Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
Neu-Jahrs Gedichte.
Eine haben wir in uns, und ob wir sie eigentlich
Einen Sinn mit Recht nicht heissen, weil man überall nicht
findet,

Daß sie mit den äussern Dingen sich unmittelbar verbindet;
Gleicht sie doch den Sinnen sehr, und ich unterstehe mich,
Einen innerlichen Sinn sie, nicht ohne Grund zu nennen.
Jene wird man Sinnlichkeit sonder Zweifel heissen können,
Diese deucht mich, daß sie deutlich und nicht unverständlich
stecke

Jn dem Wort Reflexion. Sich Jdeen vorzustellen
Jm Verstande, welche nicht aus den zwo besagten Quellen
Jn ihn gleichsam eingeflossen, dieses, sag' ich, kömmet mir
Allerdings nicht wol begreiflich, noch der Wahrheit ähnlich,
für.

Diese beide Qvellen nun der Jdeen, die den Seelen
Von dem Schöpfer eingesencket, sind ja wol vor andern
wehrt,

Daß man, durch Betrachtungen ihres Wehrts, den Schöp-
fer ehrt,

Weil wir keine Menschen wären, sollten uns dieselben fehlen.
Es ist eine mit der andern wunderbar in uns verbunden.
Durch die eine sehen wir die uns sonst verborgne Spur
Der für uns erschaffenen Creatur und die Natur;
Durch die andre wird der Schöpfer in der Creatur ge-
funden.

Eine, wenn mans untersuchet, scheinet zwar auch bey den
Thieren,

Die, wie wir, auch Sinnen haben, zu vermercken und zu
spüren,

Doch die andre, da man öfters, aneinanderhängend,
denckt

Und vernünft'ge Bilder zeugt, ist den Menschen nur geschenckt.
Da
Neu-Jahrs Gedichte.
Eine haben wir in uns, und ob wir ſie eigentlich
Einen Sinn mit Recht nicht heiſſen, weil man uͤberall nicht
findet,

Daß ſie mit den aͤuſſern Dingen ſich unmittelbar verbindet;
Gleicht ſie doch den Sinnen ſehr, und ich unterſtehe mich,
Einen innerlichen Sinn ſie, nicht ohne Grund zu nennen.
Jene wird man Sinnlichkeit ſonder Zweifel heiſſen koͤnnen,
Dieſe deucht mich, daß ſie deutlich und nicht unverſtaͤndlich
ſtecke

Jn dem Wort Reflexion. Sich Jdeen vorzuſtellen
Jm Verſtande, welche nicht aus den zwo beſagten Quellen
Jn ihn gleichſam eingefloſſen, dieſes, ſag’ ich, koͤmmet mir
Allerdings nicht wol begreiflich, noch der Wahrheit aͤhnlich,
fuͤr.

Dieſe beide Qvellen nun der Jdeen, die den Seelen
Von dem Schoͤpfer eingeſencket, ſind ja wol vor andern
wehrt,

Daß man, durch Betrachtungen ihres Wehrts, den Schoͤp-
fer ehrt,

Weil wir keine Menſchen waͤren, ſollten uns dieſelben fehlen.
Es iſt eine mit der andern wunderbar in uns verbunden.
Durch die eine ſehen wir die uns ſonſt verborgne Spur
Der fuͤr uns erſchaffenen Creatur und die Natur;
Durch die andre wird der Schoͤpfer in der Creatur ge-
funden.

