stricke Und ſeinem Untergang, indem es ungefehr, Nach langem Flattern, in der Scheibe An eine Spalte kam, Und durch dieſelbige ſich ſeinem Tod’ entzog, Die Freyheit froͤlich nahm, Und nach dem lang geſuchten Lichte flog. Der
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Das Eulchen.
Das Eulchen.
Am Abend ſaß ich juͤngſt, gelaſſen und in Ruh,
Jn einem kleinem Garten-Zimmer,
Und ſah durchs Fenſter-Glas, wie ſich des Tages Schim-
mer
Gemach verringerte: Die Schatten nahmen zu.
Jndem erblicket’ ich ein aͤmſiges Geſchwebe.
Von einer Spinnen war ein ziemlich ſtarck Gewebe
Jm Zimmer, vor den Scheiben her, geſpannt,
Und, zwiſchen dieſer falſchen Wand,
Sah ich am Scheiben-Glaſ’ ein weiſſes Eulchen fliegen
Stets auf und nieder, hin und her.
Es ſchien, ob ſucht’ es blos am Lichte ſein Vergnuͤgen,
Und, daß es blos dadurch geſichert waͤr.
Jhr ſchwartzer Feind, die Spinne, ruhte nicht,
Sie lieff’ bald in die laͤng’, bald in die qver,
Mit offuen Klauen, doch des Himmels Licht,
Des Eulchens Augenmerck, wodurch es nicht zuruͤcke,
Und nur ſtets vorwerts flog, befreit es von dem Stricke
Und ſeinem Untergang, indem es ungefehr,
Nach langem Flattern, in der Scheibe
An eine Spalte kam,
Und durch dieſelbige ſich ſeinem Tod’ entzog,
Die Freyheit froͤlich nahm,
Und nach dem lang geſuchten Lichte flog.
Der
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