Jch stutzt hierüber, und mit Recht, daß so viel Menschen nicht verspüren, Wie, durch den Geist und seiner Trennung, sie sich, die Welt, ja Gott verlieren.
Es hat ja wohl durch Adams Fall, wovon wir in der Bi- bel lesen, Kein größer Unglück auf der Welt den Menschen überkommen können, Als da, bey unsers Schöpfers Werken, in uns sich Seel und Sinnen trennen, Die ehedem, im Paradiese, unstreitig sind vereint gewesen, Wodurch so viele tausend Sprossen, in unsrer Lust zu Gott zu steigen, Auf aller Creaturen Leiter, sich unserm Geiste nicht mehr zeigen, Wofern wir, durch ein neu Betragen, nicht auch ein neues Mit- tel finden, Die Leiter wieder zu ergänzen; und Geist und Sinnen zu ver- binden.
Wozu ist uns der Sinnen Werkzeug, wozu ist uns der Geist gegeben? Zu welchem Zweck sind sie vereint? in welcher Absicht ist die Welt So wunderwürdig? wir in sie gesetzt, und sie uns vorgestellt, Als daß wir sie geniessen sollen, und, im Geniessen, Gott er- heben?
Nun aber kann von beyden keins, wenn Sinn und Geist getrennt, geschehn. Wir können, ohne Denken, nicht empfinden, auch nicht Gott erhöhn. Die Sinnen, sonder Geist, sind todt; kein Ohr vernimmt, kein Auge sieht,
Wenn
Br.VI.Th. S
Sinnen-Schule.
Jch ſtutzt hieruͤber, und mit Recht, daß ſo viel Menſchen nicht verſpuͤren, Wie, durch den Geiſt und ſeiner Trennung, ſie ſich, die Welt, ja Gott verlieren.
Es hat ja wohl durch Adams Fall, wovon wir in der Bi- bel leſen, Kein groͤßer Ungluͤck auf der Welt den Menſchen uͤberkommen koͤnnen, Als da, bey unſers Schoͤpfers Werken, in uns ſich Seel und Sinnen trennen, Die ehedem, im Paradieſe, unſtreitig ſind vereint geweſen, Wodurch ſo viele tauſend Sproſſen, in unſrer Luſt zu Gott zu ſteigen, Auf aller Creaturen Leiter, ſich unſerm Geiſte nicht mehr zeigen, Wofern wir, durch ein neu Betragen, nicht auch ein neues Mit- tel finden, Die Leiter wieder zu ergaͤnzen; und Geiſt und Sinnen zu ver- binden.
Wozu iſt uns der Sinnen Werkzeug, wozu iſt uns der Geiſt gegeben? Zu welchem Zweck ſind ſie vereint? in welcher Abſicht iſt die Welt So wunderwuͤrdig? wir in ſie geſetzt, und ſie uns vorgeſtellt, Als daß wir ſie genieſſen ſollen, und, im Genieſſen, Gott er- heben?
Nun aber kann von beyden keins, wenn Sinn und Geiſt getrennt, geſchehn. Wir koͤnnen, ohne Denken, nicht empfinden, auch nicht Gott erhoͤhn. Die Sinnen, ſonder Geiſt, ſind todt; kein Ohr vernimmt, kein Auge ſieht,
Wenn
Br.VI.Th. S
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Sinnen-Schule.
Jch ſtutzt hieruͤber, und mit Recht, daß ſo viel Menſchen nicht
verſpuͤren,
Wie, durch den Geiſt und ſeiner Trennung, ſie ſich, die Welt, ja
Gott verlieren.
Es hat ja wohl durch Adams Fall, wovon wir in der Bi-
bel leſen,
Kein groͤßer Ungluͤck auf der Welt den Menſchen uͤberkommen
koͤnnen,
Als da, bey unſers Schoͤpfers Werken, in uns ſich Seel und
Sinnen trennen,
Die ehedem, im Paradieſe, unſtreitig ſind vereint geweſen,
Wodurch ſo viele tauſend Sproſſen, in unſrer Luſt zu Gott
zu ſteigen,
Auf aller Creaturen Leiter, ſich unſerm Geiſte nicht mehr zeigen,
Wofern wir, durch ein neu Betragen, nicht auch ein neues Mit-
tel finden,
Die Leiter wieder zu ergaͤnzen; und Geiſt und Sinnen zu ver-
binden.
Wozu iſt uns der Sinnen Werkzeug, wozu iſt uns der Geiſt
gegeben?
Zu welchem Zweck ſind ſie vereint? in welcher Abſicht iſt die
Welt
So wunderwuͤrdig? wir in ſie geſetzt, und ſie uns vorgeſtellt,
Als daß wir ſie genieſſen ſollen, und, im Genieſſen, Gott er-
heben?
Nun aber kann von beyden keins, wenn Sinn und Geiſt
getrennt, geſchehn.
Wir koͤnnen, ohne Denken, nicht empfinden, auch nicht Gott
erhoͤhn.
Die Sinnen, ſonder Geiſt, ſind todt; kein Ohr vernimmt, kein
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/297>, abgerufen am 22.11.2024.
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