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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

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Neu-Jahrs Gedichte.
Um ihre Sonnen sich, in schönster Ordnung, drehn,
Von unterschiednem Stoff gefüget und gemacht.
Vermuthlich hat dem Grossen All gefallen,
Daß unser' Erd' annoch, vor andern allen,
Zum Wunder dienen soll; da sie hervorgebracht,
Sehr wunderbar gefügt von wiederwärtgen Dingen,
Von Theilen, welche dürr, von Theilen, welche feucht,
Von Theilen, welche schwer, von andern, welche leicht,
Von leidender und reger Eigenschaft,
Von feuriger und träger Kraft,
Aus welchen streitenden Partikeln, Erd' und Fluth,
Und Luft und Gluth,
Und, aus denselbigen, die Cörper all' entspringen,
So, trotz der würckenden Beschaffenheit,
Der streitenden Natur und ihrer Wiedrigkeit,
Die sich in allen Theilen finden,
Dennoch bestehn, dennoch sich binden.
Hiedurch wird GOttes Majestät,
Wenn unser Geist dieß Wunder recht erweget,
Und, wie wir schuldig, überleget,
Am wunderwürdigsten erhöht.
Da, aus dem bündigen Zusammenhalt
Sich gar nicht gleicher Theil', ein solches herrlichs Gantz
Entstehet und besteht; so kann ja nie der Glantz
Von einer Göttlichen Gewalt,
Und Lieb' und Weisheit heller scheinen,
Als da sie alle sich auf eine Art vereinen,
Die unbegreiflich ist. Es liegt zu gleicher Zeit
Hierin der Grund, woher ein solcher Unterscheid
Veränderung, Verschiedenheit,
Jn unsern Neigungen, Gedancken und Jdeen,
Woher so mancherley Bewegungen entstehen,
Da
Neu-Jahrs Gedichte.
Um ihre Sonnen ſich, in ſchoͤnſter Ordnung, drehn,
Von unterſchiednem Stoff gefuͤget und gemacht.
Vermuthlich hat dem Groſſen All gefallen,
Daß unſer’ Erd’ annoch, vor andern allen,
Zum Wunder dienen ſoll; da ſie hervorgebracht,
Sehr wunderbar gefuͤgt von wiederwaͤrtgen Dingen,
Von Theilen, welche duͤrr, von Theilen, welche feucht,
Von Theilen, welche ſchwer, von andern, welche leicht,
Von leidender und reger Eigenſchaft,
Von feuriger und traͤger Kraft,
Aus welchen ſtreitenden Partikeln, Erd’ und Fluth,
Und Luft und Gluth,
Und, aus denſelbigen, die Coͤrper all’ entſpringen,
So, trotz der wuͤrckenden Beſchaffenheit,
Der ſtreitenden Natur und ihrer Wiedrigkeit,
Die ſich in allen Theilen finden,
Dennoch beſtehn, dennoch ſich binden.
Hiedurch wird GOttes Majeſtaͤt,
Wenn unſer Geiſt dieß Wunder recht erweget,
Und, wie wir ſchuldig, uͤberleget,
Am wunderwuͤrdigſten erhoͤht.
Da, aus dem buͤndigen Zuſammenhalt
Sich gar nicht gleicher Theil’, ein ſolches herrlichs Gantz
Entſtehet und beſteht; ſo kann ja nie der Glantz
Von einer Goͤttlichen Gewalt,
Und Lieb’ und Weisheit heller ſcheinen,
Als da ſie alle ſich auf eine Art vereinen,
Die unbegreiflich iſt. Es liegt zu gleicher Zeit
Hierin der Grund, woher ein ſolcher Unterſcheid
Veraͤnderung, Verſchiedenheit,
Jn unſern Neigungen, Gedancken und Jdeen,
Woher ſo mancherley Bewegungen entſtehen,
Da
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[445/0461] Neu-Jahrs Gedichte. Um ihre Sonnen ſich, in ſchoͤnſter Ordnung, drehn, Von unterſchiednem Stoff gefuͤget und gemacht. Vermuthlich hat dem Groſſen All gefallen, Daß unſer’ Erd’ annoch, vor andern allen, Zum Wunder dienen ſoll; da ſie hervorgebracht, Sehr wunderbar gefuͤgt von wiederwaͤrtgen Dingen, Von Theilen, welche duͤrr, von Theilen, welche feucht, Von Theilen, welche ſchwer, von andern, welche leicht, Von leidender und reger Eigenſchaft, Von feuriger und traͤger Kraft, Aus welchen ſtreitenden Partikeln, Erd’ und Fluth, Und Luft und Gluth, Und, aus denſelbigen, die Coͤrper all’ entſpringen, So, trotz der wuͤrckenden Beſchaffenheit, Der ſtreitenden Natur und ihrer Wiedrigkeit, Die ſich in allen Theilen finden, Dennoch beſtehn, dennoch ſich binden. Hiedurch wird GOttes Majeſtaͤt, Wenn unſer Geiſt dieß Wunder recht erweget, Und, wie wir ſchuldig, uͤberleget, Am wunderwuͤrdigſten erhoͤht. Da, aus dem buͤndigen Zuſammenhalt Sich gar nicht gleicher Theil’, ein ſolches herrlichs Gantz Entſtehet und beſteht; ſo kann ja nie der Glantz Von einer Goͤttlichen Gewalt, Und Lieb’ und Weisheit heller ſcheinen, Als da ſie alle ſich auf eine Art vereinen, Die unbegreiflich iſt. Es liegt zu gleicher Zeit Hierin der Grund, woher ein ſolcher Unterſcheid Veraͤnderung, Verſchiedenheit, Jn unſern Neigungen, Gedancken und Jdeen, Woher ſo mancherley Bewegungen entſtehen, Da

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/461>, abgerufen am 14.06.2024.