Denn, kann man gleich von Körpern nicht auf eines Geistes Zeugung schliessen: So scheint doch aus der Schöpfung selber, der Mensch sey Gottes Bild, zu fliessen. Wie diese nun, um sich zu zeugen, nothwendig zweyerley Geschlecht, Nach Gottes Ordnung, brauchen müssen: So deucht es ihnen gleichfalls recht, Den Wirkenden aus den Gewirkten am sichersten sich vorzustellen, Und würde dieß, nach ihrer Meynung, ja noch viel deutlicher erhellen. Wann sie der Christen Redensarten von der Natur noch soll- ten hören: Sie müßten die Natur noch mehr, gereizt durch ihr Exempel, ehren.
(B.)
So weit geht meine Meynung nicht. Nur ist mir dieses ärgerlich, Daß, da wir sonst auf Gottes Werken nur gar zu selten un- ser Denken, Und in demselben die Betrachtung noch minder auf den Mei- ster lenken, Man, wenn es einmal noch geschicht, durchs Wort Natur so eilend sich Vom Schöpfer unbedachtsam zieht; und wenn man einmal noch gerühret, Von Gottes wunderbaren Werken, und ihre Pracht gezwungen spüret, Man meynt, genug gethan zu haben, wenn man mit kurzen Worten nur, (Vom Schöpfer nicht) wenns hoch kömmt, spricht: Wie wunderbar ist die Natur!
Die
U 5
Misbrauch des Worts Natur.
Denn, kann man gleich von Koͤrpern nicht auf eines Geiſtes Zeugung ſchlieſſen: So ſcheint doch aus der Schoͤpfung ſelber, der Menſch ſey Gottes Bild, zu flieſſen. Wie dieſe nun, um ſich zu zeugen, nothwendig zweyerley Geſchlecht, Nach Gottes Ordnung, brauchen muͤſſen: So deucht es ihnen gleichfalls recht, Den Wirkenden aus den Gewirkten am ſicherſten ſich vorzuſtellen, Und wuͤrde dieß, nach ihrer Meynung, ja noch viel deutlicher erhellen. Wann ſie der Chriſten Redensarten von der Natur noch ſoll- ten hoͤren: Sie muͤßten die Natur noch mehr, gereizt durch ihr Exempel, ehren.
(B.)
So weit geht meine Meynung nicht. Nur iſt mir dieſes aͤrgerlich, Daß, da wir ſonſt auf Gottes Werken nur gar zu ſelten un- ſer Denken, Und in demſelben die Betrachtung noch minder auf den Mei- ſter lenken, Man, wenn es einmal noch geſchicht, durchs Wort Natur ſo eilend ſich Vom Schoͤpfer unbedachtſam zieht; und wenn man einmal noch geruͤhret, Von Gottes wunderbaren Werken, und ihre Pracht gezwungen ſpuͤret, Man meynt, genug gethan zu haben, wenn man mit kurzen Worten nur, (Vom Schoͤpfer nicht) wenns hoch koͤmmt, ſpricht: Wie wunderbar iſt die Natur!
Die
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Misbrauch des Worts Natur.
Denn, kann man gleich von Koͤrpern nicht auf eines Geiſtes
Zeugung ſchlieſſen:
So ſcheint doch aus der Schoͤpfung ſelber, der Menſch ſey
Gottes Bild, zu flieſſen.
Wie dieſe nun, um ſich zu zeugen, nothwendig zweyerley Geſchlecht,
Nach Gottes Ordnung, brauchen muͤſſen: So deucht es ihnen
gleichfalls recht,
Den Wirkenden aus den Gewirkten am ſicherſten ſich vorzuſtellen,
Und wuͤrde dieß, nach ihrer Meynung, ja noch viel deutlicher
erhellen.
Wann ſie der Chriſten Redensarten von der Natur noch ſoll-
ten hoͤren:
Sie muͤßten die Natur noch mehr, gereizt durch ihr Exempel,
ehren.
(B.)
So weit geht meine Meynung nicht. Nur iſt mir dieſes
aͤrgerlich,
Daß, da wir ſonſt auf Gottes Werken nur gar zu ſelten un-
ſer Denken,
Und in demſelben die Betrachtung noch minder auf den Mei-
ſter lenken,
Man, wenn es einmal noch geſchicht, durchs Wort Natur ſo
eilend ſich
Vom Schoͤpfer unbedachtſam zieht; und wenn man einmal
noch geruͤhret,
Von Gottes wunderbaren Werken, und ihre Pracht gezwungen
ſpuͤret,
Man meynt, genug gethan zu haben, wenn man mit kurzen
Worten nur,
(Vom Schoͤpfer nicht) wenns hoch koͤmmt, ſpricht: Wie
wunderbar iſt die Natur!
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/337>, abgerufen am 24.11.2024.
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