Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Hirsche.
No. 7.
Sah man, von bejahrten Stämmen, und von Blättern, die
Figur

Je natürlicher gebildet? eine thierische Natur,
Gleichsam lebend, bloß in Strichen? Nein, vom Thier - und
Pflanzen-Reich,

Sah man nimmer die Copie, dem Original so gleich.
Jn dem Aug, in allen Sehnen, ja in Muskeln, durch die
Haut,

Wird an diesem Hirsch, wie sanft ihm das Streifen thut, ge-
schaut.

Ja, es zeiget überall die so künstliche Copie,
Jn nur schwarzen Linien, Farben, Haltung, Harmonie.
Wie das Urbild so vortrefflich, wie die Welt so wunderschön,
Davon kann man hier, im Abdruck, einen schönen Schatten
sehn.

Ja noch mehr, in wahren Wäldern, wie es mir zum öftern
schien,

Scheint der grüne Schatten schwarz, hier der schwarze Schat-
ten grün;

Ja es scheint dieß edle Thier, nicht zu stehn, nein, sich zu regen,
Und die Blätter an den Zweigen, durchs Gehörn, sich zu be-
wegen.
No. 8.
Jm verwachsenen Gefilde, zwischen dick - bebüschten Hügeln,
Jm mit Schilf bekränzten Bach, der im Widerschein stets grün,
Durch der grünen Blätter Schatten, in polirter Klarheit
schien,

Sieht man hier den edlen Hirsch weiden, und zugleich sich
spiegeln.

Jn
Die Hirſche.
No. 7.
Sah man, von bejahrten Staͤmmen, und von Blaͤttern, die
Figur

Je natuͤrlicher gebildet? eine thieriſche Natur,
Gleichſam lebend, bloß in Strichen? Nein, vom Thier - und
Pflanzen-Reich,

Sah man nimmer die Copie, dem Original ſo gleich.
Jn dem Aug, in allen Sehnen, ja in Muskeln, durch die
Haut,

Wird an dieſem Hirſch, wie ſanft ihm das Streifen thut, ge-
ſchaut.

Ja, es zeiget uͤberall die ſo kuͤnſtliche Copie,
Jn nur ſchwarzen Linien, Farben, Haltung, Harmonie.
Wie das Urbild ſo vortrefflich, wie die Welt ſo wunderſchoͤn,
Davon kann man hier, im Abdruck, einen ſchoͤnen Schatten
ſehn.

Ja noch mehr, in wahren Waͤldern, wie es mir zum oͤftern
ſchien,

Scheint der gruͤne Schatten ſchwarz, hier der ſchwarze Schat-
ten gruͤn;

Ja es ſcheint dieß edle Thier, nicht zu ſtehn, nein, ſich zu regen,
Und die Blaͤtter an den Zweigen, durchs Gehoͤrn, ſich zu be-
wegen.
No. 8.
Jm verwachſenen Gefilde, zwiſchen dick - bebuͤſchten Huͤgeln,
Jm mit Schilf bekraͤnzten Bach, der im Widerſchein ſtets gruͤn,
Durch der gruͤnen Blaͤtter Schatten, in polirter Klarheit
ſchien,

Sieht man hier den edlen Hirſch weiden, und zugleich ſich
ſpiegeln.

