Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
Othem-hohlen.
"Dahero hängt vor ihrer Städte
"Gar eine künstliche Tapete,
"Die, als im alten Testament,
"Das Heiligste vom Heil'gen trennt. *
Wobey ich zum Beschluß
Noch die Betrachtung führen muß:
Erwege, deinem GOtt und Schöpfer doch zur Ehre,
Wenn nur allein die Lung' in dir nicht richtig wäre,
Wie elend würde doch dein armes Leben seyn!
Ein jeder Augenblick würd' immer neue Pein,
Mit Husten, Keichen, Seiten-Stechen,
Jn deiner fast zerfleischten Brust,
Die voller Schleim und Wust,
Als wenn sie immer wolte brechen,
Erregen; da du jetzt, wenn du's erwegst, mit Lust
Den Athen in dich ziehst, dein heisses Blut erfrischest,
Der Luft gesunde Theil' in deinem Cörper mischest,
Und frölich leben kannst; wenn du nur selber wilt
Die Kräfte deiner Seel' auf dieses Wunder lencken,
Und, daß du sanfte lebst,
Beym sanften Athen-ziehn,
Doch öfters als du thust, bemüht bist zu bedencken.
Ach mögten wir dieß Wunder oft betrachten
Und, wie es in der That, es für ein Wunder achten,
So würden wir bey jedem Athem-ziehn,
Dem grossen GOtt zu dancken uns bemühn,
Und uns zu gleicher Zeit bestreben,
Jn unsrer Lust zu seiner Ehr' zu leben!


Ei-
* Siehe D. W. Trillers Poetische Betrachtungen über verschiedene
aus der Natur und Sitten-Lehre hergenommene Materien,
pag. 162. seqq.
Othem-hohlen.
„Dahero haͤngt vor ihrer Staͤdte
„Gar eine kuͤnſtliche Tapete,
„Die, als im alten Teſtament,
„Das Heiligſte vom Heil’gen trennt. *
Wobey ich zum Beſchluß
Noch die Betrachtung fuͤhren muß:
Erwege, deinem GOtt und Schoͤpfer doch zur Ehre,
Wenn nur allein die Lung’ in dir nicht richtig waͤre,
Wie elend wuͤrde doch dein armes Leben ſeyn!
Ein jeder Augenblick wuͤrd’ immer neue Pein,
Mit Huſten, Keichen, Seiten-Stechen,
Jn deiner faſt zerfleiſchten Bruſt,
Die voller Schleim und Wuſt,
Als wenn ſie immer wolte brechen,
Erregen; da du jetzt, wenn du’s erwegſt, mit Luſt
Den Athen in dich ziehſt, dein heiſſes Blut erfriſcheſt,
Der Luft geſunde Theil’ in deinem Coͤrper miſcheſt,
Und froͤlich leben kannſt; wenn du nur ſelber wilt
Die Kraͤfte deiner Seel’ auf dieſes Wunder lencken,
Und, daß du ſanfte lebſt,
Beym ſanften Athen-ziehn,
Doch oͤfters als du thuſt, bemuͤht biſt zu bedencken.
Ach moͤgten wir dieß Wunder oft betrachten
Und, wie es in der That, es fuͤr ein Wunder achten,
So wuͤrden wir bey jedem Athem-ziehn,
Dem groſſen GOtt zu dancken uns bemuͤhn,
Und uns zu gleicher Zeit beſtreben,
Jn unſrer Luſt zu ſeiner Ehr’ zu leben!


