Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite
in der Betrachtung vom Nichts.


Das verborgne Nichts zu kennen, in die bodenlose Tiefe,
Woraus unser Gott dem Etwas, daß es werden sollte, riese,
Den, ob dieser Dunkelheit, schwindelnden Verstand zu senken,
Von desselben Gränz, und Schranken, was vernünftiges ge-
denken,

Und des Etwas Anfang finden, das, wo Nichts, nicht mehr
sich zeigt;

Scheint ein solches Ziel zu seyn, das den Geist weit übersteigt,
Und selbst zu vernichten droht; Ja ein solches Unterfangen,
Wozu auch den Engeln selber, kaum erlaubt scheint zu gelangen.
Jch erkenn auch meine Schwäche dazu mehr, als allzuwohl,
Und es ist gewiß mein Geist nicht so eitlen Hochmuth voll,
Sich von sich selbst einzubilden, diese Tiefe zu ergründen,
Und des Etwas wahren Anfang, samt dem Schluß vom
Nichts, zu finden.

Dennoch kömmt, aus vielen Gründen, dieses Vorwurfs Jn-
halt mir,

Vor viel tausend andern nöthig, nützlich und beträchtlich für.
Weil vielleicht aus der Betrachtung von dem Nichts sich
Etwas zeiget,

Wodurch man zu einer Wahrheit, welche sonst verborgen, steiget.
Jch gedenke denn, mit Gott, in der Spur so weit zu gehen,
Als es meine Kräft erlauben, und denn gerne still zu stehen.
Jch will gerne größern Geistern, alles richtiger zu fassen,
Wenn ich nur die Bahn gebrochen, mit Vergnügen überlassen.


Um nun in den tiefen Abgrund des verhohlnen Nichts zu
steigen,

Um den Anfang und das Ende des erschaffnen Stoffs zu sehn,
Wird
U u 2
in der Betrachtung vom Nichts.


Das verborgne Nichts zu kennen, in die bodenloſe Tiefe,
Woraus unſer Gott dem Etwas, daß es werden ſollte, rieſe,
Den, ob dieſer Dunkelheit, ſchwindelnden Verſtand zu ſenken,
Von deſſelben Graͤnz, und Schranken, was vernuͤnftiges ge-
denken,

Und des Etwas Anfang finden, das, wo Nichts, nicht mehr
ſich zeigt;

Scheint ein ſolches Ziel zu ſeyn, das den Geiſt weit uͤberſteigt,
Und ſelbſt zu vernichten droht; Ja ein ſolches Unterfangen,
Wozu auch den Engeln ſelber, kaum erlaubt ſcheint zu gelangen.
Jch erkenn auch meine Schwaͤche dazu mehr, als allzuwohl,
Und es iſt gewiß mein Geiſt nicht ſo eitlen Hochmuth voll,
Sich von ſich ſelbſt einzubilden, dieſe Tiefe zu ergruͤnden,
Und des Etwas wahren Anfang, ſamt dem Schluß vom
Nichts, zu finden.

Dennoch koͤmmt, aus vielen Gruͤnden, dieſes Vorwurfs Jn-
halt mir,

Vor viel tauſend andern noͤthig, nuͤtzlich und betraͤchtlich fuͤr.
Weil vielleicht aus der Betrachtung von dem Nichts ſich
Etwas zeiget,

Wodurch man zu einer Wahrheit, welche ſonſt verborgen, ſteiget.
Jch gedenke denn, mit Gott, in der Spur ſo weit zu gehen,
Als es meine Kraͤft erlauben, und denn gerne ſtill zu ſtehen.
Jch will gerne groͤßern Geiſtern, alles richtiger zu faſſen,
Wenn ich nur die Bahn gebrochen, mit Vergnuͤgen uͤberlaſſen.


