Jndem ich nun, mit einigem Erwegen, Die meinigen beschau, seh ich die Ordnung an Der Blätter, welche man nicht gnug bewundern kann, Jndem sie all im Grund, an keinen Spitzen, Nachhero breit und etwas ausgehöhlt, Recht schuppenweise, zierlich sitzen. Ein jedes Blättchen ist so zart, daß fast das Licht Der Sonnen, durch die Bläschen, bricht, Wo zwischen denn, in Regel-rechter Länge Von Purpur-Aederchen sich eine große Menge, An Form, wie kleine Herzen, zeigen, Die gleichsam aus einander steigen.
Jch senkte meinen Blick, und mit ihm meine Seele, Hierauf in die Rubinen-gleiche Höhle Der einen Rose tief hinein, Um, in der rothen Dämmrung Schein, Der Blätter Rang und Ordnung zu besehn, Und fand die innersten gekrümmet, umgebogen, Und alle rund, um ihr klein Centrum stehn, So daß von jedem Blatt die beyden Ecken Sich gleichsam recht für uns verstecken. Um nun noch ferner zu entdecken, Wie es denn eigentlich um ihre Stellung stünde, Nam ich ein Messerchen zur Hand, Da ich denn, wie ich sie, zusamt den Kelch, durchschnitten, Nicht ohn es zu bewundern fand, Daß alle Blätterchen, bis in des Kelches Mitten, Mit ihren Spitzen fest. Wie sie sich also trennen, Und wie sie sich daraus entwickeln können, Begriff und faßt ich nicht. Jch dachte zwar dabey, Ob es zu diesem Zweck vielleicht geordnet sey, Daß der Geruch in den verschlossnen Falten,
Sich
Roſen-Gedanken.
Jndem ich nun, mit einigem Erwegen, Die meinigen beſchau, ſeh ich die Ordnung an Der Blaͤtter, welche man nicht gnug bewundern kann, Jndem ſie all im Grund, an keinen Spitzen, Nachhero breit und etwas ausgehoͤhlt, Recht ſchuppenweiſe, zierlich ſitzen. Ein jedes Blaͤttchen iſt ſo zart, daß faſt das Licht Der Sonnen, durch die Blaͤschen, bricht, Wo zwiſchen denn, in Regel-rechter Laͤnge Von Purpur-Aederchen ſich eine große Menge, An Form, wie kleine Herzen, zeigen, Die gleichſam aus einander ſteigen.
Jch ſenkte meinen Blick, und mit ihm meine Seele, Hierauf in die Rubinen-gleiche Hoͤhle Der einen Roſe tief hinein, Um, in der rothen Daͤmmrung Schein, Der Blaͤtter Rang und Ordnung zu beſehn, Und fand die innerſten gekruͤmmet, umgebogen, Und alle rund, um ihr klein Centrum ſtehn, So daß von jedem Blatt die beyden Ecken Sich gleichſam recht fuͤr uns verſtecken. Um nun noch ferner zu entdecken, Wie es denn eigentlich um ihre Stellung ſtuͤnde, Nam ich ein Meſſerchen zur Hand, Da ich denn, wie ich ſie, zuſamt den Kelch, durchſchnitten, Nicht ohn es zu bewundern fand, Daß alle Blaͤtterchen, bis in des Kelches Mitten, Mit ihren Spitzen feſt. Wie ſie ſich alſo trennen, Und wie ſie ſich daraus entwickeln koͤnnen, Begriff und faßt ich nicht. Jch dachte zwar dabey, Ob es zu dieſem Zweck vielleicht geordnet ſey, Daß der Geruch in den verſchloſſnen Falten,
