Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Neu-Jahrs Gedichte. Zu denen er (o grosses Wunder!) ein neues Wunder noch gefügt: Die Stimm' und ihre Biegsamkeit, in welcher das Geheim- niß liegt, Des Geists Jdeen mitzutheilen, und, welches, wenn manns recht ermißt, So wol dem Sprecher, als dem Hörer, ein sehr nothwen- dig Werckzeug ist, Einander ihren Geist zu zeigen; und welches, um uns zu entdecken, Uns wunderbahrlich fähig macht, uns aus uns selber zu erstrecken, Und, weiter als wir sind, zu seyn. So, wie man schwimmend' Jnseln schaut; So scheinen unsre Cörper Jnseln, die auch beweglich sind, zu seyn. Sie haben ihre eignen Gräntzen, und die sind eigentlich die Haut, Dieselbe schrencket, wie es scheinet, die Seele selber in ihr ein; Nur durch die Rede geht sie weiter, und bindet sich, durch sie allein, Mit andern zur Geselligkeit. Da sie sonst, ohne Rede, leer Von allen förmlichen Begriffen, und, in Geschellschaft, einsam wär. Die Red' ist einer Flamme gleich, wodurch die Seelen sich bewegen, Sie ist ein gleichsam geistig Licht, durch dessen, nur gehör- ten, Schein, Der Sprecher und der Hörer Seelen gemeinschaftlich er- leuchtet seyn. Durch sie eröfnen sich die Geister, was sie verborgnes in sich hegen Und theilen sich einander mit ihr innerliches Ueberlegen. O
Neu-Jahrs Gedichte. Zu denen er (o groſſes Wunder!) ein neues Wunder noch gefuͤgt: Die Stimm’ und ihre Biegſamkeit, in welcher das Geheim- niß liegt, Des Geiſts Jdeen mitzutheilen, und, welches, wenn manns recht ermißt, So wol dem Sprecher, als dem Hoͤrer, ein ſehr nothwen- dig Werckzeug iſt, Einander ihren Geiſt zu zeigen; und welches, um uns zu entdecken, Uns wunderbahrlich faͤhig macht, uns aus uns ſelber zu erſtrecken, Und, weiter als wir ſind, zu ſeyn. So, wie man ſchwimmend’ Jnſeln ſchaut; So ſcheinen unſre Coͤrper Jnſeln, die auch beweglich ſind, zu ſeyn. Sie haben ihre eignen Graͤntzen, und die ſind eigentlich die Haut, Dieſelbe ſchrencket, wie es ſcheinet, die Seele ſelber in ihr ein; Nur durch die Rede geht ſie weiter, und bindet ſich, durch ſie allein, Mit andern zur Geſelligkeit. Da ſie ſonſt, ohne Rede, leer Von allen foͤrmlichen Begriffen, und, in Geſchellſchaft, einſam waͤr. Die Red’ iſt einer Flamme gleich, wodurch die Seelen ſich bewegen, Sie iſt ein gleichſam geiſtig Licht, durch deſſen, nur gehoͤr- ten, Schein, Der Sprecher und der Hoͤrer Seelen gemeinſchaftlich er- leuchtet ſeyn. Durch ſie eroͤfnen ſich die Geiſter, was ſie verborgnes in ſich hegen Und theilen ſich einander mit ihr innerliches Ueberlegen. O
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Neu-Jahrs Gedichte.
Zu denen er (o groſſes Wunder!) ein neues Wunder
noch gefuͤgt:
Die Stimm’ und ihre Biegſamkeit, in welcher das Geheim-
niß liegt,
Des Geiſts Jdeen mitzutheilen, und, welches, wenn manns
recht ermißt,
So wol dem Sprecher, als dem Hoͤrer, ein ſehr nothwen-
dig Werckzeug iſt,
Einander ihren Geiſt zu zeigen; und welches, um uns zu
entdecken,
Uns wunderbahrlich faͤhig macht, uns aus uns ſelber zu
erſtrecken,
Und, weiter als wir ſind, zu ſeyn. So, wie man ſchwimmend’
Jnſeln ſchaut;
So ſcheinen unſre Coͤrper Jnſeln, die auch beweglich ſind,
zu ſeyn.
Sie haben ihre eignen Graͤntzen, und die ſind eigentlich die
Haut,
Dieſelbe ſchrencket, wie es ſcheinet, die Seele ſelber in ihr
ein;
Nur durch die Rede geht ſie weiter, und bindet ſich, durch
ſie allein,
Mit andern zur Geſelligkeit. Da ſie ſonſt, ohne Rede,
leer
Von allen foͤrmlichen Begriffen, und, in Geſchellſchaft,
einſam waͤr.
Die Red’ iſt einer Flamme gleich, wodurch die Seelen ſich
bewegen,
Sie iſt ein gleichſam geiſtig Licht, durch deſſen, nur gehoͤr-
ten, Schein,
Der Sprecher und der Hoͤrer Seelen gemeinſchaftlich er-
leuchtet ſeyn.
Durch ſie eroͤfnen ſich die Geiſter, was ſie verborgnes in
ſich hegen
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