Ei-
* Siehe D. W. Trillers Poetiſche Betrachtungen uͤber verſchiedene
aus der Natur und Sitten-Lehre hergenommene Materien,
pag. 162. ſeqq.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0342" n="326"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Othem-hohlen.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="10">
            <l>&#x201E;Dahero ha&#x0364;ngt vor ihrer Sta&#x0364;dte</l><lb/>
            <l>&#x201E;Gar eine ku&#x0364;n&#x017F;tliche Tapete,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Die, als im alten Te&#x017F;tament,</l><lb/>
            <l>&#x201E;Das Heilig&#x017F;te vom Heil&#x2019;gen trennt. <note place="foot" n="*">Siehe D. W. Trillers Poeti&#x017F;che Betrachtungen u&#x0364;ber ver&#x017F;chiedene<lb/>
aus der Natur und Sitten-Lehre hergenommene Materien,<lb/><hi rendition="#aq">pag. 162. &#x017F;eqq.</hi></note></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="11">
            <l>Wobey ich zum Be&#x017F;chluß</l><lb/>
            <l>Noch die Betrachtung fu&#x0364;hren muß:</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="12">
            <l>Erwege, deinem GOtt und Scho&#x0364;pfer doch zur Ehre,</l><lb/>
            <l>Wenn nur allein die Lung&#x2019; in dir nicht richtig wa&#x0364;re,</l><lb/>
            <l>Wie elend wu&#x0364;rde doch dein armes Leben &#x017F;eyn!</l><lb/>
            <l>Ein jeder Augenblick wu&#x0364;rd&#x2019; immer neue Pein,</l><lb/>
            <l>Mit Hu&#x017F;ten, Keichen, Seiten-Stechen,</l><lb/>
            <l>Jn deiner fa&#x017F;t zerflei&#x017F;chten Bru&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Die voller Schleim und Wu&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Als wenn &#x017F;ie immer wolte brechen,</l><lb/>
            <l>Erregen; da du jetzt, wenn du&#x2019;s erweg&#x017F;t, mit Lu&#x017F;t</l><lb/>
            <l>Den Athen in dich zieh&#x017F;t, dein hei&#x017F;&#x017F;es Blut erfri&#x017F;che&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Der Luft ge&#x017F;unde Theil&#x2019; in deinem Co&#x0364;rper mi&#x017F;che&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Und fro&#x0364;lich leben kann&#x017F;t; wenn du nur &#x017F;elber wilt</l><lb/>
            <l>Die Kra&#x0364;fte deiner Seel&#x2019; auf die&#x017F;es Wunder lencken,</l><lb/>
            <l>Und, daß du &#x017F;anfte leb&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Beym &#x017F;anften Athen-ziehn,</l><lb/>
            <l>Doch o&#x0364;fters als du thu&#x017F;t, bemu&#x0364;ht bi&#x017F;t zu bedencken.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="13">
            <l>Ach mo&#x0364;gten wir dieß Wunder oft betrachten</l><lb/>
            <l>Und, wie es in der That, es fu&#x0364;r ein Wunder achten,</l><lb/>
            <l>So wu&#x0364;rden wir bey jedem Athem-ziehn,</l><lb/>
            <l>Dem gro&#x017F;&#x017F;en GOtt zu dancken uns bemu&#x0364;hn,</l><lb/>
            <l>Und uns zu gleicher Zeit be&#x017F;treben,</l><lb/>
            <l>Jn un&#x017F;rer Lu&#x017F;t zu &#x017F;einer Ehr&#x2019; zu leben!</l>
          </lg>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Ei-</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0342] Othem-hohlen. „Dahero haͤngt vor ihrer Staͤdte „Gar eine kuͤnſtliche Tapete, „Die, als im alten Teſtament, „Das Heiligſte vom Heil’gen trennt. * Wobey ich zum Beſchluß Noch die Betrachtung fuͤhren muß: Erwege, deinem GOtt und Schoͤpfer doch zur Ehre, Wenn nur allein die Lung’ in dir nicht richtig waͤre, Wie elend wuͤrde doch dein armes Leben ſeyn! Ein jeder Augenblick wuͤrd’ immer neue Pein, Mit Huſten, Keichen, Seiten-Stechen, Jn deiner faſt zerfleiſchten Bruſt, Die voller Schleim und Wuſt, Als wenn ſie immer wolte brechen, Erregen; da du jetzt, wenn du’s erwegſt, mit Luſt Den Athen in dich ziehſt, dein heiſſes Blut erfriſcheſt, Der Luft geſunde Theil’ in deinem Coͤrper miſcheſt, Und froͤlich leben kannſt; wenn du nur ſelber wilt Die Kraͤfte deiner Seel’ auf dieſes Wunder lencken, Und, daß du ſanfte lebſt, Beym ſanften Athen-ziehn, Doch oͤfters als du thuſt, bemuͤht biſt zu bedencken. Ach moͤgten wir dieß Wunder oft betrachten Und, wie es in der That, es fuͤr ein Wunder achten, So wuͤrden wir bey jedem Athem-ziehn, Dem groſſen GOtt zu dancken uns bemuͤhn, Und uns zu gleicher Zeit beſtreben, Jn unſrer Luſt zu ſeiner Ehr’ zu leben! Ei- * Siehe D. W. Trillers Poetiſche Betrachtungen uͤber verſchiedene aus der Natur und Sitten-Lehre hergenommene Materien, pag. 162. ſeqq.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/342
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/342>, abgerufen am 22.11.2024.