Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Gedancken bey einer Mond-Finsterniß. Da ich den Mond verfinstert seh', Verspühr ich, daß, in meinem Hertzen, Aus seiner Finsterniß ein Licht entsteh' Das keine falbe Schatten schwärtzen. Sie zeigt mir überzeuglich klar Die Weißheit Göttlicher Regierung, Und macht zugleich mir offenbahr Die Richtigkeiten seiner Führung; Da nicht nur, um kein eintzigs Haar, Die Lichter, die viel tausend Jahr, Jn ungestörter Ordnung, gehn, Sich aus den festen Angeln drehn; Auch daß der Schöpfer uns so gar, Solch eine Fähigkeit geschencket, So viele Jahr vorher zu sehn, Wie alles sich so richtig lencket. HERR! laß uns des Verstandes Gaben, Das Pfund, das du in uns gesenckt, Gebrauchen und es nicht vergraben! Laß uns, so oft wir, wie so schön Das Monden-Licht uns scheinet, sehn, Mit allen Kräften des Gesichts Zu ihm; von ihm zur Sonnen steigen, Zur wahren Quelle seines Lichts; Da denn der Seele sich wird zeigen, Daß man, mit Recht, die Sonne selbst wird können Des Schöpfers Mond, ja seinen Schatten, nennen. An-
Gedancken bey einer Mond-Finſterniß. Da ich den Mond verfinſtert ſeh’, Verſpuͤhr ich, daß, in meinem Hertzen, Aus ſeiner Finſterniß ein Licht entſteh’ Das keine falbe Schatten ſchwaͤrtzen. Sie zeigt mir uͤberzeuglich klar Die Weißheit Goͤttlicher Regierung, Und macht zugleich mir offenbahr Die Richtigkeiten ſeiner Fuͤhrung; Da nicht nur, um kein eintzigs Haar, Die Lichter, die viel tauſend Jahr, Jn ungeſtoͤrter Ordnung, gehn, Sich aus den feſten Angeln drehn; Auch daß der Schoͤpfer uns ſo gar, Solch eine Faͤhigkeit geſchencket, So viele Jahr vorher zu ſehn, Wie alles ſich ſo richtig lencket. HERR! laß uns des Verſtandes Gaben, Das Pfund, das du in uns geſenckt, Gebrauchen und es nicht vergraben! Laß uns, ſo oft wir, wie ſo ſchoͤn Das Monden-Licht uns ſcheinet, ſehn, Mit allen Kraͤften des Geſichts Zu ihm; von ihm zur Sonnen ſteigen, Zur wahren Quelle ſeines Lichts; Da denn der Seele ſich wird zeigen, Daß man, mit Recht, die Sonne ſelbſt wird koͤnnen Des Schoͤpfers Mond, ja ſeinen Schatten, nennen. An-
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Gedancken bey einer Mond-Finſterniß.
Da ich den Mond verfinſtert ſeh’,
Verſpuͤhr ich, daß, in meinem Hertzen,
Aus ſeiner Finſterniß ein Licht entſteh’
Das keine falbe Schatten ſchwaͤrtzen.
Sie zeigt mir uͤberzeuglich klar
Die Weißheit Goͤttlicher Regierung,
Und macht zugleich mir offenbahr
Die Richtigkeiten ſeiner Fuͤhrung;
Da nicht nur, um kein eintzigs Haar,
Die Lichter, die viel tauſend Jahr,
Jn ungeſtoͤrter Ordnung, gehn,
Sich aus den feſten Angeln drehn;
Auch daß der Schoͤpfer uns ſo gar,
Solch eine Faͤhigkeit geſchencket,
So viele Jahr vorher zu ſehn,
Wie alles ſich ſo richtig lencket.
HERR! laß uns des Verſtandes Gaben,
Das Pfund, das du in uns geſenckt,
Gebrauchen und es nicht vergraben!
Laß uns, ſo oft wir, wie ſo ſchoͤn
Das Monden-Licht uns ſcheinet, ſehn,
Mit allen Kraͤften des Geſichts
Zu ihm; von ihm zur Sonnen ſteigen,
Zur wahren Quelle ſeines Lichts;
Da denn der Seele ſich wird zeigen,
Daß man, mit Recht, die Sonne ſelbſt wird koͤnnen
Des Schoͤpfers Mond, ja ſeinen Schatten, nennen.
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