Gemisch vom Allen und vom Nichts, Verband vom Kör- per und vom Geist, Das sich und alle seines gleichen mit ihm zugleich vernünftig heißt, So lange deines gleichen nemlich mit dir dieselbe Meynung hegen, Da du sie doch, so bald dieselbe sich dir worin zuwiderlegen, Auch ebenfalls für unvernünftig, und dich in deinem Sinn allein, Für weise, für vernünftig schätzest, und einzig glaubest, klug zu seyn.
Du legst, aus eigener Gewalt, dir selber diesen Titul bey, Und hälst nur dich für unbertrüglich, da dir jedoch nicht un- bekannt, Wie sehr dein aufgeblasiter Geist, wie dein oft stolpernder Verstand Fast in den allermeisten Dingen so stumpf und eng verschrän- ket sey.
Jch kann die Gründe nicht begreifen, warum du, dir aus eigner Macht So viele Klugheit beyzulegen, als bloß aus Stolz, dich nicht entsiehest, Und über alle Creaturen dich zu erheben, dich bemühest.
Du lässest andrer Schwäche nimmer, die Deinigen stets aus der Acht, Und ob du gleich, an Stärk und Grösse, nicht mächtiger, nicht stärker bist,
Als
Nachtheil der Eigen-
Nachtheil der Eigen- und Nutz der Naͤchſten-Liebe.
Gemiſch vom Allen und vom Nichts, Verband vom Koͤr- per und vom Geiſt, Das ſich und alle ſeines gleichen mit ihm zugleich vernuͤnftig heißt, So lange deines gleichen nemlich mit dir dieſelbe Meynung hegen, Da du ſie doch, ſo bald dieſelbe ſich dir worin zuwiderlegen, Auch ebenfalls fuͤr unvernuͤnftig, und dich in deinem Sinn allein, Fuͤr weiſe, fuͤr vernuͤnftig ſchaͤtzeſt, und einzig glaubeſt, klug zu ſeyn.
Du legſt, aus eigener Gewalt, dir ſelber dieſen Titul bey, Und haͤlſt nur dich fuͤr unbertruͤglich, da dir jedoch nicht un- bekannt, Wie ſehr dein aufgeblaſiter Geiſt, wie dein oft ſtolpernder Verſtand Faſt in den allermeiſten Dingen ſo ſtumpf und eng verſchraͤn- ket ſey.
Jch kann die Gruͤnde nicht begreifen, warum du, dir aus eigner Macht So viele Klugheit beyzulegen, als bloß aus Stolz, dich nicht entſieheſt, Und uͤber alle Creaturen dich zu erheben, dich bemuͤheſt.
Du laͤſſeſt andrer Schwaͤche nimmer, die Deinigen ſtets aus der Acht, Und ob du gleich, an Staͤrk und Groͤſſe, nicht maͤchtiger, nicht ſtaͤrker biſt,
Als
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Nachtheil der Eigen-
Nachtheil der Eigen-
und Nutz der Naͤchſten-Liebe.
Gemiſch vom Allen und vom Nichts, Verband vom Koͤr-
per und vom Geiſt,
Das ſich und alle ſeines gleichen mit ihm zugleich vernuͤnftig
heißt,
So lange deines gleichen nemlich mit dir dieſelbe Meynung
hegen,
Da du ſie doch, ſo bald dieſelbe ſich dir worin zuwiderlegen,
Auch ebenfalls fuͤr unvernuͤnftig, und dich in deinem Sinn allein,
Fuͤr weiſe, fuͤr vernuͤnftig ſchaͤtzeſt, und einzig glaubeſt, klug zu
ſeyn.
Du legſt, aus eigener Gewalt, dir ſelber dieſen Titul bey,
Und haͤlſt nur dich fuͤr unbertruͤglich, da dir jedoch nicht un-
bekannt,
Wie ſehr dein aufgeblaſiter Geiſt, wie dein oft ſtolpernder
Verſtand
Faſt in den allermeiſten Dingen ſo ſtumpf und eng verſchraͤn-
ket ſey.
Jch kann die Gruͤnde nicht begreifen, warum du, dir aus
eigner Macht
So viele Klugheit beyzulegen, als bloß aus Stolz, dich nicht
entſieheſt,
Und uͤber alle Creaturen dich zu erheben, dich bemuͤheſt.
Du laͤſſeſt andrer Schwaͤche nimmer, die Deinigen ſtets
aus der Acht,
Und ob du gleich, an Staͤrk und Groͤſſe, nicht maͤchtiger, nicht
ſtaͤrker biſt,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 544. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/568>, abgerufen am 22.11.2024.
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