Zu einer nicht gemeinen Ehre, er sucht was sonderlichs zu seyn. Mit andern was gemein zu haben, ist ihm zu niedrig, zu ge- mein. Wenn aber er erwegen möchte, daß er verkehrte Wege wählet, Und daß er die gesuchte Ehre, auf diese Weise, ganz verliehrt, Da er, wenn er es recht erwegt, daß Schande, Schimpf und Haß ihn quälet, Ja daß er recht verabscheut wird, von allen Menschen fast, verspürt, So aus der Sache selber fließet. Wie kann ich doch mit Recht begehren, Es soll mich jemand lieben, schätzen, und mehr, als alle Men- schen, ehren, Den ich vor einen Narren halt, und der es weis, daß ich es thu? Es kömmt zu dieser unverschämten und stolzen Furcht, noch dieß hinzu, Daß, da zur menschlichen Gesellschaft, und der dazu gehöri- gen Pflicht, Versprechen, Bund und Treu zu halten, gewiß ein Atheiste nicht Geschickt noch jemals fähig ist, durch ihrer Furcht verwegne Schlüsse, Man sie, an statt sie zu verehren, nur vor Betrieger halten müsse.
Wann kein Verstand nun, bloß die Furcht, die armen Atheisten macht: So ist von eurer stolzen Furcht, auch hierin unser Schluß gegründet, Daß hier so wohl, als auch dereinst, ihr Ehre sucht und Schan- de findet. Nicht minder, daß es klar und wahr, wie wir es oben schon ge- dacht: Daß kein Verstand, kein Grund, kein Recht, die Furcht nur Atheisten macht.
Der
Der Atheiſt.
Zu einer nicht gemeinen Ehre, er ſucht was ſonderlichs zu ſeyn. Mit andern was gemein zu haben, iſt ihm zu niedrig, zu ge- mein. Wenn aber er erwegen moͤchte, daß er verkehrte Wege waͤhlet, Und daß er die geſuchte Ehre, auf dieſe Weiſe, ganz verliehrt, Da er, wenn er es recht erwegt, daß Schande, Schimpf und Haß ihn quaͤlet, Ja daß er recht verabſcheut wird, von allen Menſchen faſt, verſpuͤrt, So aus der Sache ſelber fließet. Wie kann ich doch mit Recht begehren, Es ſoll mich jemand lieben, ſchaͤtzen, und mehr, als alle Men- ſchen, ehren, Den ich vor einen Narren halt, und der es weis, daß ich es thu? Es koͤmmt zu dieſer unverſchaͤmten und ſtolzen Furcht, noch dieß hinzu, Daß, da zur menſchlichen Geſellſchaft, und der dazu gehoͤri- gen Pflicht, Verſprechen, Bund und Treu zu halten, gewiß ein Atheiſte nicht Geſchickt noch jemals faͤhig iſt, durch ihrer Furcht verwegne Schluͤſſe, Man ſie, an ſtatt ſie zu verehren, nur vor Betrieger halten muͤſſe.
Wann kein Verſtand nun, bloß die Furcht, die armen Atheiſten macht: So iſt von eurer ſtolzen Furcht, auch hierin unſer Schluß gegruͤndet, Daß hier ſo wohl, als auch dereinſt, ihr Ehre ſucht und Schan- de findet. Nicht minder, daß es klar und wahr, wie wir es oben ſchon ge- dacht: Daß kein Verſtand, kein Grund, kein Recht, die Furcht nur Atheiſten macht.
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Der Atheiſt.
Zu einer nicht gemeinen Ehre, er ſucht was ſonderlichs zu ſeyn.
Mit andern was gemein zu haben, iſt ihm zu niedrig, zu ge-
mein.
Wenn aber er erwegen moͤchte, daß er verkehrte Wege waͤhlet,
Und daß er die geſuchte Ehre, auf dieſe Weiſe, ganz verliehrt,
Da er, wenn er es recht erwegt, daß Schande, Schimpf
und Haß ihn quaͤlet,
Ja daß er recht verabſcheut wird, von allen Menſchen faſt,
verſpuͤrt,
So aus der Sache ſelber fließet. Wie kann ich doch mit
Recht begehren,
Es ſoll mich jemand lieben, ſchaͤtzen, und mehr, als alle Men-
ſchen, ehren,
Den ich vor einen Narren halt, und der es weis, daß ich es thu?
Es koͤmmt zu dieſer unverſchaͤmten und ſtolzen Furcht, noch
dieß hinzu,
Daß, da zur menſchlichen Geſellſchaft, und der dazu gehoͤri-
gen Pflicht,
Verſprechen, Bund und Treu zu halten, gewiß ein Atheiſte nicht
Geſchickt noch jemals faͤhig iſt, durch ihrer Furcht verwegne
Schluͤſſe,
Man ſie, an ſtatt ſie zu verehren, nur vor Betrieger halten muͤſſe.
Wann kein Verſtand nun, bloß die Furcht, die armen
Atheiſten macht:
So iſt von eurer ſtolzen Furcht, auch hierin unſer Schluß
gegruͤndet,
Daß hier ſo wohl, als auch dereinſt, ihr Ehre ſucht und Schan-
de findet.
Nicht minder, daß es klar und wahr, wie wir es oben ſchon ge-
dacht:
Daß kein Verſtand, kein Grund, kein Recht, die Furcht nur
Atheiſten macht.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/400>, abgerufen am 22.11.2024.
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