Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwo lehrende Bienen.
Zwo lehrende Bienen.
Neulich sah ich, mit Vergnügen,
Eine kleine Biene fliegen,
Die sich auf ein Blümchen setzte,
Und in seinem süßen Saft,
Voller Balsamreichen Kraft,
Jhre kleine Zunge netzte.
Jhrer Arbeit dacht ich nach,
Bis ich zu mir selber sprach:
Mich deucht, daß ich in deinem Werke
Und deinem Wesen, kleines Thier,
Ein Wunder der Natur verspür,
Ja selbst den Schöpfer in dir merke.
Drauf nun dünkte mich, ich hörte,
Wie von ihr, in sanftem Brummen,
Ein nicht unverständlich Summen
Mich ermahnet', und belehrte,
Welches mir fast ja so klar,
Und fast ja so deutlich klunge
Als wenn es, von einer Zunge,
Ordentlich gesprochen war.
Du thust sehr wohl, daß du mich achtest
Und, in mir, dessen Macht betrachtest,
Der dich, und mich erschaffen hat.
Wie viel in der Natur verborgen,
So ihr, mit allen euren Sorgen,
Nicht findet, zeig ich in der That.
Wem
Zwo lehrende Bienen.
Zwo lehrende Bienen.
Neulich ſah ich, mit Vergnuͤgen,
Eine kleine Biene fliegen,
Die ſich auf ein Bluͤmchen ſetzte,
Und in ſeinem ſuͤßen Saft,
Voller Balſamreichen Kraft,
Jhre kleine Zunge netzte.
Jhrer Arbeit dacht ich nach,
Bis ich zu mir ſelber ſprach:
Mich deucht, daß ich in deinem Werke
Und deinem Weſen, kleines Thier,
Ein Wunder der Natur verſpuͤr,
Ja ſelbſt den Schoͤpfer in dir merke.
Drauf nun duͤnkte mich, ich hoͤrte,
Wie von ihr, in ſanftem Brummen,
Ein nicht unverſtaͤndlich Summen
Mich ermahnet’, und belehrte,
Welches mir faſt ja ſo klar,
Und faſt ja ſo deutlich klunge
Als wenn es, von einer Zunge,
Ordentlich geſprochen war.
Du thuſt ſehr wohl, daß du mich achteſt
Und, in mir, deſſen Macht betrachteſt,
Der dich, und mich erſchaffen hat.
Wie viel in der Natur verborgen,
So ihr, mit allen euren Sorgen,
Nicht findet, zeig ich in der That.
Wem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0044" n="20"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zwo lehrende Bienen.</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Zwo lehrende Bienen.</hi> </head><lb/>
          <lg n="22">
            <l><hi rendition="#in">N</hi>eulich &#x017F;ah ich, mit Vergnu&#x0364;gen,</l><lb/>
            <l>Eine kleine Biene fliegen,</l><lb/>
            <l>Die &#x017F;ich auf ein Blu&#x0364;mchen &#x017F;etzte,</l><lb/>
            <l>Und in &#x017F;einem &#x017F;u&#x0364;ßen Saft,</l><lb/>
            <l>Voller Bal&#x017F;amreichen Kraft,</l><lb/>
            <l>Jhre kleine Zunge netzte.</l><lb/>
            <l>Jhrer Arbeit dacht ich nach,</l><lb/>
            <l>Bis ich zu mir &#x017F;elber &#x017F;prach:</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="23">
            <l>Mich deucht, daß ich in deinem Werke</l><lb/>
            <l>Und deinem We&#x017F;en, kleines Thier,</l><lb/>
            <l>Ein Wunder der Natur ver&#x017F;pu&#x0364;r,</l><lb/>
            <l>Ja &#x017F;elb&#x017F;t den Scho&#x0364;pfer in dir merke.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="24">
            <l>Drauf nun du&#x0364;nkte mich, ich ho&#x0364;rte,</l><lb/>
            <l>Wie von ihr, in &#x017F;anftem Brummen,</l><lb/>
            <l>Ein nicht unver&#x017F;ta&#x0364;ndlich Summen</l><lb/>
            <l>Mich ermahnet&#x2019;, und belehrte,</l><lb/>
            <l>Welches mir fa&#x017F;t ja &#x017F;o klar,</l><lb/>
            <l>Und fa&#x017F;t ja &#x017F;o deutlich klunge</l><lb/>
            <l>Als wenn es, von einer Zunge,</l><lb/>
            <l>Ordentlich ge&#x017F;prochen war.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="25">
            <l>Du thu&#x017F;t &#x017F;ehr wohl, daß du mich achte&#x017F;t</l><lb/>
            <l>Und, in mir, de&#x017F;&#x017F;en Macht betrachte&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Der dich, und mich er&#x017F;chaffen hat.</l><lb/>
            <l>Wie viel in der Natur verborgen,</l><lb/>
            <l>So ihr, mit allen euren Sorgen,</l><lb/>
            <l>Nicht findet, zeig ich in der That.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Wem</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0044] Zwo lehrende Bienen. Zwo lehrende Bienen. Neulich ſah ich, mit Vergnuͤgen, Eine kleine Biene fliegen, Die ſich auf ein Bluͤmchen ſetzte, Und in ſeinem ſuͤßen Saft, Voller Balſamreichen Kraft, Jhre kleine Zunge netzte. Jhrer Arbeit dacht ich nach, Bis ich zu mir ſelber ſprach: Mich deucht, daß ich in deinem Werke Und deinem Weſen, kleines Thier, Ein Wunder der Natur verſpuͤr, Ja ſelbſt den Schoͤpfer in dir merke. Drauf nun duͤnkte mich, ich hoͤrte, Wie von ihr, in ſanftem Brummen, Ein nicht unverſtaͤndlich Summen Mich ermahnet’, und belehrte, Welches mir faſt ja ſo klar, Und faſt ja ſo deutlich klunge Als wenn es, von einer Zunge, Ordentlich geſprochen war. Du thuſt ſehr wohl, daß du mich achteſt Und, in mir, deſſen Macht betrachteſt, Der dich, und mich erſchaffen hat. Wie viel in der Natur verborgen, So ihr, mit allen euren Sorgen, Nicht findet, zeig ich in der That. Wem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/44
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/44>, abgerufen am 21.11.2024.