Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Rechtmäßige Betrübniß. Rechtmäßige Betrübniß. Aus einem tieffen Schlaf war ich an einem Morgen, Wie es schon ziemlich spat, erwacht; Es hielte mich des Vorhangs falsche Nacht Wie schon die rechte Nacht vorbey, annoch verborgen: Als ich, noch halb verwirrt durch einen schweren Traum, Den grünen Vorhang schnell zurücke, Die Augen aufwärts, schlug: gleich traf die trägen Blicke Ein grün so helles Feur von einem Linden-Baum, Der meine Fenster deckt' und welcher von der Sonnen So herrlich angestrahlt, daß meine Augen kaum, Und zwar in einigen Secunden, Dieß durch das zarte Laub gefärbte Sonnen-Licht Recht anzusehn sich fähig funden. Es sah mein fast für Lust verblendetes Gesicht, Das hin und her mit schnellen Blicken lieffe, Jn dieses schönen Baumes Tieffe, Nebst tausend schön-bestrahlten hellen, Viel tausend dunckel-grüne Stellen, Die alle dem Smaragd an grüner Schönheit gleich, Und ja so sehr, wie er, an Glantz und Schimmer reich, Noch schöner an Figur. Es ist nicht zu beschreiben Wie lieblich alles war; Zumahl da durch die groß- und klaren Fenster-Scheiben Das, was man sah, noch einst so klar. Nicht möglich ists, wenn auch ein Feuer-Werck Jn grünen Flammen brennte, Daß es noch herrlicher, als dieses, gläntzen könnte. Jch
Rechtmaͤßige Betruͤbniß. Rechtmaͤßige Betruͤbniß. Aus einem tieffen Schlaf war ich an einem Morgen, Wie es ſchon ziemlich ſpat, erwacht; Es hielte mich des Vorhangs falſche Nacht Wie ſchon die rechte Nacht vorbey, annoch verborgen: Als ich, noch halb verwirrt durch einen ſchweren Traum, Den gruͤnen Vorhang ſchnell zuruͤcke, Die Augen aufwaͤrts, ſchlug: gleich traf die traͤgen Blicke Ein gruͤn ſo helles Feur von einem Linden-Baum, Der meine Fenſter deckt’ und welcher von der Sonnen So herrlich angeſtrahlt, daß meine Augen kaum, Und zwar in einigen Secunden, Dieß durch das zarte Laub gefaͤrbte Sonnen-Licht Recht anzuſehn ſich faͤhig funden. Es ſah mein faſt fuͤr Luſt verblendetes Geſicht, Das hin und her mit ſchnellen Blicken lieffe, Jn dieſes ſchoͤnen Baumes Tieffe, Nebſt tauſend ſchoͤn-beſtrahlten hellen, Viel tauſend dunckel-gruͤne Stellen, Die alle dem Smaragd an gruͤner Schoͤnheit gleich, Und ja ſo ſehr, wie er, an Glantz und Schimmer reich, Noch ſchoͤner an Figur. Es iſt nicht zu beſchreiben Wie lieblich alles war; Zumahl da durch die groß- und klaren Fenſter-Scheiben Das, was man ſah, noch einſt ſo klar. Nicht moͤglich iſts, wenn auch ein Feuer-Werck Jn gruͤnen Flammen brennte, Daß es noch herrlicher, als dieſes, glaͤntzen koͤnnte. Jch
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Rechtmaͤßige Betruͤbniß.
Rechtmaͤßige Betruͤbniß.
Aus einem tieffen Schlaf war ich an einem Morgen,
Wie es ſchon ziemlich ſpat, erwacht;
Es hielte mich des Vorhangs falſche Nacht
Wie ſchon die rechte Nacht vorbey, annoch verborgen:
Als ich, noch halb verwirrt durch einen ſchweren Traum,
Den gruͤnen Vorhang ſchnell zuruͤcke,
Die Augen aufwaͤrts, ſchlug: gleich traf die traͤgen Blicke
Ein gruͤn ſo helles Feur von einem Linden-Baum,
Der meine Fenſter deckt’ und welcher von der Sonnen
So herrlich angeſtrahlt, daß meine Augen kaum,
Und zwar in einigen Secunden,
Dieß durch das zarte Laub gefaͤrbte Sonnen-Licht
Recht anzuſehn ſich faͤhig funden.
Es ſah mein faſt fuͤr Luſt verblendetes Geſicht,
Das hin und her mit ſchnellen Blicken lieffe,
Jn dieſes ſchoͤnen Baumes Tieffe,
Nebſt tauſend ſchoͤn-beſtrahlten hellen,
Viel tauſend dunckel-gruͤne Stellen,
Die alle dem Smaragd an gruͤner Schoͤnheit gleich,
Und ja ſo ſehr, wie er, an Glantz und Schimmer reich,
Noch ſchoͤner an Figur. Es iſt nicht zu beſchreiben
Wie lieblich alles war;
Zumahl da durch die groß- und klaren Fenſter-Scheiben
Das, was man ſah, noch einſt ſo klar.
Nicht moͤglich iſts, wenn auch ein Feuer-Werck
Jn gruͤnen Flammen brennte,
Daß es noch herrlicher, als dieſes, glaͤntzen koͤnnte.
Jch
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