Wann es nun aber eben so wenig zu leugnen, daß das wundersame Gebäude der Welt ein Geschöpf sey, nicht allein einer all- mächtigen und weisen, sondern auch einer liebreichen Gottheit; wann es ferner nie- mand in Zweifel ziehet, sie sey zu Gottes Eh- re geschaffen; wann es endlich eben so un- leugbar, daß es eine der wesentlichsten Eigen- schaften unsrer Seelen sey, sich nach einem Vergnügen zu sehnen, und, dessen theilhaf- tig zu werden, sich begierig zu bestreben, ja man von dieser Eigenschaft zugeben muß, daß solche nicht anders, als eine von der Gott- heit selbst in sie gesenkte Fähigkeit, anzusehen: So ist es am unbegreiflichsten: Warum nicht mehrere Menschen sich vorlängst be- mühet, auch das, nach Beschaffenheit der Welt, in derselben so häufig sich mit befin- dende wesentliche Gute, ebenfalls heraus zu ziehen, es zusammen zufügen, und eine nicht weniger als jene nach dem Leben ge- malte Schilderey, zu Gottes Ehren, vorzustel- len; indem dadurch die menschlichen Seelen, Gottes Allmacht, Weisheit und Liebe, zu be-
wun-
Vorrede.
Wann es nun aber eben ſo wenig zu leugnen, daß das wunderſame Gebaͤude der Welt ein Geſchoͤpf ſey, nicht allein einer all- maͤchtigen und weiſen, ſondern auch einer liebreichen Gottheit; wann es ferner nie- mand in Zweifel ziehet, ſie ſey zu Gottes Eh- re geſchaffen; wann es endlich eben ſo un- leugbar, daß es eine der weſentlichſten Eigen- ſchaften unſrer Seelen ſey, ſich nach einem Vergnuͤgen zu ſehnen, und, deſſen theilhaf- tig zu werden, ſich begierig zu beſtreben, ja man von dieſer Eigenſchaft zugeben muß, daß ſolche nicht anders, als eine von der Gott- heit ſelbſt in ſie geſenkte Faͤhigkeit, anzuſehen: So iſt es am unbegreiflichſten: Warum nicht mehrere Menſchen ſich vorlaͤngſt be- muͤhet, auch das, nach Beſchaffenheit der Welt, in derſelben ſo haͤufig ſich mit befin- dende weſentliche Gute, ebenfalls heraus zu ziehen, es zuſammen zufuͤgen, und eine nicht weniger als jene nach dem Leben ge- malte Schilderey, zu Gottes Ehren, vorzuſtel- len; indem dadurch die menſchlichen Seelen, Gottes Allmacht, Weisheit und Liebe, zu be-
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[0015]
Vorrede.
Wann es nun aber eben ſo wenig zu
leugnen, daß das wunderſame Gebaͤude der
Welt ein Geſchoͤpf ſey, nicht allein einer all-
maͤchtigen und weiſen, ſondern auch einer
liebreichen Gottheit; wann es ferner nie-
mand in Zweifel ziehet, ſie ſey zu Gottes Eh-
re geſchaffen; wann es endlich eben ſo un-
leugbar, daß es eine der weſentlichſten Eigen-
ſchaften unſrer Seelen ſey, ſich nach einem
Vergnuͤgen zu ſehnen, und, deſſen theilhaf-
tig zu werden, ſich begierig zu beſtreben, ja
man von dieſer Eigenſchaft zugeben muß,
daß ſolche nicht anders, als eine von der Gott-
heit ſelbſt in ſie geſenkte Faͤhigkeit, anzuſehen:
So iſt es am unbegreiflichſten: Warum
nicht mehrere Menſchen ſich vorlaͤngſt be-
muͤhet, auch das, nach Beſchaffenheit der
Welt, in derſelben ſo haͤufig ſich mit befin-
dende weſentliche Gute, ebenfalls heraus zu
ziehen, es zuſammen zufuͤgen, und eine
nicht weniger als jene nach dem Leben ge-
malte Schilderey, zu Gottes Ehren, vorzuſtel-
len; indem dadurch die menſchlichen Seelen,
Gottes Allmacht, Weisheit und Liebe, zu be-
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/15>, abgerufen am 21.11.2024.
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