Sich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0070"n="46"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Roſen-Gedanken.</hi></fw><lb/><lgn="23"><l>Jndem ich nun, mit einigem Erwegen,</l><lb/><l>Die meinigen beſchau, ſeh ich die Ordnung an</l><lb/><l>Der Blaͤtter, welche man nicht gnug bewundern kann,</l><lb/><l>Jndem ſie all im Grund, an keinen Spitzen,</l><lb/><l>Nachhero breit und etwas ausgehoͤhlt,</l><lb/><l>Recht ſchuppenweiſe, zierlich ſitzen.</l><lb/><l>Ein jedes Blaͤttchen iſt ſo zart, daß faſt das Licht</l><lb/><l>Der Sonnen, durch die Blaͤschen, bricht,</l><lb/><l>Wo zwiſchen denn, in Regel-rechter Laͤnge</l><lb/><l>Von Purpur-Aederchen ſich eine große Menge,</l><lb/><l>An Form, wie kleine Herzen, zeigen,</l><lb/><l>Die gleichſam aus einander ſteigen.</l></lg><lb/><lgn="24"><l>Jch ſenkte meinen Blick, und mit ihm meine Seele,</l><lb/><l>Hierauf in die Rubinen-gleiche Hoͤhle</l><lb/><l>Der einen Roſe tief hinein,</l><lb/><l>Um, in der rothen Daͤmmrung Schein,</l><lb/><l>Der Blaͤtter Rang und Ordnung zu beſehn,</l><lb/><l>Und fand die innerſten gekruͤmmet, umgebogen,</l><lb/><l>Und alle rund, um ihr klein Centrum ſtehn,</l><lb/><l>So daß von jedem Blatt die beyden Ecken</l><lb/><l>Sich gleichſam recht fuͤr uns verſtecken.</l><lb/><l>Um nun noch ferner zu entdecken,</l><lb/><l>Wie es denn eigentlich um ihre Stellung ſtuͤnde,</l><lb/><l>Nam ich ein Meſſerchen zur Hand,</l><lb/><l>Da ich denn, wie ich ſie, zuſamt den Kelch, durchſchnitten,</l><lb/><l>Nicht ohn es zu bewundern fand,</l><lb/><l>Daß alle Blaͤtterchen, bis in des Kelches Mitten,</l><lb/><l>Mit ihren Spitzen feſt. Wie ſie ſich alſo trennen,</l><lb/><l>Und wie ſie ſich daraus entwickeln koͤnnen,</l><lb/><l>Begriff und faßt ich nicht. Jch dachte zwar dabey,</l><lb/><l>Ob es zu dieſem Zweck vielleicht geordnet ſey,</l><lb/><l>Daß der Geruch in den verſchloſſnen Falten,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Sich</fw><lb/></l></lg></div></div></body></text></TEI>
[46/0070]
Roſen-Gedanken.
Jndem ich nun, mit einigem Erwegen,
Die meinigen beſchau, ſeh ich die Ordnung an
Der Blaͤtter, welche man nicht gnug bewundern kann,
Jndem ſie all im Grund, an keinen Spitzen,
Nachhero breit und etwas ausgehoͤhlt,
Recht ſchuppenweiſe, zierlich ſitzen.
Ein jedes Blaͤttchen iſt ſo zart, daß faſt das Licht
Der Sonnen, durch die Blaͤschen, bricht,
Wo zwiſchen denn, in Regel-rechter Laͤnge
Von Purpur-Aederchen ſich eine große Menge,
An Form, wie kleine Herzen, zeigen,
Die gleichſam aus einander ſteigen.
Jch ſenkte meinen Blick, und mit ihm meine Seele,
Hierauf in die Rubinen-gleiche Hoͤhle
Der einen Roſe tief hinein,
Um, in der rothen Daͤmmrung Schein,
Der Blaͤtter Rang und Ordnung zu beſehn,
Und fand die innerſten gekruͤmmet, umgebogen,
Und alle rund, um ihr klein Centrum ſtehn,
So daß von jedem Blatt die beyden Ecken
Sich gleichſam recht fuͤr uns verſtecken.
Um nun noch ferner zu entdecken,
Wie es denn eigentlich um ihre Stellung ſtuͤnde,
Nam ich ein Meſſerchen zur Hand,
Da ich denn, wie ich ſie, zuſamt den Kelch, durchſchnitten,
Nicht ohn es zu bewundern fand,
Daß alle Blaͤtterchen, bis in des Kelches Mitten,
Mit ihren Spitzen feſt. Wie ſie ſich alſo trennen,
Und wie ſie ſich daraus entwickeln koͤnnen,
Begriff und faßt ich nicht. Jch dachte zwar dabey,
Ob es zu dieſem Zweck vielleicht geordnet ſey,
Daß der Geruch in den verſchloſſnen Falten,
Sich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/70>, abgerufen am 03.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.