Den weissen Fliederbaum in voller Blühte stehen. Sein weisser Schimmer fiel so stark mir ins Gesicht, Daß ich sein sonderbar Gewächse zu besehen, Und auch, in seiner Zier, den Schöpfer zu erhöhen, Mich nicht enthalten kunnt. Jch brach ein Blümchen ab, Das mir zu folgender Betrachtung, Anlaß gab. Billig bist du, holder Flieder, Auch ein Vorwurf meiner Lieder, Da du ja so nütz als schön. Deine Frucht, Laub, Zweig und Blühte Lassen Weisheit, Macht und Güte Eines Schöpfers, klärlich sehn. Ein Auge, das, wenns siehet, wirklich siehet, Erblickt am Fliederbaum, der blühet, Verschiednes, das ihn rührt und ihn vergnüget. Es läßt das dunkle Grün der Blätter, da es sich So lieblich, als verwunderlich, Zur weissen Blühte lieblich füget, Mit schönen weissen Rosensträuchen Von weiten recht natürlich sich vergleichen. Wenn ich der Fliederblume Bau, Und Bildung, in der Nähe, schau: So find ich, daß auch sie, auf eine neue Weise, Dem, der sie werden hieß, zum Preise, Bewunderns-werth gebildet und formiert, Bewunderns-werth gefärbet und geziert. Fast einem Sonnenschirm sieht sie an Bildung gleich; An Blumen ist die Blum unglaublich reich, Die alle sich, an fünf getheilten Zweigen, (Woran wir unterwerts fünf grüne Blätter sehn, Die an dem ganzen Baum stets fünffach stehn,) Jn einer solchen Ordnung zeigen,
Daß
Der Flieder.
Den weiſſen Fliederbaum in voller Bluͤhte ſtehen. Sein weiſſer Schimmer fiel ſo ſtark mir ins Geſicht, Daß ich ſein ſonderbar Gewaͤchſe zu beſehen, Und auch, in ſeiner Zier, den Schoͤpfer zu erhoͤhen, Mich nicht enthalten kunnt. Jch brach ein Bluͤmchen ab, Das mir zu folgender Betrachtung, Anlaß gab. Billig biſt du, holder Flieder, Auch ein Vorwurf meiner Lieder, Da du ja ſo nuͤtz als ſchoͤn. Deine Frucht, Laub, Zweig und Bluͤhte Laſſen Weisheit, Macht und Guͤte Eines Schoͤpfers, klaͤrlich ſehn. Ein Auge, das, wenns ſiehet, wirklich ſiehet, Erblickt am Fliederbaum, der bluͤhet, Verſchiednes, das ihn ruͤhrt und ihn vergnuͤget. Es laͤßt das dunkle Gruͤn der Blaͤtter, da es ſich So lieblich, als verwunderlich, Zur weiſſen Bluͤhte lieblich fuͤget, Mit ſchoͤnen weiſſen Roſenſtraͤuchen Von weiten recht natuͤrlich ſich vergleichen. Wenn ich der Fliederblume Bau, Und Bildung, in der Naͤhe, ſchau: So find ich, daß auch ſie, auf eine neue Weiſe, Dem, der ſie werden hieß, zum Preiſe, Bewunderns-werth gebildet und formiert, Bewunderns-werth gefaͤrbet und geziert. Faſt einem Sonnenſchirm ſieht ſie an Bildung gleich; An Blumen iſt die Blum unglaublich reich, Die alle ſich, an fuͤnf getheilten Zweigen, (Woran wir unterwerts fuͤnf gruͤne Blaͤtter ſehn, Die an dem ganzen Baum ſtets fuͤnffach ſtehn,) Jn einer ſolchen Ordnung zeigen,
Daß
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Der Flieder.
Den weiſſen Fliederbaum in voller Bluͤhte ſtehen.
Sein weiſſer Schimmer fiel ſo ſtark mir ins Geſicht,
Daß ich ſein ſonderbar Gewaͤchſe zu beſehen,
Und auch, in ſeiner Zier, den Schoͤpfer zu erhoͤhen,
Mich nicht enthalten kunnt. Jch brach ein Bluͤmchen ab,
Das mir zu folgender Betrachtung, Anlaß gab.
Billig biſt du, holder Flieder,
Auch ein Vorwurf meiner Lieder,
Da du ja ſo nuͤtz als ſchoͤn.
Deine Frucht, Laub, Zweig und Bluͤhte
Laſſen Weisheit, Macht und Guͤte
Eines Schoͤpfers, klaͤrlich ſehn.
Ein Auge, das, wenns ſiehet, wirklich ſiehet,
Erblickt am Fliederbaum, der bluͤhet,
Verſchiednes, das ihn ruͤhrt und ihn vergnuͤget.
Es laͤßt das dunkle Gruͤn der Blaͤtter, da es ſich
So lieblich, als verwunderlich,
Zur weiſſen Bluͤhte lieblich fuͤget,
Mit ſchoͤnen weiſſen Roſenſtraͤuchen
Von weiten recht natuͤrlich ſich vergleichen.
Wenn ich der Fliederblume Bau,
Und Bildung, in der Naͤhe, ſchau:
So find ich, daß auch ſie, auf eine neue Weiſe,
Dem, der ſie werden hieß, zum Preiſe,
Bewunderns-werth gebildet und formiert,
Bewunderns-werth gefaͤrbet und geziert.
Faſt einem Sonnenſchirm ſieht ſie an Bildung gleich;
An Blumen iſt die Blum unglaublich reich,
Die alle ſich, an fuͤnf getheilten Zweigen,
(Woran wir unterwerts fuͤnf gruͤne Blaͤtter ſehn,
Die an dem ganzen Baum ſtets fuͤnffach ſtehn,)
Jn einer ſolchen Ordnung zeigen,
Daß
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/74>, abgerufen am 02.02.2025.
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