Nun ist des Meeres Salzigkeit für uns ein fast unschätzbar Gut, Und welches ihm, aus weiser Absicht, so, wie das Licht der Sonnen Gluth, Zu Anfang wirklich anerschaffen, nicht aber, wie man etwan meynet, Und wie es, aus verschiednen Gründen, den Forschern der Na- tur-Kraft scheinet, Als ob es sein so nöthig Salz, von seinen Ufern oder Bette, Und unterirdschen Gängen zöge, und es nicht wirklich in sich hätte. Jndem, bey nährer Untersuchung, wie tief man auch das Meer ergründet, Dennoch auf dessen tiefem Boden, von Salz sich keine Spur befindet. Dieß Meeres Salz nun, daß es nicht in steter Stille sinken möchte, Und folglich die geschwächte Kraft der Erden mindern Nutzen brächte, Wird es, o Wunder! unaufhörlich, und stets durch Ebb und Fluth, gerührt, Und die beständig regen Theile an allen Orten hingeführt.
Wo etwas unsers Schöpfers Weisheit, und seine Macht und Liebe weiset, Wo etwas seine Absicht, Ordnung, und nie begriffne Wunder preiset, Wo was Bewunderung verdient: So ist es warlich Ebb und Fluth, Je minder sie begreiflich ist. Es hat der Schöpfer nicht allein Dem Meer, das, wenn sichs nicht bewegt, und immer würde stille seyn,
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Betrachtung des Weltmeers.
Nun iſt des Meeres Salzigkeit fuͤr uns ein faſt unſchaͤtzbar Gut, Und welches ihm, aus weiſer Abſicht, ſo, wie das Licht der Sonnen Gluth, Zu Anfang wirklich anerſchaffen, nicht aber, wie man etwan meynet, Und wie es, aus verſchiednen Gruͤnden, den Forſchern der Na- tur-Kraft ſcheinet, Als ob es ſein ſo noͤthig Salz, von ſeinen Ufern oder Bette, Und unterirdſchen Gaͤngen zoͤge, und es nicht wirklich in ſich haͤtte. Jndem, bey naͤhrer Unterſuchung, wie tief man auch das Meer ergruͤndet, Dennoch auf deſſen tiefem Boden, von Salz ſich keine Spur befindet. Dieß Meeres Salz nun, daß es nicht in ſteter Stille ſinken moͤchte, Und folglich die geſchwaͤchte Kraft der Erden mindern Nutzen braͤchte, Wird es, o Wunder! unaufhoͤrlich, und ſtets durch Ebb und Fluth, geruͤhrt, Und die beſtaͤndig regen Theile an allen Orten hingefuͤhrt.
Wo etwas unſers Schoͤpfers Weisheit, und ſeine Macht und Liebe weiſet, Wo etwas ſeine Abſicht, Ordnung, und nie begriffne Wunder preiſet, Wo was Bewunderung verdient: So iſt es warlich Ebb und Fluth, Je minder ſie begreiflich iſt. Es hat der Schoͤpfer nicht allein Dem Meer, das, wenn ſichs nicht bewegt, und immer wuͤrde ſtille ſeyn,
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Betrachtung des Weltmeers.
Nun iſt des Meeres Salzigkeit fuͤr uns ein faſt unſchaͤtzbar
Gut,
Und welches ihm, aus weiſer Abſicht, ſo, wie das Licht der
Sonnen Gluth,
Zu Anfang wirklich anerſchaffen, nicht aber, wie man etwan
meynet,
Und wie es, aus verſchiednen Gruͤnden, den Forſchern der Na-
tur-Kraft ſcheinet,
Als ob es ſein ſo noͤthig Salz, von ſeinen Ufern oder Bette,
Und unterirdſchen Gaͤngen zoͤge, und es nicht wirklich in ſich
haͤtte.
Jndem, bey naͤhrer Unterſuchung, wie tief man auch das Meer
ergruͤndet,
Dennoch auf deſſen tiefem Boden, von Salz ſich keine Spur
befindet.
Dieß Meeres Salz nun, daß es nicht in ſteter Stille ſinken
moͤchte,
Und folglich die geſchwaͤchte Kraft der Erden mindern Nutzen
braͤchte,
Wird es, o Wunder! unaufhoͤrlich, und ſtets durch Ebb und
Fluth, geruͤhrt,
Und die beſtaͤndig regen Theile an allen Orten hingefuͤhrt.
Wo etwas unſers Schoͤpfers Weisheit, und ſeine Macht
und Liebe weiſet,
Wo etwas ſeine Abſicht, Ordnung, und nie begriffne Wunder
preiſet,
Wo was Bewunderung verdient: So iſt es warlich Ebb und
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Je minder ſie begreiflich iſt. Es hat der Schoͤpfer nicht allein
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/443>, abgerufen am 22.11.2024.
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