Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Neu-Jahrs Gedichte. Sieht man ja wol überzeuglich, daß solch' eine weise Führung So veränderlicher Dinge, solche richtige Regirung Solcher ungefügten Theile, der unzählich vielerley, Sonder eine Providentz gantz und gar unmöglich sey. Es wird keiner läugnen können, daß auf unserm Kreis der Erden Nicht nur viele würckliche, Sondern auch in allen Cörpern und in der Materie Mögliche Veränderungen, ebenfals gefunden werden. Erstere sind: die wir fühlen, hören, riechen, schmecken, sehen; Letztere sind dennoch möglich, ob sie würcklich nicht geschehen. Möglich wär es, zum Exempel, daß es jetzo regnete, Da die Sonne lieblich scheinet. Bey den Menschen und den Thieren Wovon wir, bey letzteren, mehrentheils willkührliche Und, bey den vernünftigen, freye Handlungen verspühren, Sind die Aendrungen unzählich: da es dennoch möglich wär' Daß gantz andere geschähen. Jch spatziere hin und her Ob es gleich nicht minder möglich, daß ich sitzen, reiten, schreiben, Fahren, stehn und liegen könnte, oder etwas anders treiben. Nun entsteht mit Recht die Frage: ob der Schöpfer aller Dinge Keinen Theil an allem nehme? ob ihm alles zu geringe, Was er je hervorgebracht? ob er, daß dieß so gescheh', Oder auf ein' andre Weise, sich gar nicht bekümmere? Von Verändrungen der Cörper blos allein ist offenbar, Daß die Göttliche Regirung sich damit gewiß befasse Und von ihrer Aenderung, sich durchaus nicht scheiden lasse, Dieß erweiset dieß Exempel überzeuglich, deutlich, klar: Daß
Neu-Jahrs Gedichte. Sieht man ja wol uͤberzeuglich, daß ſolch’ eine weiſe Fuͤhrung So veraͤnderlicher Dinge, ſolche richtige Regirung Solcher ungefuͤgten Theile, der unzaͤhlich vielerley, Sonder eine Providentz gantz und gar unmoͤglich ſey. Es wird keiner laͤugnen koͤnnen, daß auf unſerm Kreis der Erden Nicht nur viele wuͤrckliche, Sondern auch in allen Coͤrpern und in der Materie Moͤgliche Veraͤnderungen, ebenfals gefunden werden. Erſtere ſind: die wir fuͤhlen, hoͤren, riechen, ſchmecken, ſehen; Letztere ſind dennoch moͤglich, ob ſie wuͤrcklich nicht geſchehen. Moͤglich waͤr es, zum Exempel, daß es jetzo regnete, Da die Sonne lieblich ſcheinet. Bey den Menſchen und den Thieren Wovon wir, bey letzteren, mehrentheils willkuͤhrliche Und, bey den vernuͤnftigen, freye Handlungen verſpuͤhren, Sind die Aendrungen unzaͤhlich: da es dennoch moͤglich waͤr’ Daß gantz andere geſchaͤhen. Jch ſpatziere hin und her Ob es gleich nicht minder moͤglich, daß ich ſitzen, reiten, ſchreiben, Fahren, ſtehn und liegen koͤnnte, oder etwas anders treiben. Nun entſteht mit Recht die Frage: ob der Schoͤpfer aller Dinge Keinen Theil an allem nehme? ob ihm alles zu geringe, Was er je hervorgebracht? ob er, daß dieß ſo geſcheh’, Oder auf ein’ andre Weiſe, ſich gar nicht bekuͤmmere? Von Veraͤndrungen der Coͤrper blos allein iſt offenbar, Daß die Goͤttliche Regirung ſich damit gewiß befaſſe Und von ihrer Aenderung, ſich durchaus nicht ſcheiden laſſe, Dieß erweiſet dieß Exempel uͤberzeuglich, deutlich, klar: Daß
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Neu-Jahrs Gedichte.
Sieht man ja wol uͤberzeuglich, daß ſolch’ eine weiſe Fuͤhrung
So veraͤnderlicher Dinge, ſolche richtige Regirung
Solcher ungefuͤgten Theile, der unzaͤhlich vielerley,
Sonder eine Providentz gantz und gar unmoͤglich ſey.
Es wird keiner laͤugnen koͤnnen, daß auf unſerm Kreis
der Erden
Nicht nur viele wuͤrckliche,
Sondern auch in allen Coͤrpern und in der Materie
Moͤgliche Veraͤnderungen, ebenfals gefunden werden.
Erſtere ſind: die wir fuͤhlen, hoͤren, riechen, ſchmecken, ſehen;
Letztere ſind dennoch moͤglich, ob ſie wuͤrcklich nicht geſchehen.
Moͤglich waͤr es, zum Exempel, daß es jetzo regnete,
Da die Sonne lieblich ſcheinet. Bey den Menſchen und den
Thieren
Wovon wir, bey letzteren, mehrentheils willkuͤhrliche
Und, bey den vernuͤnftigen, freye Handlungen verſpuͤhren,
Sind die Aendrungen unzaͤhlich: da es dennoch moͤglich waͤr’
Daß gantz andere geſchaͤhen. Jch ſpatziere hin und her
Ob es gleich nicht minder moͤglich, daß ich ſitzen, reiten,
ſchreiben,
Fahren, ſtehn und liegen koͤnnte, oder etwas anders treiben.
Nun entſteht mit Recht die Frage: ob der Schoͤpfer aller
Dinge
Keinen Theil an allem nehme? ob ihm alles zu geringe,
Was er je hervorgebracht? ob er, daß dieß ſo geſcheh’,
Oder auf ein’ andre Weiſe, ſich gar nicht bekuͤmmere?
Von Veraͤndrungen der Coͤrper blos allein iſt offenbar,
Daß die Goͤttliche Regirung ſich damit gewiß befaſſe
Und von ihrer Aenderung, ſich durchaus nicht ſcheiden laſſe,
Dieß erweiſet dieß Exempel uͤberzeuglich, deutlich, klar:
Daß
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