Jn
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0245" n="221"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Die Hir&#x017F;che.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#aq">No.</hi> 7.</head><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">S</hi>ah man, von bejahrten Sta&#x0364;mmen, und von Bla&#x0364;ttern, die<lb/><hi rendition="#et">Figur</hi></l><lb/>
              <l>Je natu&#x0364;rlicher gebildet? eine thieri&#x017F;che Natur,</l><lb/>
              <l>Gleich&#x017F;am lebend, bloß in Strichen? Nein, vom Thier - und<lb/><hi rendition="#et">Pflanzen-Reich,</hi></l><lb/>
              <l>Sah man nimmer die Copie, dem Original &#x017F;o gleich.</l><lb/>
              <l>Jn dem Aug, in allen Sehnen, ja in Muskeln, durch die<lb/><hi rendition="#et">Haut,</hi></l><lb/>
              <l>Wird an die&#x017F;em Hir&#x017F;ch, wie &#x017F;anft ihm das Streifen thut, ge-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chaut.</hi></l><lb/>
              <l>Ja, es zeiget u&#x0364;berall die &#x017F;o ku&#x0364;n&#x017F;tliche Copie,</l><lb/>
              <l>Jn nur &#x017F;chwarzen Linien, Farben, Haltung, Harmonie.</l><lb/>
              <l>Wie das Urbild &#x017F;o vortrefflich, wie die Welt &#x017F;o wunder&#x017F;cho&#x0364;n,</l><lb/>
              <l>Davon kann man hier, im Abdruck, einen &#x017F;cho&#x0364;nen Schatten<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ehn.</hi></l><lb/>
              <l>Ja noch mehr, in wahren Wa&#x0364;ldern, wie es mir zum o&#x0364;ftern<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chien,</hi></l><lb/>
              <l>Scheint der gru&#x0364;ne Schatten &#x017F;chwarz, hier der &#x017F;chwarze Schat-<lb/><hi rendition="#et">ten gru&#x0364;n;</hi></l><lb/>
              <l>Ja es &#x017F;cheint dieß edle Thier, nicht zu &#x017F;tehn, nein, &#x017F;ich zu regen,</l><lb/>
              <l>Und die Bla&#x0364;tter an den Zweigen, durchs Geho&#x0364;rn, &#x017F;ich zu be-<lb/><hi rendition="#et">wegen.</hi></l>
            </lg>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#aq">No.</hi> 8.</head><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">J</hi>m verwach&#x017F;enen Gefilde, zwi&#x017F;chen dick - bebu&#x0364;&#x017F;chten Hu&#x0364;geln,</l><lb/>
              <l>Jm mit Schilf bekra&#x0364;nzten Bach, der im Wider&#x017F;chein &#x017F;tets gru&#x0364;n,</l><lb/>
              <l>Durch der gru&#x0364;nen Bla&#x0364;tter Schatten, in polirter Klarheit<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chien,</hi></l><lb/>
              <l>Sieht man hier den edlen Hir&#x017F;ch weiden, und zugleich &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;piegeln.</hi></l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Jn</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0245] Die Hirſche. No. 7. Sah man, von bejahrten Staͤmmen, und von Blaͤttern, die Figur Je natuͤrlicher gebildet? eine thieriſche Natur, Gleichſam lebend, bloß in Strichen? Nein, vom Thier - und Pflanzen-Reich, Sah man nimmer die Copie, dem Original ſo gleich. Jn dem Aug, in allen Sehnen, ja in Muskeln, durch die Haut, Wird an dieſem Hirſch, wie ſanft ihm das Streifen thut, ge- ſchaut. Ja, es zeiget uͤberall die ſo kuͤnſtliche Copie, Jn nur ſchwarzen Linien, Farben, Haltung, Harmonie. Wie das Urbild ſo vortrefflich, wie die Welt ſo wunderſchoͤn, Davon kann man hier, im Abdruck, einen ſchoͤnen Schatten ſehn. Ja noch mehr, in wahren Waͤldern, wie es mir zum oͤftern ſchien, Scheint der gruͤne Schatten ſchwarz, hier der ſchwarze Schat- ten gruͤn; Ja es ſcheint dieß edle Thier, nicht zu ſtehn, nein, ſich zu regen, Und die Blaͤtter an den Zweigen, durchs Gehoͤrn, ſich zu be- wegen. No. 8. Jm verwachſenen Gefilde, zwiſchen dick - bebuͤſchten Huͤgeln, Jm mit Schilf bekraͤnzten Bach, der im Widerſchein ſtets gruͤn, Durch der gruͤnen Blaͤtter Schatten, in polirter Klarheit ſchien, Sieht man hier den edlen Hirſch weiden, und zugleich ſich ſpiegeln. Jn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/245
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/245>, abgerufen am 23.11.2024.