So oft wir in der Bibel lesen, Daß Gott, im Busch, mit Mose sprach: So scheints, denkt man nicht weiter nach, Ob wäre Gott dort ganz gewesen. Wie von dem Bilde, ja von einem alten Mann, Man wohl nichts bessers denken kann. Allein: Wie trieget uns ein solcher Schein! Der Millionen Sonn- und Erden, Der aller Himmel Himmel füllt, Kann durch ein solches winzigs Bild, Mit Recht nicht abgebildet werden, Jm Busch nicht eingeschlossen seyn. Mit solchen schmälernden Jdeen, Die große Gottheit anzusehn, Und was allgegenwärtig, sich, So eng begränzet, vorzustellen, Jst sträflich, läch- und lästerlich. Man kann kein ander Urtheil fällen, Wenn wir, mit dem Begriff, es lesen, Als daß die große Gottheit da, Wie Moses ihn im Busche sah, Nur bloß allein in Asia, Und in Europa nicht, gewesen. Du sprichst: Wer wird doch so gedenken? Jch sprech: Ein jeder, dem das Bild, Vom alten Mann, sein Hirn erfüllt, Wird Gott im Busche ganz verschrenken. Man muß dahero, Gott zu ehren, Die Stelle mit Vernunft erklären.
Süs-
Noͤthige Erklaͤrung.
Noͤthige Erklaͤrung.
So oft wir in der Bibel leſen, Daß Gott, im Buſch, mit Moſe ſprach: So ſcheints, denkt man nicht weiter nach, Ob waͤre Gott dort ganz geweſen. Wie von dem Bilde, ja von einem alten Mann, Man wohl nichts beſſers denken kann. Allein: Wie trieget uns ein ſolcher Schein! Der Millionen Sonn- und Erden, Der aller Himmel Himmel fuͤllt, Kann durch ein ſolches winzigs Bild, Mit Recht nicht abgebildet werden, Jm Buſch nicht eingeſchloſſen ſeyn. Mit ſolchen ſchmaͤlernden Jdeen, Die große Gottheit anzuſehn, Und was allgegenwaͤrtig, ſich, So eng begraͤnzet, vorzuſtellen, Jſt ſtraͤflich, laͤch- und laͤſterlich. Man kann kein ander Urtheil faͤllen, Wenn wir, mit dem Begriff, es leſen, Als daß die große Gottheit da, Wie Moſes ihn im Buſche ſah, Nur bloß allein in Aſia, Und in Europa nicht, geweſen. Du ſprichſt: Wer wird doch ſo gedenken? Jch ſprech: Ein jeder, dem das Bild, Vom alten Mann, ſein Hirn erfuͤllt, Wird Gott im Buſche ganz verſchrenken. Man muß dahero, Gott zu ehren, Die Stelle mit Vernunft erklaͤren.
Suͤſ-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0414"n="390"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Noͤthige Erklaͤrung.</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Noͤthige Erklaͤrung.</hi></head><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#in">S</hi>o oft wir in der Bibel leſen,</l><lb/><l>Daß Gott, im Buſch, mit Moſe ſprach:</l><lb/><l>So ſcheints, denkt man nicht weiter nach,</l><lb/><l>Ob waͤre Gott dort ganz geweſen.</l><lb/><l>Wie von dem Bilde, ja von einem alten Mann,</l><lb/><l>Man wohl nichts beſſers denken kann.</l><lb/><l>Allein:</l><lb/><l>Wie trieget uns ein ſolcher Schein!</l><lb/><l>Der Millionen Sonn- und Erden,</l><lb/><l>Der aller Himmel Himmel fuͤllt,</l><lb/><l>Kann durch ein ſolches winzigs Bild,</l><lb/><l>Mit Recht nicht abgebildet werden,</l><lb/><l>Jm Buſch nicht eingeſchloſſen ſeyn.</l><lb/><l>Mit ſolchen ſchmaͤlernden Jdeen,</l><lb/><l>Die große Gottheit anzuſehn,</l><lb/><l>Und was allgegenwaͤrtig, ſich,</l><lb/><l>So eng begraͤnzet, vorzuſtellen,</l><lb/><l>Jſt ſtraͤflich, laͤch- und laͤſterlich.</l><lb/><l>Man kann kein ander Urtheil faͤllen,</l><lb/><l>Wenn wir, mit dem Begriff, es leſen,</l><lb/><l>Als daß die große Gottheit da,</l><lb/><l>Wie Moſes ihn im Buſche ſah,</l><lb/><l>Nur bloß allein in Aſia,</l><lb/><l>Und in Europa nicht, geweſen.</l><lb/><l>Du ſprichſt: Wer wird doch ſo gedenken?</l><lb/><l>Jch ſprech: Ein jeder, dem das Bild,</l><lb/><l>Vom alten Mann, ſein Hirn erfuͤllt,</l><lb/><l>Wird Gott im Buſche ganz verſchrenken.</l><lb/><l>Man muß dahero, Gott zu ehren,</l><lb/><l>Die Stelle mit Vernunft erklaͤren.</l></lg></div><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Suͤſ-</hi></fw><lb/></div></body></text></TEI>
[390/0414]
Noͤthige Erklaͤrung.
Noͤthige Erklaͤrung.
So oft wir in der Bibel leſen,
Daß Gott, im Buſch, mit Moſe ſprach:
So ſcheints, denkt man nicht weiter nach,
Ob waͤre Gott dort ganz geweſen.
Wie von dem Bilde, ja von einem alten Mann,
Man wohl nichts beſſers denken kann.
Allein:
Wie trieget uns ein ſolcher Schein!
Der Millionen Sonn- und Erden,
Der aller Himmel Himmel fuͤllt,
Kann durch ein ſolches winzigs Bild,
Mit Recht nicht abgebildet werden,
Jm Buſch nicht eingeſchloſſen ſeyn.
Mit ſolchen ſchmaͤlernden Jdeen,
Die große Gottheit anzuſehn,
Und was allgegenwaͤrtig, ſich,
So eng begraͤnzet, vorzuſtellen,
Jſt ſtraͤflich, laͤch- und laͤſterlich.
Man kann kein ander Urtheil faͤllen,
Wenn wir, mit dem Begriff, es leſen,
Als daß die große Gottheit da,
Wie Moſes ihn im Buſche ſah,
Nur bloß allein in Aſia,
Und in Europa nicht, geweſen.
Du ſprichſt: Wer wird doch ſo gedenken?
Jch ſprech: Ein jeder, dem das Bild,
Vom alten Mann, ſein Hirn erfuͤllt,
Wird Gott im Buſche ganz verſchrenken.
Man muß dahero, Gott zu ehren,
Die Stelle mit Vernunft erklaͤren.
Suͤſ-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/414>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.