Jn einem rauhen Fichten-Wald, der sehr verwildert ist, doch schön, Seh ich hier einen edlen Hirsch, so, wie es scheint, voll Unmuth stehn. Er scharrt begierig in den Sand, ich hör ihn fast für Eifer schnaufen; Sein scharf Geweih durchfährt und stört den ihm gesunden Ameishaufen. Man kann, in seinem strengen Blick, so gar die Leidenschaften sehn. Erwege, der du dieses siehest, wie weit die Wissenschaften gehn, Wie sich die Kunst so fern erstrecket! So wie, durch schwarze Dinte, man Unsichtbare Gedanken bilden, und Geister fast verkörpern kann, Das ja gewiß ein Wunder ist: So stellt, durch schwarze Far- be, hier, Des Künstlers Hand, auf diesem Blatt, die Körper fast be- geistert für. Mit wie viel Fähigkeiten nun, und Kräften unsrer Geister Wesen Von einem höhern Geist begabt, giebt diese Bilder - Schrift zu lesen, Man kann sich, wenn wir dieß Pappier, als der Natur Copie, beschauen, Des Urbilds Schöpfer selbst zum Ruhm, daran ergetzen und erbauen.
No. 11.
Mit ergetzendem Erstaunen, mit bewunderndem Vergnügen, Sieht man hier den stolzen Hirsch, gleichsam majestätisch, liegen.
Jch
Die Hirſche.
No. 10.
Jn einem rauhen Fichten-Wald, der ſehr verwildert iſt, doch ſchoͤn, Seh ich hier einen edlen Hirſch, ſo, wie es ſcheint, voll Unmuth ſtehn. Er ſcharrt begierig in den Sand, ich hoͤr ihn faſt fuͤr Eifer ſchnaufen; Sein ſcharf Geweih durchfaͤhrt und ſtoͤrt den ihm geſunden Ameishaufen. Man kann, in ſeinem ſtrengen Blick, ſo gar die Leidenſchaften ſehn. Erwege, der du dieſes ſieheſt, wie weit die Wiſſenſchaften gehn, Wie ſich die Kunſt ſo fern erſtrecket! So wie, durch ſchwarze Dinte, man Unſichtbare Gedanken bilden, und Geiſter faſt verkoͤrpern kann, Das ja gewiß ein Wunder iſt: So ſtellt, durch ſchwarze Far- be, hier, Des Kuͤnſtlers Hand, auf dieſem Blatt, die Koͤrper faſt be- geiſtert fuͤr. Mit wie viel Faͤhigkeiten nun, und Kraͤften unſrer Geiſter Weſen Von einem hoͤhern Geiſt begabt, giebt dieſe Bilder - Schrift zu leſen, Man kann ſich, wenn wir dieß Pappier, als der Natur Copie, beſchauen, Des Urbilds Schoͤpfer ſelbſt zum Ruhm, daran ergetzen und erbauen.
No. 11.
Mit ergetzendem Erſtaunen, mit bewunderndem Vergnuͤgen, Sieht man hier den ſtolzen Hirſch, gleichſam majeſtaͤtiſch, liegen.
Jch
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Die Hirſche.
No. 10.
Jn einem rauhen Fichten-Wald, der ſehr verwildert iſt, doch
ſchoͤn,
Seh ich hier einen edlen Hirſch, ſo, wie es ſcheint, voll Unmuth
ſtehn.
Er ſcharrt begierig in den Sand, ich hoͤr ihn faſt fuͤr Eifer
ſchnaufen;
Sein ſcharf Geweih durchfaͤhrt und ſtoͤrt den ihm geſunden
Ameishaufen.
Man kann, in ſeinem ſtrengen Blick, ſo gar die Leidenſchaften
ſehn.
Erwege, der du dieſes ſieheſt, wie weit die Wiſſenſchaften gehn,
Wie ſich die Kunſt ſo fern erſtrecket! So wie, durch ſchwarze
Dinte, man
Unſichtbare Gedanken bilden, und Geiſter faſt verkoͤrpern kann,
Das ja gewiß ein Wunder iſt: So ſtellt, durch ſchwarze Far-
be, hier,
Des Kuͤnſtlers Hand, auf dieſem Blatt, die Koͤrper faſt be-
geiſtert fuͤr.
Mit wie viel Faͤhigkeiten nun, und Kraͤften unſrer Geiſter
Weſen
Von einem hoͤhern Geiſt begabt, giebt dieſe Bilder - Schrift
zu leſen,
Man kann ſich, wenn wir dieß Pappier, als der Natur Copie,
beſchauen,
Des Urbilds Schoͤpfer ſelbſt zum Ruhm, daran ergetzen und
erbauen.
No. 11.
Mit ergetzendem Erſtaunen, mit bewunderndem Vergnuͤgen,
Sieht man hier den ſtolzen Hirſch, gleichſam majeſtaͤtiſch, liegen.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/247>, abgerufen am 23.11.2024.
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