Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Gläserne Kugel. Laß doch, bey aller Pracht der Wunder hier auf Erden, Dein Auge, lieber Mensch, kein Ochsen-Auge werden! Ach nein! Laß es, zu GOttes Ruhm, ein Menschen Auge seyn! Eröfne die an ihm befindlichen Canäle, Und laß die Pracht von den erschaffnen Dingen, Durch sie, sich ins Gehirn, den Sitz der Seele, Ja in die Seele selber dringen. Laß durch Gewohnheit dir die Thüren nicht verriegeln, Wodurch die Welt mit dir, du mit der Welt, vereint, Durch die der GOTTHEIT Glantz, als wie von hellen Spiegeln, Aus seinen Wercken wiederscheint! Wir sehen ja das eigentliche Licht, Ohn einen Gegenschlag von festen Cörpern, nicht. So kann man auch der GOttheit Lieb und Macht Ohn seiner Creaturen Pracht Unmöglich sehn, erkennen und verehren. Die Creaturen sinds allein, Die uns von seiner GOttheit Schein Die herrliche Beschaffenheit erklären. Drey Dinge braucht ein Thier zum Sehen: das Gesicht, Der Cörper Vorwürff', und das Licht. Wer aber als ein Mensch will sehen, muß das Dencken Annoch zu diesen dreyen lencken, Und diese Seelen-Kraft noch zu den andern fügen; Sonst hat der Mensch von allem, was auf Erden, Kein' eigentliche Lust, kein menschliches Vergnügen, Und GOtt kann nicht gedanckt noch angebehtet werden. Er-
Glaͤſerne Kugel. Laß doch, bey aller Pracht der Wunder hier auf Erden, Dein Auge, lieber Menſch, kein Ochſen-Auge werden! Ach nein! Laß es, zu GOttes Ruhm, ein Menſchen Auge ſeyn! Eroͤfne die an ihm befindlichen Canaͤle, Und laß die Pracht von den erſchaffnen Dingen, Durch ſie, ſich ins Gehirn, den Sitz der Seele, Ja in die Seele ſelber dringen. Laß durch Gewohnheit dir die Thuͤren nicht verriegeln, Wodurch die Welt mit dir, du mit der Welt, vereint, Durch die der GOTTHEIT Glantz, als wie von hellen Spiegeln, Aus ſeinen Wercken wiederſcheint! Wir ſehen ja das eigentliche Licht, Ohn einen Gegenſchlag von feſten Coͤrpern, nicht. So kann man auch der GOttheit Lieb und Macht Ohn ſeiner Creaturen Pracht Unmoͤglich ſehn, erkennen und verehren. Die Creaturen ſinds allein, Die uns von ſeiner GOttheit Schein Die herrliche Beſchaffenheit erklaͤren. Drey Dinge braucht ein Thier zum Sehen: das Geſicht, Der Coͤrper Vorwuͤrff’, und das Licht. Wer aber als ein Menſch will ſehen, muß das Dencken Annoch zu dieſen dreyen lencken, Und dieſe Seelen-Kraft noch zu den andern fuͤgen; Sonſt hat der Menſch von allem, was auf Erden, Kein’ eigentliche Luſt, kein menſchliches Vergnuͤgen, Und GOtt kann nicht gedanckt noch angebehtet werden. Er-
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Glaͤſerne Kugel.
Laß doch, bey aller Pracht der Wunder hier auf
Erden,
Dein Auge, lieber Menſch, kein Ochſen-Auge werden!
Ach nein!
Laß es, zu GOttes Ruhm, ein Menſchen Auge ſeyn!
Eroͤfne die an ihm befindlichen Canaͤle,
Und laß die Pracht von den erſchaffnen Dingen,
Durch ſie, ſich ins Gehirn, den Sitz der Seele,
Ja in die Seele ſelber dringen.
Laß durch Gewohnheit dir die Thuͤren nicht verriegeln,
Wodurch die Welt mit dir, du mit der Welt, vereint,
Durch die der GOTTHEIT Glantz, als wie von hellen
Spiegeln,
Aus ſeinen Wercken wiederſcheint!
Wir ſehen ja das eigentliche Licht,
Ohn einen Gegenſchlag von feſten Coͤrpern, nicht.
So kann man auch der GOttheit Lieb und Macht
Ohn ſeiner Creaturen Pracht
Unmoͤglich ſehn, erkennen und verehren.
Die Creaturen ſinds allein,
Die uns von ſeiner GOttheit Schein
Die herrliche Beſchaffenheit erklaͤren.
Drey Dinge braucht ein Thier zum Sehen: das Geſicht,
Der Coͤrper Vorwuͤrff’, und das Licht.
Wer aber als ein Menſch will ſehen, muß das Dencken
Annoch zu dieſen dreyen lencken,
Und dieſe Seelen-Kraft noch zu den andern fuͤgen;
Sonſt hat der Menſch von allem, was auf Erden,
Kein’ eigentliche Luſt, kein menſchliches Vergnuͤgen,
Und GOtt kann nicht gedanckt noch angebehtet werden.
Er-
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