Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Gedanken über den Tod der Belise.
Ohn einen noch vertieftern Eindruck, und inniger Erschütt-
rung, nicht,
Wenn mein noch jetzt bethränter Mund von diesem herben
Falle spricht.

Nach ihrem Tode konnte nichts, so lang ihr Sarg geöffnet
stand,

Sie täglich noch zu sehn, mir wehren. Da ich, in ihren ern-
sten Zügen,

Noch Spuren ihres nun Gottlob! schon überstandnen Lei-
dens fand,

So ich, mit stiller Bitterkeit, und einem kläglichen Vergnügen,
Durch immer neue Thränen sah, die oftermals durch ihre
Menge,

Und der gepreßten runden Tropfen beständig quillendes Ge-
dränge,

Worin die trüben Blicke schwummen, den bangen Vorwurf
mir verdeckten,

Und meine Schmerzens-Quell für mich, doch nur auf kurze
Zeit, versteckten.
Dieß dauret in den achten Tag. Da ich zum letzten zu ihr
kam,

Und, mit sich häufendem Betrüben, von ihr den letzten Abschied
nahm,

Jndem es mir unmöglich war, dem Schluß des Sarges zu-
zusehen.
Wie man nun selben wirklich schloß, fing eben ein schon re-
ger Sturm,

Mit einer nie erhörten Kraft, und so entsetzlich an zu wehen,
Daß des von mir bewohnten Schlosses erhabner, fest-und star-
ker Thurm
Erzit-

Gedanken uͤber den Tod der Beliſe.
Ohn einen noch vertieftern Eindruck, und inniger Erſchuͤtt-
rung, nicht,
Wenn mein noch jetzt bethraͤnter Mund von dieſem herben
Falle ſpricht.

Nach ihrem Tode konnte nichts, ſo lang ihr Sarg geoͤffnet
ſtand,

Sie taͤglich noch zu ſehn, mir wehren. Da ich, in ihren ern-
ſten Zuͤgen,

Noch Spuren ihres nun Gottlob! ſchon uͤberſtandnen Lei-
dens fand,

So ich, mit ſtiller Bitterkeit, und einem klaͤglichen Vergnuͤgen,
Durch immer neue Thraͤnen ſah, die oftermals durch ihre
Menge,

Und der gepreßten runden Tropfen beſtaͤndig quillendes Ge-
draͤnge,

Worin die truͤben Blicke ſchwummen, den bangen Vorwurf
mir verdeckten,

Und meine Schmerzens-Quell fuͤr mich, doch nur auf kurze
Zeit, verſteckten.
Dieß dauret in den achten Tag. Da ich zum letzten zu ihr
kam,

Und, mit ſich haͤufendem Betruͤben, von ihr den letzten Abſchied
nahm,

Jndem es mir unmoͤglich war, dem Schluß des Sarges zu-
zuſehen.
Wie man nun ſelben wirklich ſchloß, fing eben ein ſchon re-
ger Sturm,