Eine, wenn mans unterſuchet, ſcheinet zwar auch bey den
Thieren,

Die, wie wir, auch Sinnen haben, zu vermercken und zu
ſpuͤren,

Doch die andre, da man oͤfters, aneinanderhaͤngend,
denckt

Und vernuͤnft’ge Bilder zeugt, iſt den Menſchen nur geſchenckt.
Da
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0509" n="493"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Neu-Jahrs Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="170">
            <l>Eine haben wir in uns, und ob wir &#x017F;ie eigentlich</l><lb/>
            <l>Einen Sinn mit Recht nicht hei&#x017F;&#x017F;en, weil man u&#x0364;berall nicht<lb/><hi rendition="#et">findet,</hi></l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;ie mit den a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern Dingen &#x017F;ich unmittelbar verbindet;</l><lb/>
            <l>Gleicht &#x017F;ie doch den Sinnen &#x017F;ehr, und ich unter&#x017F;tehe mich,</l><lb/>
            <l>Einen <hi rendition="#fr">innerlichen Sinn</hi> &#x017F;ie, nicht ohne Grund zu nennen.</l><lb/>
            <l>Jene wird man <hi rendition="#fr">Sinnlichkeit</hi> &#x017F;onder Zweifel hei&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnen,</l><lb/>
            <l>Die&#x017F;e deucht mich, daß &#x017F;ie deutlich und nicht unver&#x017F;ta&#x0364;ndlich<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tecke</hi></l><lb/>
            <l>Jn dem Wort <hi rendition="#fr">Reflexion.</hi> Sich Jdeen vorzu&#x017F;tellen</l><lb/>
            <l>Jm Ver&#x017F;tande, welche nicht aus den zwo be&#x017F;agten Quellen</l><lb/>
            <l>Jn ihn gleich&#x017F;am eingeflo&#x017F;&#x017F;en, die&#x017F;es, &#x017F;ag&#x2019; ich, ko&#x0364;mmet mir</l><lb/>
            <l>Allerdings nicht wol begreiflich, noch der Wahrheit a&#x0364;hnlich,<lb/><hi rendition="#et">fu&#x0364;r.</hi></l><lb/>
            <l>Die&#x017F;e beide Qvellen nun der Jdeen, die den Seelen</l><lb/>
            <l>Von dem Scho&#x0364;pfer einge&#x017F;encket, &#x017F;ind ja wol vor andern<lb/><hi rendition="#et">wehrt,</hi></l><lb/>
            <l>Daß man, durch Betrachtungen ihres Wehrts, den Scho&#x0364;p-<lb/><hi rendition="#et">fer ehrt,</hi></l><lb/>
            <l>Weil wir keine Men&#x017F;chen wa&#x0364;ren, &#x017F;ollten uns die&#x017F;elben fehlen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="171">
            <l>Es i&#x017F;t eine mit der andern wunderbar in uns verbunden.</l><lb/>
            <l>Durch die eine &#x017F;ehen wir die uns &#x017F;on&#x017F;t verborgne Spur</l><lb/>
            <l>Der fu&#x0364;r uns er&#x017F;chaffenen <hi rendition="#fr">Creatur</hi> und die Natur;</l><lb/>
            <l>Durch die andre wird der <hi rendition="#fr">Scho&#x0364;pfer</hi> in der Creatur ge-<lb/><hi rendition="#et">funden.</hi></l><lb/>
            <l>Eine, wenn mans unter&#x017F;uchet, &#x017F;cheinet zwar auch bey den<lb/><hi rendition="#et">Thieren,</hi></l><lb/>
            <l>Die, wie wir, auch Sinnen haben, zu vermercken und zu<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;pu&#x0364;ren,</hi></l><lb/>
            <l>Doch die andre, da man o&#x0364;fters, aneinanderha&#x0364;ngend,<lb/><hi rendition="#et">denckt</hi></l><lb/>
            <l>Und vernu&#x0364;nft&#x2019;ge Bilder zeugt, i&#x017F;t den Men&#x017F;chen nur ge&#x017F;chenckt.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Da</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[493/0509] Neu-Jahrs Gedichte. Eine haben wir in uns, und ob wir ſie eigentlich Einen Sinn mit Recht nicht heiſſen, weil man uͤberall nicht findet, Daß ſie mit den aͤuſſern Dingen ſich unmittelbar verbindet; Gleicht ſie doch den Sinnen ſehr, und ich unterſtehe mich, Einen innerlichen Sinn ſie, nicht ohne Grund zu nennen. Jene wird man Sinnlichkeit ſonder Zweifel heiſſen koͤnnen, Dieſe deucht mich, daß ſie deutlich und nicht unverſtaͤndlich ſtecke Jn dem Wort Reflexion. Sich Jdeen vorzuſtellen Jm Verſtande, welche nicht aus den zwo beſagten Quellen Jn ihn gleichſam eingefloſſen, dieſes, ſag’ ich, koͤmmet mir Allerdings nicht wol begreiflich, noch der Wahrheit aͤhnlich, fuͤr. Dieſe beide Qvellen nun der Jdeen, die den Seelen Von dem Schoͤpfer eingeſencket, ſind ja wol vor andern wehrt, Daß man, durch Betrachtungen ihres Wehrts, den Schoͤp- fer ehrt, Weil wir keine Menſchen waͤren, ſollten uns dieſelben fehlen. Es iſt eine mit der andern wunderbar in uns verbunden. Durch die eine ſehen wir die uns ſonſt verborgne Spur Der fuͤr uns erſchaffenen Creatur und die Natur; Durch die andre wird der Schoͤpfer in der Creatur ge- funden. Eine, wenn mans unterſuchet, ſcheinet zwar auch bey den Thieren, Die, wie wir, auch Sinnen haben, zu vermercken und zu ſpuͤren, Doch die andre, da man oͤfters, aneinanderhaͤngend, denckt Und vernuͤnft’ge Bilder zeugt, iſt den Menſchen nur geſchenckt. Da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/509
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/509>, abgerufen am 21.05.2024.