Um nun in den tiefen Abgrund des verhohlnen Nichts zu
ſteigen,

Um den Anfang und das Ende des erſchaffnen Stoffs zu ſehn,
Wird
U u 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0699" n="675"/>
          <fw place="top" type="header">in der Betrachtung vom Nichts.</fw><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Das verborgne <hi rendition="#fr">Nichts</hi> zu kennen, in die bodenlo&#x017F;e Tiefe,</l><lb/>
            <l>Woraus un&#x017F;er Gott dem <hi rendition="#fr">Etwas,</hi> daß es werden &#x017F;ollte, rie&#x017F;e,</l><lb/>
            <l>Den, ob die&#x017F;er Dunkelheit, &#x017F;chwindelnden Ver&#x017F;tand zu &#x017F;enken,</l><lb/>
            <l>Von de&#x017F;&#x017F;elben Gra&#x0364;nz, und Schranken, was vernu&#x0364;nftiges ge-<lb/><hi rendition="#et">denken,</hi></l><lb/>
            <l>Und des <hi rendition="#fr">Etwas</hi> Anfang finden, das, wo <hi rendition="#fr">Nichts</hi>, nicht mehr<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ich zeigt;</hi></l><lb/>
            <l>Scheint ein &#x017F;olches Ziel zu &#x017F;eyn, das den Gei&#x017F;t weit u&#x0364;ber&#x017F;teigt,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;elb&#x017F;t zu vernichten droht; Ja ein &#x017F;olches Unterfangen,</l><lb/>
            <l>Wozu auch den Engeln &#x017F;elber, kaum erlaubt &#x017F;cheint zu gelangen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Jch erkenn auch meine Schwa&#x0364;che dazu mehr, als allzuwohl,</l><lb/>
            <l>Und es i&#x017F;t gewiß mein Gei&#x017F;t nicht &#x017F;o eitlen Hochmuth voll,</l><lb/>
            <l>Sich von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t einzubilden, die&#x017F;e Tiefe zu ergru&#x0364;nden,</l><lb/>
            <l>Und des <hi rendition="#fr">Etwas</hi> wahren Anfang, &#x017F;amt dem Schluß vom<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Nichts</hi>, zu finden.</hi></l><lb/>
            <l>Dennoch ko&#x0364;mmt, aus vielen Gru&#x0364;nden, die&#x017F;es Vorwurfs Jn-<lb/><hi rendition="#et">halt mir,</hi></l><lb/>
            <l>Vor viel tau&#x017F;end andern no&#x0364;thig, nu&#x0364;tzlich und betra&#x0364;chtlich fu&#x0364;r.</l><lb/>
            <l>Weil vielleicht aus der Betrachtung von dem <hi rendition="#fr">Nichts</hi> &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Etwas</hi> zeiget,</hi></l><lb/>
            <l>Wodurch man zu einer Wahrheit, welche &#x017F;on&#x017F;t verborgen, &#x017F;teiget.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Jch gedenke denn, mit Gott, in der Spur &#x017F;o weit zu gehen,</l><lb/>
            <l>Als es meine Kra&#x0364;ft erlauben, und denn gerne &#x017F;till zu &#x017F;tehen.</l><lb/>
            <l>Jch will gerne gro&#x0364;ßern Gei&#x017F;tern, alles richtiger zu fa&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Wenn ich nur die Bahn gebrochen, mit Vergnu&#x0364;gen u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en.</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg n="5">
            <l>Um nun in den tiefen Abgrund des verhohlnen <hi rendition="#fr">Nichts</hi> zu<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;teigen,</hi></l><lb/>
            <l>Um den Anfang und das Ende des er&#x017F;chaffnen Stoffs zu &#x017F;ehn,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U u 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Wird</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[675/0699] in der Betrachtung vom Nichts. Das verborgne Nichts zu kennen, in die bodenloſe Tiefe, Woraus unſer Gott dem Etwas, daß es werden ſollte, rieſe, Den, ob dieſer Dunkelheit, ſchwindelnden Verſtand zu ſenken, Von deſſelben Graͤnz, und Schranken, was vernuͤnftiges ge- denken, Und des Etwas Anfang finden, das, wo Nichts, nicht mehr ſich zeigt; Scheint ein ſolches Ziel zu ſeyn, das den Geiſt weit uͤberſteigt, Und ſelbſt zu vernichten droht; Ja ein ſolches Unterfangen, Wozu auch den Engeln ſelber, kaum erlaubt ſcheint zu gelangen. Jch erkenn auch meine Schwaͤche dazu mehr, als allzuwohl, Und es iſt gewiß mein Geiſt nicht ſo eitlen Hochmuth voll, Sich von ſich ſelbſt einzubilden, dieſe Tiefe zu ergruͤnden, Und des Etwas wahren Anfang, ſamt dem Schluß vom Nichts, zu finden. Dennoch koͤmmt, aus vielen Gruͤnden, dieſes Vorwurfs Jn- halt mir, Vor viel tauſend andern noͤthig, nuͤtzlich und betraͤchtlich fuͤr. Weil vielleicht aus der Betrachtung von dem Nichts ſich Etwas zeiget, Wodurch man zu einer Wahrheit, welche ſonſt verborgen, ſteiget. Jch gedenke denn, mit Gott, in der Spur ſo weit zu gehen, Als es meine Kraͤft erlauben, und denn gerne ſtill zu ſtehen. Jch will gerne groͤßern Geiſtern, alles richtiger zu faſſen, Wenn ich nur die Bahn gebrochen, mit Vergnuͤgen uͤberlaſſen. Um nun in den tiefen Abgrund des verhohlnen Nichts zu ſteigen, Um den Anfang und das Ende des erſchaffnen Stoffs zu ſehn, Wird U u 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/699
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 675. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/699>, abgerufen am 24.11.2024.