Mit einer nie erhoͤrten Kraft, und ſo entſetzlich an zu wehen,
Daß des von mir bewohnten Schloſſes erhabner, feſt-und ſtar-
ker Thurm
Erzit-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="1">
            <l><pb facs="#f0606" n="582"/><fw place="top" type="header">Gedanken u&#x0364;ber den Tod der Beli&#x017F;e.</fw><lb/>
Ohn einen noch vertieftern Eindruck, und inniger Er&#x017F;chu&#x0364;tt-<lb/><hi rendition="#et">rung, nicht,</hi></l><lb/>
            <l>Wenn mein noch jetzt bethra&#x0364;nter Mund von die&#x017F;em herben<lb/><hi rendition="#et">Falle &#x017F;pricht.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Nach ihrem Tode konnte nichts, &#x017F;o lang ihr Sarg geo&#x0364;ffnet<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tand,</hi></l><lb/>
            <l>Sie ta&#x0364;glich noch zu &#x017F;ehn, mir wehren. Da ich, in ihren ern-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ten Zu&#x0364;gen,</hi></l><lb/>
            <l>Noch Spuren ihres nun Gottlob! &#x017F;chon u&#x0364;ber&#x017F;tandnen Lei-<lb/><hi rendition="#et">dens fand,</hi></l><lb/>
            <l>So ich, mit &#x017F;tiller Bitterkeit, und einem kla&#x0364;glichen Vergnu&#x0364;gen,</l><lb/>
            <l>Durch immer neue Thra&#x0364;nen &#x017F;ah, die oftermals durch ihre<lb/><hi rendition="#et">Menge,</hi></l><lb/>
            <l>Und der gepreßten runden Tropfen be&#x017F;ta&#x0364;ndig quillendes Ge-<lb/><hi rendition="#et">dra&#x0364;nge,</hi></l><lb/>
            <l>Worin die tru&#x0364;ben Blicke &#x017F;chwummen, den bangen Vorwurf<lb/><hi rendition="#et">mir verdeckten,</hi></l><lb/>
            <l>Und meine Schmerzens-Quell fu&#x0364;r mich, doch nur auf kurze<lb/><hi rendition="#et">Zeit, ver&#x017F;teckten.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Dieß dauret in den achten Tag. Da ich zum letzten zu ihr<lb/><hi rendition="#et">kam,</hi></l><lb/>
            <l>Und, mit &#x017F;ich ha&#x0364;ufendem Betru&#x0364;ben, von ihr den letzten Ab&#x017F;chied<lb/><hi rendition="#et">nahm,</hi></l><lb/>
            <l>Jndem es mir unmo&#x0364;glich war, dem Schluß des Sarges zu-<lb/><hi rendition="#et">zu&#x017F;ehen.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Wie man nun &#x017F;elben wirklich &#x017F;chloß, fing eben ein &#x017F;chon re-<lb/><hi rendition="#et">ger Sturm,</hi></l><lb/>
            <l>Mit einer nie erho&#x0364;rten Kraft, und &#x017F;o ent&#x017F;etzlich an zu wehen,</l><lb/>
            <l>Daß des von mir bewohnten Schlo&#x017F;&#x017F;es erhabner, fe&#x017F;t-und &#x017F;tar-<lb/><hi rendition="#et">ker Thurm</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Erzit-</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[582/0606] Gedanken uͤber den Tod der Beliſe. Ohn einen noch vertieftern Eindruck, und inniger Erſchuͤtt- rung, nicht, Wenn mein noch jetzt bethraͤnter Mund von dieſem herben Falle ſpricht. Nach ihrem Tode konnte nichts, ſo lang ihr Sarg geoͤffnet ſtand, Sie taͤglich noch zu ſehn, mir wehren. Da ich, in ihren ern- ſten Zuͤgen, Noch Spuren ihres nun Gottlob! ſchon uͤberſtandnen Lei- dens fand, So ich, mit ſtiller Bitterkeit, und einem klaͤglichen Vergnuͤgen, Durch immer neue Thraͤnen ſah, die oftermals durch ihre Menge, Und der gepreßten runden Tropfen beſtaͤndig quillendes Ge- draͤnge, Worin die truͤben Blicke ſchwummen, den bangen Vorwurf mir verdeckten, Und meine Schmerzens-Quell fuͤr mich, doch nur auf kurze Zeit, verſteckten. Dieß dauret in den achten Tag. Da ich zum letzten zu ihr kam, Und, mit ſich haͤufendem Betruͤben, von ihr den letzten Abſchied nahm, Jndem es mir unmoͤglich war, dem Schluß des Sarges zu- zuſehen. Wie man nun ſelben wirklich ſchloß, fing eben ein ſchon re- ger Sturm, Mit einer nie erhoͤrten Kraft, und ſo entſetzlich an zu wehen, Daß des von mir bewohnten Schloſſes erhabner, feſt-und ſtar- ker Thurm Erzit-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/606
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/606>, abgerufen am 22.11.2024.