Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Betrachtung wallender Wasser-Wogen. Doch plötzlich sinckt, vergehet und verschwindet Und mit derselben Fluth, aus welcher sie entsprungen, So bald sie von ihr eingeschlungen, Sich wieder, wie zuvor, vermischt befindet; So kommt solch eine Welle mir Als wie ein Bild von unserm Leben für. Jndem wir mit den Stoff der Erden, Aus welchem wir entstehen und bestehn, Nachdem man uns hier kurtze Zeit gesehn, Jm Grabe wiederum vermischet werden. Noch dacht ich bey der Fluth und dem erblickten Strand: Bestehet nicht das feste Land Aus lauter kleinen Körnchen Sand? So wie das tieff' und weite Meer Aus einem grossen Tropfen-Heer? Mir fällt bey diesem Dencken bey: Ob nicht vor GOtt die gantze Erde Zum Sand-Korn, und das Meer zu einem Tropfen werde; Ob beides, gegen GOtt, wol mehr zu rechnen sey? [Abbildung]
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Betrachtung wallender Waſſer-Wogen. Doch ploͤtzlich ſinckt, vergehet und verſchwindet Und mit derſelben Fluth, aus welcher ſie entſprungen, So bald ſie von ihr eingeſchlungen, Sich wieder, wie zuvor, vermiſcht befindet; So kommt ſolch eine Welle mir Als wie ein Bild von unſerm Leben fuͤr. Jndem wir mit den Stoff der Erden, Aus welchem wir entſtehen und beſtehn, Nachdem man uns hier kurtze Zeit geſehn, Jm Grabe wiederum vermiſchet werden. Noch dacht ich bey der Fluth und dem erblickten Strand: Beſtehet nicht das feſte Land Aus lauter kleinen Koͤrnchen Sand? So wie das tieff’ und weite Meer Aus einem groſſen Tropfen-Heer? Mir faͤllt bey dieſem Dencken bey: Ob nicht vor GOtt die gantze Erde Zum Sand-Korn, und das Meer zu einem Tropfen werde; Ob beides, gegen GOtt, wol mehr zu rechnen ſey? [Abbildung]
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Betrachtung wallender Waſſer-Wogen.
Doch ploͤtzlich ſinckt, vergehet und verſchwindet
Und mit derſelben Fluth, aus welcher ſie entſprungen,
So bald ſie von ihr eingeſchlungen,
Sich wieder, wie zuvor, vermiſcht befindet;
So kommt ſolch eine Welle mir
Als wie ein Bild von unſerm Leben fuͤr.
Jndem wir mit den Stoff der Erden,
Aus welchem wir entſtehen und beſtehn,
Nachdem man uns hier kurtze Zeit geſehn,
Jm Grabe wiederum vermiſchet werden.
Noch dacht ich bey der Fluth und dem erblickten
Strand:
Beſtehet nicht das feſte Land
Aus lauter kleinen Koͤrnchen Sand?
So wie das tieff’ und weite Meer
Aus einem groſſen Tropfen-Heer?
Mir faͤllt bey dieſem Dencken bey:
Ob nicht vor GOtt die gantze Erde
Zum Sand-Korn, und das Meer zu einem Tropfen
werde;
Ob beides, gegen GOtt, wol mehr zu rechnen ſey?
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