Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Betrachtungen über die erste Schönheit Betrachtungen über die erste Schönheit So bald die Knospen erst sich von einander geben,der Bäume im Frühling. Worüber sich ein Aug' in Hofnung schon erfreut, So scheint der gantze Baum, mit zartem Grün bestreut, Als wenn um jeden Ast viel grüne Puncte schweben. Viel tausend kleine grüne Tüpfel Bedecken überall den Wipfel. Wenn nun der Sonnen heller Strahl Jhr zärtliches Gespinste manches mahl Bestrahlet und durchdringt; sollt einer öfters meinen, Daß überall im Baum gelb grüne Funcken scheinen. Wenn sich die Blätter nun vergrössern und verbreiten, Vermehren und vergrössern sich Derselben grüne Lieblichkeiten! Jndem ein grüner Dunst, den man mit Anmuht sieht, Sich um den gantzen Baum so dann gemählig zieht. Durch den nicht gäntzlichen Zusammenhang der Blätter Kommt jeder Vorwurf uns so dann nicht anders vor Als säh man ihn durch einen grünen Flor; Das uns denn, sonderlich bey heiterm Wetter, Von unten auf den himmlischen Sapphier, Von oben ab der Erden grüne Zier Annoch verschönert weiset; So daß wer es, mit achtsamen Gemüth Und einiger Erwegung, sieht, Jn seiner Augen Lust, mit Recht, den Schöpfer preiset, Der uns zu unsrer Lust, die Welt so lieblich schmückt, Und
Betrachtungen uͤber die erſte Schoͤnheit Betrachtungen uͤber die erſte Schoͤnheit So bald die Knoſpen erſt ſich von einander geben,der Baͤume im Fruͤhling. Woruͤber ſich ein Aug’ in Hofnung ſchon erfreut, So ſcheint der gantze Baum, mit zartem Gruͤn beſtreut, Als wenn um jeden Aſt viel gruͤne Puncte ſchweben. Viel tauſend kleine gruͤne Tuͤpfel Bedecken uͤberall den Wipfel. Wenn nun der Sonnen heller Strahl Jhr zaͤrtliches Geſpinſte manches mahl Beſtrahlet und durchdringt; ſollt einer oͤfters meinen, Daß uͤberall im Baum gelb gruͤne Funcken ſcheinen. Wenn ſich die Blaͤtter nun vergroͤſſern und verbreiten, Vermehren und vergroͤſſern ſich Derſelben gruͤne Lieblichkeiten! Jndem ein gruͤner Dunſt, den man mit Anmuht ſieht, Sich um den gantzen Baum ſo dann gemaͤhlig zieht. Durch den nicht gaͤntzlichen Zuſammenhang der Blaͤtter Kommt jeder Vorwurf uns ſo dann nicht anders vor Als ſaͤh man ihn durch einen gruͤnen Flor; Das uns denn, ſonderlich bey heiterm Wetter, Von unten auf den himmliſchen Sapphier, Von oben ab der Erden gruͤne Zier Annoch verſchoͤnert weiſet; So daß wer es, mit achtſamen Gemuͤth Und einiger Erwegung, ſieht, Jn ſeiner Augen Luſt, mit Recht, den Schoͤpfer preiſet, Der uns zu unſrer Luſt, die Welt ſo lieblich ſchmuͤckt, Und
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Betrachtungen uͤber die erſte Schoͤnheit
Betrachtungen uͤber die erſte Schoͤnheit
der Baͤume im Fruͤhling.
So bald die Knoſpen erſt ſich von einander geben,
Woruͤber ſich ein Aug’ in Hofnung ſchon erfreut,
So ſcheint der gantze Baum, mit zartem Gruͤn beſtreut,
Als wenn um jeden Aſt viel gruͤne Puncte ſchweben.
Viel tauſend kleine gruͤne Tuͤpfel
Bedecken uͤberall den Wipfel.
Wenn nun der Sonnen heller Strahl
Jhr zaͤrtliches Geſpinſte manches mahl
Beſtrahlet und durchdringt; ſollt einer oͤfters meinen,
Daß uͤberall im Baum gelb gruͤne Funcken ſcheinen.
Wenn ſich die Blaͤtter nun vergroͤſſern und verbreiten,
Vermehren und vergroͤſſern ſich
Derſelben gruͤne Lieblichkeiten!
Jndem ein gruͤner Dunſt, den man mit Anmuht ſieht,
Sich um den gantzen Baum ſo dann gemaͤhlig zieht.
Durch den nicht gaͤntzlichen Zuſammenhang der Blaͤtter
Kommt jeder Vorwurf uns ſo dann nicht anders vor
Als ſaͤh man ihn durch einen gruͤnen Flor;
Das uns denn, ſonderlich bey heiterm Wetter,
Von unten auf den himmliſchen Sapphier,
Von oben ab der Erden gruͤne Zier
Annoch verſchoͤnert weiſet;
So daß wer es, mit achtſamen Gemuͤth
Und einiger Erwegung, ſieht,
Jn ſeiner Augen Luſt, mit Recht, den Schoͤpfer preiſet,
Der uns zu unſrer Luſt, die Welt ſo lieblich ſchmuͤckt,
Und
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