Fast alle Philosophen haben Jhr wahres Wohl, in Besserung des Geists und des Ver- standes Gaben Und die, in grübelnder Erkenntniß, von Dingen, die so sicht- bar seyn, Und in abstracten Meynungen derselbigen, gesucht; auch immer Sich vollenkommener gehalten, jemehr sie, mit subtilem Schein, Davon sich hören lassen können. Darüber haben sie fast nimmer, Auf ihres Herzens Besserung zu denken, Zeit gehabt. Sie ist Von ihnen angesehen worden, als eine Sache, die allein Der ungelehrten Sorge wäre. Da doch, wenn man dieß recht ermißt, Die Folge des unselgen Hochmuths sie minder nicht, als Lucifer Der Hochmuth dort gestürzet, stürzt. Sie sind nicht nur allein für sich, Durch die Versäumung ihrer Pflichten, die sie, der Nächste, Gott der Herr, Mit recht verlangen, unglückselig. Sie ziehen auch gemei- niglich, Durch ihr Exempel, andre mehr von ihren Pflichten ab. Und zwar,
Ohn
P p 2
Verſteigen des menſchlichen Geiſtes.
Gefaͤhrliches Verſteigen des menſchlichen Geiſtes.
Faſt alle Philoſophen haben Jhr wahres Wohl, in Beſſerung des Geiſts und des Ver- ſtandes Gaben Und die, in gruͤbelnder Erkenntniß, von Dingen, die ſo ſicht- bar ſeyn, Und in abſtracten Meynungen derſelbigen, geſucht; auch immer Sich vollenkommener gehalten, jemehr ſie, mit ſubtilem Schein, Davon ſich hoͤren laſſen koͤnnen. Daruͤber haben ſie faſt nimmer, Auf ihres Herzens Beſſerung zu denken, Zeit gehabt. Sie iſt Von ihnen angeſehen worden, als eine Sache, die allein Der ungelehrten Sorge waͤre. Da doch, wenn man dieß recht ermißt, Die Folge des unſelgen Hochmuths ſie minder nicht, als Lucifer Der Hochmuth dort geſtuͤrzet, ſtuͤrzt. Sie ſind nicht nur allein fuͤr ſich, Durch die Verſaͤumung ihrer Pflichten, die ſie, der Naͤchſte, Gott der Herr, Mit recht verlangen, ungluͤckſelig. Sie ziehen auch gemei- niglich, Durch ihr Exempel, andre mehr von ihren Pflichten ab. Und zwar,
Ohn
P p 2
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0619"n="595"/><fwplace="top"type="header">Verſteigen des menſchlichen Geiſtes.</fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Gefaͤhrliches Verſteigen<lb/>
des menſchlichen Geiſtes.</hi></head><lb/><lgn="1"><l><hirendition="#in">F</hi>aſt alle Philoſophen haben</l><lb/><l>Jhr wahres Wohl, in Beſſerung des Geiſts und des Ver-<lb/><hirendition="#et">ſtandes Gaben</hi></l><lb/><l>Und die, in gruͤbelnder Erkenntniß, von Dingen, die ſo ſicht-<lb/><hirendition="#et">bar ſeyn,</hi></l><lb/><l>Und in abſtracten Meynungen derſelbigen, geſucht; auch<lb/><hirendition="#et">immer</hi></l><lb/><l>Sich vollenkommener gehalten, jemehr ſie, mit ſubtilem<lb/><hirendition="#et">Schein,</hi></l><lb/><l>Davon ſich hoͤren laſſen koͤnnen. Daruͤber haben ſie faſt<lb/><hirendition="#et">nimmer,</hi></l><lb/><l>Auf ihres Herzens Beſſerung zu denken, Zeit gehabt. Sie iſt</l><lb/><l>Von ihnen angeſehen worden, als eine Sache, die allein</l><lb/><l>Der ungelehrten Sorge waͤre. Da doch, wenn man dieß recht<lb/><hirendition="#et">ermißt,</hi></l><lb/><l>Die Folge des unſelgen Hochmuths ſie minder nicht, als<lb/><hirendition="#et">Lucifer</hi></l><lb/><l>Der Hochmuth dort geſtuͤrzet, ſtuͤrzt. Sie ſind nicht nur<lb/><hirendition="#et">allein fuͤr ſich,</hi></l><lb/><l>Durch die Verſaͤumung ihrer Pflichten, die ſie, der Naͤchſte,<lb/><hirendition="#et">Gott der Herr,</hi></l><lb/><l>Mit recht verlangen, ungluͤckſelig. Sie ziehen auch gemei-<lb/><hirendition="#et">niglich,</hi></l><lb/><l>Durch ihr Exempel, andre mehr von ihren Pflichten ab. Und<lb/><hirendition="#et">zwar,</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">P p 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Ohn</fw><lb/></l></lg></div></div></body></text></TEI>
[595/0619]
Verſteigen des menſchlichen Geiſtes.
Gefaͤhrliches Verſteigen
des menſchlichen Geiſtes.
Faſt alle Philoſophen haben
Jhr wahres Wohl, in Beſſerung des Geiſts und des Ver-
ſtandes Gaben
Und die, in gruͤbelnder Erkenntniß, von Dingen, die ſo ſicht-
bar ſeyn,
Und in abſtracten Meynungen derſelbigen, geſucht; auch
immer
Sich vollenkommener gehalten, jemehr ſie, mit ſubtilem
Schein,
Davon ſich hoͤren laſſen koͤnnen. Daruͤber haben ſie faſt
nimmer,
Auf ihres Herzens Beſſerung zu denken, Zeit gehabt. Sie iſt
Von ihnen angeſehen worden, als eine Sache, die allein
Der ungelehrten Sorge waͤre. Da doch, wenn man dieß recht
ermißt,
Die Folge des unſelgen Hochmuths ſie minder nicht, als
Lucifer
Der Hochmuth dort geſtuͤrzet, ſtuͤrzt. Sie ſind nicht nur
allein fuͤr ſich,
Durch die Verſaͤumung ihrer Pflichten, die ſie, der Naͤchſte,
Gott der Herr,
Mit recht verlangen, ungluͤckſelig. Sie ziehen auch gemei-
niglich,
Durch ihr Exempel, andre mehr von ihren Pflichten ab. Und
zwar,
Ohn
P p 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 595. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/619>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.