Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Abend-Andacht. Durch Verstopfung nicht versehrt, jene nicht zerhaut, durchstochen, Und durch Feuer, Last, und Fallen, nicht verbrannt, zer- qvetscht, zerbrochen, Daß des Fiebers Gift und Brand nicht in meinem Blute wüthet, Dafür bin ich, liebster Vater! blos durch deine Huld behütet. Hab' ich aber heut' auch das, wozu Sinnen mir gegeben, Nemlich: GOtt in den Geschöpfen zu bewundern zu erheben, Wie ich schuldig war, gethan? hab' ich auch, durch mein Gesicht, Das vortrefliche Geschöpf, unsrer Sonnen Wunder-Licht, Mit Bedacht, Bewunderung, und, da es so wunderschön, Auch da es mir alles zeiget, oft mit Dancken angesehn? Wenn, durch Lesung guter Bücher, ich mich heut erbauen können, Hab' ich wol gedacht: nur GOtt hat mir dieses wollen gönnen? GOtt gab mir, nebst meinem Aug', auch ein geistiges Gesicht, Hat die Schreib'- und Lesungs-Kunst wunderbar erfinden lassen, Daß wir nicht im Welt-Buch nur und in Cörpern ihre Pracht, Sondern auch der Geister Schönheit, Anmuth, Eindruck, Feur und Macht Und in ihnen, seine Wunder, Lieb' und Weisheit mög- ten fassen; Hab' ich auch, wenn ich sein Wort, oder sonst was Guts, gelesen, GOttes weise Lieb' ermessen? bin ich auch gerührt gewesen? Hat
Abend-Andacht. Durch Verſtopfung nicht verſehrt, jene nicht zerhaut, durchſtochen, Und durch Feuer, Laſt, und Fallen, nicht verbrannt, zer- qvetſcht, zerbrochen, Daß des Fiebers Gift und Brand nicht in meinem Blute wuͤthet, Dafuͤr bin ich, liebſter Vater! blos durch deine Huld behuͤtet. Hab’ ich aber heut’ auch das, wozu Sinnen mir gegeben, Nemlich: GOtt in den Geſchoͤpfen zu bewundern zu erheben, Wie ich ſchuldig war, gethan? hab’ ich auch, durch mein Geſicht, Das vortrefliche Geſchoͤpf, unſrer Sonnen Wunder-Licht, Mit Bedacht, Bewunderung, und, da es ſo wunderſchoͤn, Auch da es mir alles zeiget, oft mit Dancken angeſehn? Wenn, durch Leſung guter Buͤcher, ich mich heut erbauen koͤnnen, Hab’ ich wol gedacht: nur GOtt hat mir dieſes wollen goͤnnen? GOtt gab mir, nebſt meinem Aug’, auch ein geiſtiges Geſicht, Hat die Schreib’- und Leſungs-Kunſt wunderbar erfinden laſſen, Daß wir nicht im Welt-Buch nur und in Coͤrpern ihre Pracht, Sondern auch der Geiſter Schoͤnheit, Anmuth, Eindruck, Feur und Macht Und in ihnen, ſeine Wunder, Lieb’ und Weisheit moͤg- ten faſſen; Hab’ ich auch, wenn ich ſein Wort, oder ſonſt was Guts, geleſen, GOttes weiſe Lieb’ ermeſſen? bin ich auch geruͤhrt geweſen? Hat
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Abend-Andacht.
Durch Verſtopfung nicht verſehrt, jene nicht zerhaut,
durchſtochen,
Und durch Feuer, Laſt, und Fallen, nicht verbrannt, zer-
qvetſcht, zerbrochen,
Daß des Fiebers Gift und Brand nicht in meinem Blute
wuͤthet,
Dafuͤr bin ich, liebſter Vater! blos durch deine Huld
behuͤtet.
Hab’ ich aber heut’ auch das, wozu Sinnen mir gegeben,
Nemlich: GOtt in den Geſchoͤpfen zu bewundern zu erheben,
Wie ich ſchuldig war, gethan? hab’ ich auch, durch mein
Geſicht,
Das vortrefliche Geſchoͤpf, unſrer Sonnen Wunder-Licht,
Mit Bedacht, Bewunderung, und, da es ſo wunderſchoͤn,
Auch da es mir alles zeiget, oft mit Dancken angeſehn?
Wenn, durch Leſung guter Buͤcher, ich mich heut erbauen
koͤnnen,
Hab’ ich wol gedacht: nur GOtt hat mir dieſes wollen
goͤnnen?
GOtt gab mir, nebſt meinem Aug’, auch ein geiſtiges Geſicht,
Hat die Schreib’- und Leſungs-Kunſt wunderbar erfinden
laſſen,
Daß wir nicht im Welt-Buch nur und in Coͤrpern ihre
Pracht,
Sondern auch der Geiſter Schoͤnheit, Anmuth, Eindruck,
Feur und Macht
Und in ihnen, ſeine Wunder, Lieb’ und Weisheit moͤg-
ten faſſen;
Hab’ ich auch, wenn ich ſein Wort, oder ſonſt was Guts,
geleſen,
GOttes weiſe Lieb’ ermeſſen? bin ich auch geruͤhrt geweſen?
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