Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Vernünftig-sinnlicher GOttes-Dienst. A. Wie ist doch das Geschenck der Sinnen so herrlich,wenn mans recht ermißt! Ach, daß die Menschheit GOtt, dem Geber, dafür so un- erkänntlich ist! B. Jch finde, daß auch Hunde riechen; ich sehe, wie auchOchsen-Augen Der Sonnen Licht und Gras und Blumen, so wol als wir, zu sehen taugen: Was machst du denn für Wercks davon? A. Sie haben Sinnen, das ist wahr; Und zwar noch wol so gut als wir, auch ofters besser noch; allein Soll zwischen uns und ihnen denn so gar kein Unterschied nicht seyn? Daß willst du ja wol eben nicht. Nun kann ja der in nichts so klar, Als eben darin nur bestehen, Daß wir auf andre Weis', als sie, empfinden, schmecken, hören, sehen. Gebrauchen wir durch die Vernunft die Sinnen anders nicht, als sie; So folgt der Schluß von selbst: der Mensch ist auch nicht besser, als ein Vieh. Will man sich aber von demselben, wie es ja unsre Pflicht, entfernen; Laßt uns die Sinnen, GOtt zum Ruhm, der sie uns giebt, gebrauchen lernen! Dieß kann nun GOtt-gefälliger auf andre Weise nicht geschehn, Als wenn durch des Verstandes Licht wir würcklich sehen, daß wir sehn; Em-
Vernuͤnftig-ſinnlicher GOttes-Dienſt. A. Wie iſt doch das Geſchenck der Sinnen ſo herrlich,wenn mans recht ermißt! Ach, daß die Menſchheit GOtt, dem Geber, dafuͤr ſo un- erkaͤnntlich iſt! B. Jch finde, daß auch Hunde riechen; ich ſehe, wie auchOchſen-Augen Der Sonnen Licht und Gras und Blumen, ſo wol als wir, zu ſehen taugen: Was machſt du denn fuͤr Wercks davon? A. Sie haben Sinnen, das iſt wahr; Und zwar noch wol ſo gut als wir, auch ofters beſſer noch; allein Soll zwiſchen uns und ihnen denn ſo gar kein Unterſchied nicht ſeyn? Daß willſt du ja wol eben nicht. Nun kann ja der in nichts ſo klar, Als eben darin nur beſtehen, Daß wir auf andre Weiſ’, als ſie, empfinden, ſchmecken, hoͤren, ſehen. Gebrauchen wir durch die Vernunft die Sinnen anders nicht, als ſie; So folgt der Schluß von ſelbſt: der Menſch iſt auch nicht beſſer, als ein Vieh. Will man ſich aber von demſelben, wie es ja unſre Pflicht, entfernen; Laßt uns die Sinnen, GOtt zum Ruhm, der ſie uns giebt, gebrauchen lernen! Dieß kann nun GOtt-gefaͤlliger auf andre Weiſe nicht geſchehn, Als wenn durch des Verſtandes Licht wir wuͤrcklich ſehen, daß wir ſehn; Em-
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Vernuͤnftig-ſinnlicher GOttes-Dienſt.
A. Wie iſt doch das Geſchenck der Sinnen ſo herrlich,
wenn mans recht ermißt!
Ach, daß die Menſchheit GOtt, dem Geber, dafuͤr ſo un-
erkaͤnntlich iſt!
B. Jch finde, daß auch Hunde riechen; ich ſehe, wie auch
Ochſen-Augen
Der Sonnen Licht und Gras und Blumen, ſo wol als
wir, zu ſehen taugen:
Was machſt du denn fuͤr Wercks davon? A. Sie haben
Sinnen, das iſt wahr;
Und zwar noch wol ſo gut als wir, auch ofters beſſer
noch; allein
Soll zwiſchen uns und ihnen denn ſo gar kein Unterſchied
nicht ſeyn?
Daß willſt du ja wol eben nicht. Nun kann ja der in
nichts ſo klar,
Als eben darin nur beſtehen,
Daß wir auf andre Weiſ’, als ſie, empfinden, ſchmecken,
hoͤren, ſehen.
Gebrauchen wir durch die Vernunft die Sinnen anders
nicht, als ſie;
So folgt der Schluß von ſelbſt: der Menſch iſt auch nicht
beſſer, als ein Vieh.
Will man ſich aber von demſelben, wie es ja unſre Pflicht,
entfernen;
Laßt uns die Sinnen, GOtt zum Ruhm, der ſie uns
giebt, gebrauchen lernen!
Dieß kann nun GOtt-gefaͤlliger auf andre Weiſe nicht
geſchehn,
Als wenn durch des Verſtandes Licht wir wuͤrcklich ſehen,
daß wir ſehn;
Em-
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